Keine Angst vor bärtigen Männern!

Am Samstag ist es mal wieder Zeit auf die Straße zu gehen! Lasst uns gegen die von Politik und Medien geschürte Terrorhysterie protestieren! Als Weihnachtsmänner verkleidet, wollen wir zeigen, dass man vor bärtigen Männern mit seltsamen Gepäckstücken keine Angst zu haben braucht.

Wir demonstrieren unter anderem gegen

  • Überwachungswahn und fehlgeleitete Sicherheitspolitik
  • aufgerüstete Polizisten
  • anlasslose Gepäck- und Personenkontrollen
  • Aufrufe zur Denunziation
  • Polemik / Angstmache in den Medien

und für

  • eine besonnene und effektive Sicherheitspolitik
  • Achtung der Bürgerrechte
  • Rückbesinnung auf unsere demokratischen Grundwerte

Bis jetzt sind fünf Städte bei der bundesweiten Aktion mit dabei. In Koblenz treffen wir uns um 13:30 am Bahnhofsvorplatz, marschieren gegen 14:30/15:00 Uhr die Löhrstraße hoch vor die Herz-Jesu-Kirche und kommen dort zum Abschluss. Durch die Fußgängerzone dürfen wir leider nicht, aber jedem steht es natürlich frei, anschließend noch den Weihnachtsmarkt zu besuchen 😉

Bitte kommt nach Möglichkeit als Weihnachtsmann verkleidet. Bärte sind laut Ordnungsamt ausdrücklich OK, lediglich Weihnachtsmann-Gesichtsmasken verstoßen gegen das Vermummungsverbot.

Mit Freude, Freiheit und Demokratie gegen Terror!
Keine Angst vor Männern mit Bärten
Koblenz, Bahnhofsvorplatz
Samstag, 04.12, 13:30 Uhr

Weitere Demos dieser Art finden in Düsseldorf, Frankfurt a.M., Hamburg und München statt. Nähere Infos zur Demo-Aktion gibt es hier: http://www.weihnachtstattangst.de/

Bitte verbreitet die Info!

TERROR TERROR TERROR!!!!111einself

Ja, es ist endlich wieder soweit, die Terrorgefahr ist allgegenwärtig. Mich als Pirat im Wahlkampf muss es ironischerweise schon fast freuen, dass diese Keule wieder ausgepackt wird. „Ganz konkret“ sei die Terrorgefahr in Deutschland, meint Innenminister Thomas de Maizière, schließlich gebe es „Hinweise eines ausländischen Partners“. Wenn die Gefahr so konrekt ist, wie de Maizières Andeutungen, muss man ja wahrlich Angst bekommen. Aber Nein! „Grund zur Sorge“ gebe es gewiss, „aber keinen Grund zu Hysterie“.

Kein Wunder, schließlich haben die Regierung und ihre „ausländischen Partner“ alles im Griff! Mit Aufklärungsdrohnen kann man ein Auge auf Terroristen und andere Gefährder werfen. Und damit sie nicht mehr miteinander kommunizieren können, bekommen sie einfach Handy- und Computerverbot! Das FBI kümmert sich unterdessen um die Überwachung des Internets und ist dazu bereits mit einigen großen Unternehmen im Gespräch. Praktischerweise will Facebook demnächst unsere komplette Konversationshistorie speichern, was die Sache sehr leicht machen dürfte.

Ja, der Staatsterror nimmt tatsächlich zu.

Was ändert die POG-Novelle?

Ich bin immer noch nicht dazu gekommen, mich intensiv inhaltlich mit den Änderungen des Polizei- und Ordnungsbehördengesetzes (POG) außeinanderzusetzen. Und warum? Weil ich erstmal die Arbeit der Landesregierung übernehmen und in fitzeliger Kleinstarbeit selbst die durch die Gesetzesnovelle bewirkten Änderungen hervorheben musste, um überhaupt einen Überblick zu gewinnen.

Die Regierung – und da ist die Landesregierung Rheinland-Pfalz leider nicht allein – hält es offensichtlich nicht für nötig, die von ihr angestrebten Gesetzesänderungen transparent zu machen. Dabei sind die Unterschiede mit wenigen Mausklicks hervorgehoben, sofern man denn Zugriff auf die Orginaldokumente hat und nicht mit einem PDF der Form „In §3 Absatz 4 Satz 5 wird … durch …. ersetzt“ hantieren muss. Das ist nicht nur für den interessierten Bürger ärgerlich, sondern erschwert auch die Arbeit des Parlaments erheblich.

Ich hab mir beste Mühe gegeben ein übersichtliches Diff zu erstellen, um mir selbst und allen die inhaltlich am POG interessiert sind die Arbeit zu erleichtern. Eine 100%ige Gewähr, dass ich alles richtig gemacht habe, kann ich aber natürlich nicht geben. Wenn ihr Fehler findet sagt mir Bescheid.

Hier sind die Unterschiede als PDF. Außerdem sind hier die ursprüngliche Version sowie die geänderte Version als Textdateien. Die Dokumente sind auf die geänderten Passagen des POG beschränkt, d.h. alles was sich eh nicht geändert hat, hab ich rausgelassen.

Nun kann ich mich endlich dem Inhalt der Gesetzesnovelle widmen, hoffe aber, dass ich damit nicht allein bin, sondern sich viele Leute damit befassen und wir gemeinsam alle kritischen Stellen aufzeigen können. Pingt mich an, wenn ihr über die POG-Novelle bloggt, oder schreibt eure Anmerkungen in die Kommentare. Das Thema verdient unsere Aufmerksamkeit!

POG-Novelle verfügbar (mehr oder weniger)

Gleich nachdem der Ministerrat die Novelle des Polizei- und Ordnungsbehördengesetzes (POG) beschlossen hatte, habe ich mich beim Innenministerium nach dem aktuellen Gesetzesentwurf erkundigt, da dieser im Internet nicht auffindbar war. Bis heute blieb meine Mail und ein späteres Nachhaken völlig ohne Antwort!

Mein Vorstandskollege Ingo Höft wandte sich an das Bürgerbüro der Landesregierung und hatte damit deutlich mehr Erfolg, auch wenn der Weg etwas holprig war. Das Bürgerbüro verwies ihn auf den Landtag, und die Mitarbeiterin dort auf das Dokumentenverwaltungssystem „OPAL„. Dort müsse man nur die Drucksachennummer 15/4879 eingeben. Auch das Schlagwort „POG“ funktioniert, man braucht damit aber ein paar Klicks mehr. Eine offene Schnittstelle zum System gibt es nicht und Google kann die Dokumente auch nicht nach Schlagworten indizieren. Mit der Drucksachennummer findet aber auch Google das Dokument (und das Ergebnis 15/4879=0,00307440049).

Um euch den ganzen Quark zu ersparen hier der Link zum Dokument. Es lebe das WWW!

Die Mitarbeiter mit denen Ingo Kontakt hatte waren übrigens allesamt sehr freundlich und hilfsbereit, das soll an dieser Stelle auch mal erwähnt werden! Für das verkorkste System können die nix, vielmehr leiden sie mit darunter.

Jetzt bin ich aber leider noch nicht dazu gekommen, mich auch inhaltlich mit dem Gesetzesentwurf außereinander zu setzen. Die Art und Weise der Veröffentlichung macht dies auch nicht besonders einfach. Wie üblich gibt es nur das Änderungsgesetz (in Paragraph x, Absatz y, Satz z wird Wort 3 durch „foo“ ersetzt…), eine konsolidierte Fassung oder gar ein Diff fehlt. Alles muss man wieder selber machen… Wenn jemand Zeit und Muße hat, immer her damit 😉

Projekt INDECT gegen „abnormales Verhalten“

[Update: Auf die zunehmende Kritik zu INDECT reagiert der „Ethikrat“ laut Futurezone mit Geheimhaltungspolitik:

„Es wurde beschlossen, dass Themen, die sich negativ auf die Polizeiarbeit, die nationale und öffentliche Sicherheit, oder das Ansehen der Beteiligten auswirken könnten, nicht mehr zu veröffentlichen“, heißt es in dem Bericht. Auch Zusammenfassungen sollen nicht publiziert werden.“ Das „Ethics Board“ werde entscheiden, welche Projektdokumente in Zukunft „veröffentlicht werden dürfen“, heißt es auf Seite 10.

]

Weil das Thema INDECT extrem wichtig ist, aber total vernachlässigt wird, hier ein sehr schönes Interview der Flaschenpost mit dem neuen INDECT-Koordinator der Piratenpartei (von Gefion Thürmer):

Vorletzte Woche, am 19. August, wurde Roland Albert zum Koordinator für das Thema INDECT ernannt. Wir haben ihm dazu ein paar Fragen gestellt:

– Flaschenpost: Hallo Roland. Erst einmal vielen Dank, dass du dich dieses wichtigen Themas annimmst. Wie ist es zu der Beauftragung gekommen?

Das Projekt INDECT hat mit seinen grenzenlosen, negativen Auswirkungen von Anfang an meine Antipathie auf sich gezogen und ich hielt mich zu INDECT so gut es ging auf dem Laufenden. Als nun auf dem bayerischen Aktiventreffen in Ingolstadt angesprochen wurde, dass es eine Ausschreibung zum Koordinator für das Thema INDECT geben wird, habe ich lange darüber nachgedacht, ob ich hierfür kandidiere. Nach vielen Überlegungen sowie Gesprächen mit Sekor, Stephan Urbach und Ben habe ich mich entschlossen, mich für die Stelle als Koordinator zu bewerben und wurde schließlich in der vorletzten Woche vom Bundesvorstand, namentlich Andi Popp, beauftragt.

– Flaschenpost: Könntest du kurz erklären, was genau INDECT ist?

Roland Albert: Kurz ist schon aufgrund des Akronyms nicht machbar. INDECT, das ist die Abkürzung für das neue Überwachungsprogramm der Europäischen Union. Das Akronym steht für “Intelligent information system supporting observation, searching and detection for security of citizens in urban environment” (Intelligentes Informationssystem, das Überwachung, Suche und Entdeckung für die Sicherheit von Bürgern in einer städtischen Umgebung unterstützt). Hinter diesem Wortungetüm stehen knapp 15 Millionen Euro Forschungsgelder der EU, die genutzt werden, um mit Steuergeldern eine noch nie dagewesene Überwachsungsinfrastruktur zu schaffen. Im Endergebnis soll ein System stehen, dass “auffälliges Verhalten” aller Bürger vorhersehen und melden kann.

– Wie sieht diese Überwachungsinfrastruktur konkret aus?

Roland Albert: Das  Forschungsprojekt soll vor allem Wege finden, sämtliche Informationen aus dem Netz, aus Datenbanken und von Überwachungskameras intelligent zu verbinden. Damit entsteht ein automatischer Bevölkerungsscanner. INDECT will erforschen, wie sich im Netz mithilfe automatisierter Suchroutinen “Gewalt”, “Bedrohungen” und “anormales Verhalten” finden lassen. Wer beispielsweise bei YouTube ein “Drohvideo” geposted hat, soll mithilfe von Überwachungskameras vollautomatisch gesucht, via Suchmaschine identifiziert und mittels mobilen Geräten oder gar Schwärmen von fliegenden Drohnen verfolgt werden. Außerdem will man Suchmaschinen zur schnellen Identifizierung von Personen und Dokumenten entwickeln und Suchprogramme, die “ständig” und “automatisch” öffentliche Quellen wie Websites, Foren, Usenet-Gruppen, Fileserver, P2P-Netzwerke und “individuelle Computersysteme” durchsuchen.

– Flaschenpost: Was genau darf man sich unter “auffälligem Verhalten” vorstellen?

Roland Albert: “Auffällig” ist immer das, was von der Norm abweicht. Aber ist “auffällig” immer gleich negativ? Ich meine: NEIN. Wir Piraten stehen für die freie Entfaltung jedes einzelnen Individuums, gleich seinen Vorlieben, seinem Verhalten oder was eben auch immer. Es kann nicht sein, dass Menschen aufgrund ihres Individualismus von einem System in eine Gefahrenkategorie einsortiert werden und hierbei gleichzeitig eine Abkehr von der Unschuldsvermutung stattfindet. Dieser Situation in einer permanent überwachten Umwelt gilt mein entschiedenes Entgegentreten – wehret den Anfängen!

– Flaschenpost: Wenn auffälliges Verhalten ein Abweichen von der Norm ist: Wie wird diese “Norm” definiert?

Roland Albert: Die Norm ist das mehrheitliche Verhalten einer Gruppe, z. B. der Bevölkerung oder auch das gewünschte und vorgegebene Verhalten durch Institutionen wie Regierung, Kirche oder anderen Gemeinschaftsoberhäuptern. Hier steckt auch einer weiterer Gefahrenpunkt. Wer definiert was normal ist? Bin ich normal?

– Befindet sich INDECT noch in der Forschungsphase oder werden Teile davon bereits umgesetzt?

Roland Albert: INDECT ist ein Forschungsprojekt, das auf fünf Jahre – bis 2013 – ausgelegt ist. Teile des Programms, beispielsweise die Koordinierung von Drohnen, werden bereits getestet, auch in Deutschland. Einen größeren Feldversuch wird es 2012 zur Fußball EM in Polen / der Ukraine geben. Hier sollen Einsätze unter reellen Bedingungen stattfinden.

– Flaschenpost: Ist bekannt, was genau dort getestet werden soll?

Roland Albert: Meines Wissens nicht. Zum einen sind hier nicht alle Informationen bekannt, zum anderen ist noch Zeit für entsprechende Forschungsarbeit bis zu diesem angekündigten Feldversuch in Polen und der Ukraine. Auch gilt es hier meinerseits, noch tiefer zu recherchieren und alle Informationen aufzubereiten.

– Flaschenpost: Hast du schon ein Konzept, wie du gegen INDECT vorgehen möchtest?

Roland Albert: Ich denke, dass an vielen Ecken angepackt werden muss. Zum einen gilt es, das Thema INDECT bei den PIRATEN selbst bekannter zu machen und hierfür zu sensibilisieren. Um das zu erreichen, sind die ersten Schritte eine Website / Blog mit allen relevanten und aktuellen News sowie Material zum Thema zu erstellen (Flyer, Streumittel, Web-Banner). Auch ist hierfür internationale Zusammenarbeit sehr wichtig, hier unterstützt mich Ralph Hinterleitner sehr stark, vielen Dank, Ralph, an dieser Stelle.

Zum anderen gilt es, die Bevölkerung zu INDECT zu informieren und entsprechende Risiken aufzuzeigen. Hierfür ist eine gute Pressearbeit, diverse Aktionen sowie Bündnisarbeit mit NGOs zu INDECT sehr wichtig.

Unbedingt erwähnen möchte ich, dass die Arbeit zu INDECT nicht alleinig von mir geleistet wird. Die AG INDECT hat vielfältige Talente die in den verschiedensten Bereichen supporten und ohne die unsere geplanten und teilweise schon umgesetzten Punkte so nicht möglich wären!

– Flaschenpost: Was kann man jetzt schon gegen INDECT tun? Gibt es schon die Möglichkeit zu spenden oder eine laufende Petition dagegen, die man mitzeichnen kann?

Roland Albert: Das sind Dinge, die noch angestoßen werden müssen. Ein Spendenaufruf ist gerade erfolgt. Spenden benötigen wir für Werbemittel sowie verschiedene Aktionen, mit denen wir das Thema publik machen werden. Jeder interessierte Pirat ist herzlich eingeladen, sich in der AG INDECT zu engagieren und es gemeinsam mit uns nicht zu diesem Werkzeug eines neuen Überwachungsstaates kommen zu lassen! Wer helfen möchte kann sich gerne an mich wenden!

m: +49 160 90300153

e: roland.albert@piraten-fuerth.de

t: twitter.com/stopINDECT

t: twitter.com/GrumblingGeek

s: r.b.albert

j: grumblinggeek@jabber.piratenpartei.de

– Flaschenpost: Vielen Dank, Roland, für deine Zeit und deine Antworten. Wir wünschen dir für deine Arbeit als Koordinator viel Erfolg und hoffen, dass wir gemeinsam dieses Projekt werden stoppen können!

SPD will Online-Durchsuchungen und Rasterfahndung in Rheinland-Pfalz

Die SPD in Rheinland-Pfalz, selbsternannte Netzpartei, richtet im Land weiter Schaden an. Während die Staatskanzlei beratungsresistent das Internet kaputt macht, wird gleichzeitig der Überwachungsstaat ausgebaut. Heute hat der Ministerrat die Novelle des Polizei- und Ordnungsbehördengesetzes beschlossen.

Netzpolitik.org hat das wesentliche bereits zusammengefasst:

Erlaubt werden sollen demnach heimliche Online-Durchsuchungen sowie die Überwachung von verschlüsselter Internet-Telefonie (Quellen-Telekommunikationsüberwachung). Beamte sollen zur Gefahrenabwehr außerdem Telefongespräche unterbrechen dürfen. Zur “Abwehr einer Gefahr für den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder Landes oder für Leib, Leben oder Freiheit einer Person” sollen weiterhin Rasterfahndungen zugelassen werden. Öffentlichkeitsfahndungen sollen auch bei Gefahr für Dritte möglich sein und nicht mehr nur bei Gefahr für Personen, nach denen selbst gefahndet wird. Die bisher im POG enthaltene Ermächtigung zum automatisierten KFZ-Kennzeichenabgleich wird aufgehoben.

Was eine „Online-Durchsuchung“ eigentlich genau sein soll und wie sie technisch durchgeführt werden soll, ist meines Wissens immer noch nicht definiert. Zu dem Thema empfehle ich das Buch von Burkhard Schröder. Interessant ist, dass der Kennzeichenabgleich aufgehoben werden soll. Eine Begründung dafür konnte ich nicht entdecken. Soll mir recht sein, auch wenn es in Anbetracht der anderen Maßnahmen nicht beruhigt.

Auf ein Neues: Großdemo gegen Überwachung in Berlin!

Die weder geplante noch angekündigte Sommerpause dieses Blogs ist nun vorüber. Zwischenzeitlich habe ich die neueste WordPress Version installiert und dem Blog ein neues Design verpasst.

Zum Warmwerden eine schnelle Info zur nächsten großen Demo (über die ihr aber hoffentlich schon längst informiert seid): Es ist wieder soweit, auch dieses Jahr wird es eine Großdemo gegen den Überwachungswahn geben.

Die wichtigsten Daten in Kürze:

11.09.2010, 13 Uhr
Potsdamer Platz, Berlin
http://FreiheitStattAngst.de

Ja, die Vorratsdatenspeicherung wurde in Deutschland abgeschafft, aber es geht um weit mehr. Es geht um den sich nach wie vor ausbreitenden Wahn einiger Personen, unsere über Jahrhunderte unter Einsatz zahlreicher Menschenleben erkämpften demokratischen Rechte für ein vermeintliches Gefühl der Sicherheit opfern zu können, ja sogar zu müssen. Das muss stoppen! Jetzt! Sofort!

Der Druck der Zivilbevölkerung muss weiter anhalten – nein, er muss noch verstärkt werden. Die Regierungsbeteiligung der FDP macht es nicht besser. Diese Partei koaliert tatsächlich mit einem der größten Feinde der Freiheit und nennt diese Haltung liberal. Sie lässt zu, dass persönlichste Daten europäischer Bürger in die USA wandern und bezeichnet dies als einen Zugewinn an Datenschutz. Die FDP darf sich gerne zu der anderen Verräterpartei gesellen – wie hieß die nochmal? – SPD.

Zurück zum Thema: Am 11. September gehen wir auf die Straße. Du, ich und viele viele andere. Den Wahnsinn der Überwachungsfanatiker wird das nicht umkehren. Aber es wird weitere Bürger aufrütteln, es wird die Bewegung zusammenschweißen und gemeinsam werden wir die feuchten Überwachungsfantasien und die, die sie träumen, dahin zurückdrängen wo sie hingehören: Ins politische Abseits, wo sie keinen Schaden anrichten, sondern bestenfalls als Parolen einiger Spinner verhallen.

Überwachungsdruck am lebenden Subjekt erprobt

Videoüberwachung/video surveillance Mathildenh...
Image by springfeld via Flickr

Ein von Datenschützern und Bürgerrechtlern oft angeführtes Argument gegen Überwachungsmaßnahmen ist der durch diese entstehende Beobachtungs- oder Überwachungsdruck. Menschen die unter Beobachtung stehen oder auch nur glauben, dass sie überwacht werden, passen ihr Verhalten an. Das kann soweit gehen, dass sie von ihren Grundrechten nicht oder nicht in vollem Maße Gebrauch machen. Der Überwachungsdruck hemmt die freie Entfaltung der Persönlichkeit, aus Angst vor den Folgen non-konformen Verhaltens.

Dieses theoretische Konstrukt konnte auf der diesjährigen CeBit live erprobt werden. Am Stand eines Herstellers von Videoüberwachungsanlagen entstand spontan das im Folgenden beschriebene Experiment. Der Hersteller hatte eine moderne Überwachungskamera zu Demonstrationszwecken aufgebaut. Die Kamera war an einer Ecke des Standes, leicht über Kopfhöhe aufgebaut. Auf Augenhöhe befand sich unter der Kamera ein Bildschirm der das von ihr erfasste Bild anzeigte. Gegenüber an der anderen Ecke des Standes befand sich das Steuerungspult für diese Kamera, ebenfalls mit Bildschirm. Die Kamera konnte damit um 360° gedreht, sowie nach oben und unten gekippt werden. Beachtlich war auch das Zoomvermögen des Geräts, mit dem man selbst Personen einige Gänge weiter noch sehr gut erfassen konnte.

Die Kamera wurde zunächst leicht nach unten gerichtet, sodass Personen die direkt vor der Kamera standen sich selbst im Bildschirm sahen. Die Personen am Steuerungspult (im Folgenden „Überwacher“ genannt) konnten von ihnen jedoch nicht wahrgenommen werden. Nach kurzer Zeit wurden die ersten Personen auf die Kamera und ihr Abbild im Monitor aufmerksam und verharrten vor der Kamera. Die Überwacher wählten dann eine dieser Personen aus (im Folgenden „Zielperson“ genannt). Im ersten Schritt wurde nun gezielt an die Zielperson heran gezoomt um deren Aufmerksamkeit zu gewinnen. Dies führte in der Regel bereits zu einer ersten Verunsicherung der Zielperson. Im nächsten Schritt wurde die Kamera stets neu auf die Zielperson ausgerichtet, auch wenn diese sich nur leicht bewegte. Den Zielpersonen war nun deutlich eine innere Unruhe anzumerken, insbesondere wenn sie sich gerade mit anderen unterhielten. Dies führte in der Regel dazu, dass die Zielperson versuchte sich aus dem Sichtfeld der Kamera zu bewegen, was jedoch aufgrund der hohen Beweglichkeit des Kamerakopfes nicht ohne Weiteres gelingen konnte. Die Zielpersonen prüften nach einem Standortwechsel immer wieder die Ausrichtung der Kamera und mussten erschrocken feststellen, dass diese wieder auf sie gerichtet war. Eine Zielperson „floh“ daraufhin komplett aus der Reichweite des Standes und drehte sich während dessen mehrfach verunsichert um (Ein solches Verhalten wird bei echten Überwachungen oftmals als konspirativ und somit verdachtserhärtend betrachtet).

Interessant war auch das Verhalten der Überwacher, die regelrecht Gefallen an der Beobachtung der Zielpersonen und deren Verhalten fanden. Auch die Neugierde von anderen Besuchern wurde geweckt, die daraufhin die Kamera auch mal „ausprobieren“ wollten. Die Überwachung entfaltete geradezu eine Suchtwirkung.

Auch wenn dieses spontane Experiment wissenschaftlichen Ansprüchen sicher nicht gerecht wird, so brachte es doch einige Erkenntnisse zu Überwachten wie Überwachern zutage. Überwachungsdruck ist kein gedankliches Konstrukt, das lediglich in der Theorie existiert, sondern ein faktisches Phänomen, das in der Praxis auftritt und zu erheblichen Einschränkungen in der freien Entfaltung der Persönlichkeit führt. Die gravierenden Nachteile, die Überwachung mit sich bringt, müssen stets gegen die angeblichen Vorteile abgewogen werden.

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„Diffus bedrohliches Gefühl des Beobachtetseins“

Die Vorratsdatenspeicherung war Ende 2007 der Anlass für mich, erstmals auf die Straße zu gehen. Durch sie kam ich mit Aktivisten des AK Vorrat und der Piratenpartei in Kontakt. Die Vorratsdatenspeicherung hat eine große Bürgerrechtsbewegung hervorgebracht und die größte Verfassungsbeschwerde aller Zeiten provoziert.

Gestern wurde die Vorratsdatenspeicherung vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig und nichtig erklärt. Alle Daten, die noch nicht an Ermittlungsbehörden weitergegeben wurden, müssen umgehend gelöscht werden. Der Provider 1&1 hat nach eigenen Angaben schon damit angefangen.

Eine Speicherung von Telekommunikationsverbindungsdaten auf Vorrat gibt es damit in Deutschland nicht mehr. Viele Jahre haben wir dafür gekämpft. Dass das Gesetz komplett gekippt wird, habe ich zwar für möglich, aber nicht für sehr wahrscheinlich gehalten.

Die Vorratsdatenspeicherung ist ein schwerwiegender Eingriff in die Grundrechte, da sie geeignet ist „ein diffus bedrohliches Gefühl des Beobachtetseins hervorzurufen, das eine unbefangene Wahrnehmung der Grundrechte in vielen Bereichen beeinträchtigen kann“, begründet das Verfassungsgericht. Die Umstände der Kommunikation seien ebenso schutzbedürftig wie deren Inhalt. Allerdings sei eine anlasslose Speicherung „nicht schlechthin“ mit dem Grundgesetz unvereinbar. Daher greifen die Richter die zugrunde liegende EU-Richtlinie nicht an und verweisen auch nicht an den europäischen Gerichtshof. Laut den Verfassungsrichtern sei eine verfassungskonforme Umsetzung der EU-Richtlinie möglich.

Hohe Anforderungen

An die Ausgestaltung dieser Umsetzung stellen die Richter jedoch sehr hohe Anforderungen: Um die Verhältnismäßigkeit zu wahren muss die Normenklarheit in Bezug auf Datensicherheit, Datenverwendung, Transparenz und Rechtsschutz gegeben sein. Datensicherheit betrifft dabei sowohl die Aufbewahrung als auch die Übermittlung und Löschung der Daten. Sicherheitsstandards müssen sich am aktuellen Stand der Technik orientieren, die Daten müssen asymmetrisch verschlüsselt werden, die Rechner vom Internet getrennt sein und ein 4-Augen-Prinzip sichergestellt werden. Der Zugriff auf und die Löschung der Daten müssen revisionssicher Protokolliert werden. Um die Transparenz zu wahren muss es zudem Informationspflichten bei Datenschutzverletzungen geben. Der Betroffene muss beim Abruf der Daten informiert werden, falls kein anders lautender richterlicher Beschluss vorliegt. Um einen sicheren Rechtsschutz zu gewährleisten hat der Zugriff zudem unter einem Richtervorbehalt zu stehen und den Betroffenen muss ein Rechtsschutzverfahren möglich sein. Verletzungen des Datenschutzes und der Datensicherheit müssen wirksam sanktioniert werden.

Eine neue Vorratsdatenspeicherung?

Da das derzeitige Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung komplett für nichtig erklärt wurde, geht der Gesetzgebungsprozess nun komplett von neuem los, wenn die Regierung denn überhaupt noch eine Umsetzung wünscht. Die selbsternannte Bürgerrechtspartei FDP hätte nun Gelegenheit sich als solche zu beweisen und sich dafür einzusetzen, dass die EU-Richtlinie komplett zurück genommen wird. Wir sind in Europa nicht allein: Schweden weigert sich die Vorratsdatenspeicherung umzusetzen, Österreich befindet sich immer noch im Gesetzgebungsprozess und hat sich deshalb schon ein Vertragsverletzungsverfahren eingehandelt, Rumänien hatte die Vorratsdatenspeicherung bereits letztes Jahr für verfassungswidrig erklärt.

Es ist jetzt an der Zeit, die Vorratsdatenspeicherung auf europäischer Ebene zu Fall zu bringen! Leider hat es die CDU immer noch nicht verstanden und behauptet dreist, die Speicherung sei nötig „um die Bürgerinnen und Bürger wirksam vor schweren und schwersten Straftaten schützen zu können“. Ich bin es langsam leid auf solche unsinnigen Behauptungen einzugehen… Muss ich auch nicht, steht ja alles hier.

Ich hoffe doch sehr, dass die CDU mit ihren Bestrebungen die Vorratsdatenspeicherung neu aufzusetzen alleine dasteht. Nicht alles was verfassungsrechtlich machbar ist muss auch umgesetzt werden. Zudem halte ich es für enorm schwierig die umfangreichen Rahmenbedingungen des Bundesverfassungsgerichts wirksam einzuhalten. Allein die Formulierung eines entsprechenden Gesetzes dürfte eine große Hürde darstellen. Die effektive Umsetzung der Datensicherheits- und Transparenzanforderungen in der Praxis halte ich für Utopie.

Die FDP und die Lobbyisten

Es bleibt zu hoffen, dass die FDP dem Druck der CDU standhält. Mehr Sorgen als der Einfluss der CDU, macht mir jedoch die Musikindustrie, die sich über eine Hintertür des Urteils gerade besonders freut: Für die Identifkation von Nutzern hinter einer IP-Adresse hat das Gericht nämlich deutlich geringere Hürden gesetzt. Begründet wird dies damit, dass bei einer Identifikation ja keine Vorratsdaten herausgegeben würden. Der Anbieter ermittle mittels der Vorratsdaten lediglich intern die zugehörigen Bestandsdaten. Herausgegeben würden nur Bestandsdaten, d.h. Name und Adresse des Kunden. Zudem sei für diese Anfragen weder ein Richterbeschluss nötig, noch beschränke sich der Zugriff auf schwere Straftaten. Die Abfrage von Bestandsdaten zu einer IP-Adresse sei auch bei gewichtigen Ordnungswidrigkeiten erlaubt. In der Urteilsbegründung wird sogar ausdrücklich die Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen genannt.

Die FDP ist nicht gerade für eine liberale Urheberrechtspolitik bekannt. Ich bin gespannt ob sie der Verlockung widersteht eine Vorratsdatenspeicherung zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen einzuführen. Ich fürchte spätestens bei diesem Stichwort wird die Partei einknicken. Vielleicht wird Frau Leutheusser-Schnarrenberger dann abermals so stark sein, von ihrem Amt zurückzutreten – nützen wird uns dies jedoch wenig.

Durchatmen und weiterkämpfen

Zunächst einmal haben wir uns jedoch Luft geschaffen. Die Vorratsdatenspeicherung ist vom Tisch und diejenigen sind im Zugzwang, die sie wieder einführen möchten. Ich habe es gestern genossen erstmals wieder vorratsdatenfrei zu kommunizieren (auch wenn das vermutlich ein Trugschluss war, da es sicher noch ein paar Tage dauern wird, bis alles abgeschaltet und gelöscht ist). Das Gesetz ist in Deutschland erstmal vom Tisch. Der AK Vorrat kündigt bereits an, nun auf europäischer Ebene weiter vorzugehen. Wir haben einen wichtigen Etappensieg errungen, den wir weiter ausbauen können. Zudem gibt es noch weitere wichtige Baustellen denen wir uns widmen müssen: Spontan fallen mir ELENA, JMStV und ACTA ein. Auch das Zugangserschwerungsgesetz ist nach der Unterschrift Köhlers wieder auf der politischen Tagesordnung. Es gibt also viel zu tun. Packen wirs an!

Weiterführende Links

Gedenktag

Am 9. November ist in der Vergangenheit schon so einiges passiert – Positives wie Negatives. Nicht umsonst wird dieser Tag auch als Schicksalstag der Deutschen bezeichnet. Während insbesondere an den Mauerfall schon hinreichend oft erinnert wurde, möchte ich an dieser Stelle noch ein anderes Ereignis ins Gedächtnis rufen: Den Beschluss der Vorratsdatenspeicherung.

Am 09. November 2007 haben 366 deutsche Abgeordnete für ein Gesetz gestimmt, das alle Bürger unter Generalverdacht stellt und ohne Anlass überwacht. Von uns allen wird gespeichert, wann wir mit wem telefonieren, wie lange das Gespräch dauert, wo wir uns bei Mobilfunkgesprächen und SMS aufhalten, wem wir E-Mails schicken und wann wir uns ins Internet einwählen. Für ein halbes Jahr werden diese Daten anlasslos festgehalten!

Das Gesetz ist immer noch da. Und es ist nicht weniger schlimm geworden, in den zwei Jahren seit Beschluss. Auch die neue Regierung mit der ach so liberalen FDP hat dieses Gesetz nicht wieder abgeschafft. Die Daten werden nach wie vor gespeichert. So lange dieses Gesetz existiert müssen wir dagegen protestieren. Nichts rechtfertigt die anlasslose Überwachung der eigenen Bürger!