Datenschutzbeauftrager in RLP übernimmt Informationsfreiheit

Der Datenschutzbeauftragte von Rheinland-Pfalz ist nun auch für die Informationsfreiheit zuständig. Ein Schritt in die richtige Richtung! Fraglich bleibt jedoch, ob die Behörde über genügend Personal verfügt, um ihren Aufgaben nachzukommen.

Der rheinland-pfälzische Landtag hat am 07. Dezember das Informationsfreiheitsgesetz des Landes geändert und dem Landesbeauftragten für den Datenschutz, Edgar Wagner, zusätzlich das Amt des Beauftragten für die Informationsfreiheit übertragen. Ich begrüße diese Entscheidung sehr, da viele Bürger noch nicht hinreichend über die Rechte, die ihnen das noch junge Informationsfreiheitsgesetz einräumt, informiert sind. Gleichzeitig können die Behörden Unterstützung und Beratung bei der praktischen Umsetzung durchaus gebrauchen.

Datenschutz und Informationsfreiheit in einer Hand machen ebenfalls Sinn. Wagner stellt zutreffend fest:

„Die rheinland-pfälzische Landesverfassung kennt bereits das Grundrecht auf Datenschutz. Das Informationsfreiheitsrecht ist nur die andere Seite derselben Medaille, nämlich der Freiheit in der Informationsgesellschaft.“

Besonders erfreulich finde ich, dass Wagner sich auch für Open Data einsetzen möchte:

Dabei müsse auch sichergestellt werden, dass der Zugang zu Behördeninformationen nicht nur auf Antrag gewährt wird. […] Wie in den USA und in Großbritannien sollten auch im Bund und in den Ländern übergreifende Portale eingerichtet werden, die den Zugang zu staatlichen Informationen eröffnen.

So sehr ich diesen Schritt begrüße, frage ich mich jedoch auch, wie die Behörde mit der aktuellen Personalsituation ihrer wichtigen Aufgabe nachkommen kann. Seit Oktober 2008 ist die Behörde neben dem öffentlichen auch für den nicht-öffentlichen Bereich zuständig (d.h. Unternehmen / Privatwirtschaft). Nun kommt mit der Informationsfreiheit ein weiterer, großer Aufgabenbereich hinzu.

Im derzeit aktuellen 22. Tätigkeitsbericht (PDF) beklagt die Behörde die dünne Personaldecke von lediglich 15 Mitarbeitern (davon 4 Teilzeit!). Aus den beschriebenen Tätigkeiten geht zudem deutlich hervor, dass wichtigen Aufgaben nicht oder nur unzureichend nachgekommen werden konnte. Seitdem hat sich an der Personalsituation meines Wissens kaum etwas geändert.

Für den Aufgabenbereich Informationsfreiheit sollen nun lediglich zwei (2!) neue Stellen geschaffen werden. Unklar ist mir noch, ob die Gebiete strikt getrennt sind, oder sich die Kapazitäten auf beide Themen aufteilen. Im ersten Fall frage ich mich, wie mit nur zwei Mitarbeitern der Informationsfreiheit in diesem Land Rechnung getragen werden kann? In letzterem Fall würden weitere Kapazitäten von der ohnehin überlasteten Datenschutzaufsicht abgezogen.

Ich erwarte daher gespannt den nächsten Tätigkeitsbericht, der Ende des Jahres fällig wird. Der letzte Bericht verzögerte sich aufgrund des knappen Personals um mehr als 2 Monate. Mal sehen, wann wir den 23. Tätigkeitsbericht in den Händen halten dürfen.

 

Die Grünen und die Bürgerrechte

Immer noch wird über die Vorratsdatenspeicherung (VDS) diskutiert. Diese gigantische Datenhalde mit der damals alles begann. Die verantwortlich ist, für die Gründung des AK Vorrat und das Aufleben einer neuen Bürgerrechtsbewegung. Die Bewegung hatte Erfolg: Das Gesetz wurde vor dem Bundesverfassungsgericht zu Fall gebracht. Wie realistisch ist nun die Wiedereinführung der Speicherung aller Kommunikationsverbindungsdaten der Bundesbürger?

Die Position der CDU dürfte allen klar sein. Die FDP hält dagegen, aber wird sich unter dem Druck des Koalitionspartners auf Kompromisse einlassen, welche es bei den Grundrechten nicht geben darf. Auch eine 7-tägige Vorratsdatenspeicherung, wie von FDP-Ministerin Leutheusser-Schnarrenberger gefordert, bleibt ein unverhältnismäßiger Grundrechtseingriff.

Über die SPD brauchen wir gar nicht zu reden, heute hü, morgen hott und im Zweifel gegen die Grundrechte. Interessant bleibt die Position der Grünen. Der Grünen? Die sind doch ganz klar gegen die Vorratsdatenspeicherung?! Leider nein.

Ein Blick in den Koalitionsvertrag Rheinland-Pfalz (PDF), Seite 82 (Hervorhebungen von mir):

Es gibt rechtspolitische Bedenken gegen die Speicherung von Kommunikationsdaten aller Bürgerinnen und Bürger. Deshalb hat das Bundesverfassungsgericht hohe Anforderungen in Bezug auf die Vorratsdatenspeicherung aufgestellt. Im geltenden rheinland-pfälzischen POG ist die Vorratsdatenspeicherung nicht vorgesehen. Diesbezügliche Änderungen werden die Koalitionspartner nur im Konsens vollziehen.

Die Grünen haben also sowas wie „Bauchschmerzen“ in Sachen VDS. Die Betonung der „hohen Anforderungen“ liest sich für mich, als sei man bereit einer Vorratsdatenspeicherung unter Beachtung dieser zuzustimmen. Der letzte Satz soll wohl einen Alleingang der SPD verhindern, jedoch befürchte ich, dass sich die Grünen dem Koalitionsfrieden zu liebe beugen werden, wenn die SPD eine Vorratsdatenspeicherung im Polizei- und Ordnungsbehördengesetz (POG) festschreiben will. Man will ja schließlich konsensfähig bleiben.

Alles in Allem liest sich eine Ablehnung der Vorratsdatenspeicherung anders. Und noch etwas fällt ins Auge: Der ganze Absatz bezieht sich aufs POG, also ein rheinland-pfälzisches Landesgesetz! Auf die Vorratsdatenspeicherung auf Bundesebene, die derzeit viel wahrscheinlicher ist, wird gar nicht eingegangen.

Wie werden sich die Grünen also bei einer Abstimmung im Bundesrat verhalten? Man könnte den Konsensgedanken auch darauf übertragen, was letztendlich bedeutet, dass sich RLP im Bundesrat enthalten wird, wenn sich SPD und Grüne über die VDS uneinig sind. Auf meine diesbezügliche Nachfrage über Twitter habe ich leider keine Antwort bekommen, obwohl die Twitterer der Grünen sonst sehr kommunikativ sind.

Noch düsterer sieht die Situation in Baden-Württemberg aus. Trotz grüner regierungsmehrheit hat sich die SPD das Innenministerium unter den Nagel gerissen und Innenminister Gall prescht weniger Tage vor der Innenministerkonferenz mit seiner Befürwortung einer sechsmonatigen Speicherung aller Kommunikationsverbindungsdaten vor. Kein gutes Bild für den Koalitionspartner, der sich in Unschuld wiegt, da dies ja gar nicht die Position der Grünen sei, sondern nur der SPD. Der Minister vertrat auf der Innenministerkonferenz jedoch die Landesregierung und nicht die SPD.

Hat Herr Gall damit gegen den Koalitionsvertrag gehandelt? Nein, denn im Koalitionsvertrag ist überhaupt keine Ablehnung der VDS verankert! Dort heißt es:

Bei der Vorratsdatenspeicherung setzen wir uns dafür ein, die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts präzise einzuhalten.

Das liest sich fast schon wie eine Befürwortung. Im Bundesrat wird es im besten Fall wohl auch auf eine Enthaltung hinauslaufen.

Aber der Spaß geht noch weiter: Nicht nur in Sachen Vorratsdatenspeicherung mangelt es den Grünen an einer klaren Bekenntnis zu den Bürgerrechten, sondern auch in Sachen POG Rheinland-Pfalz gibt es klare Versäumnisse. Ich hatte mich mit dem Gesetz, welches die SPD noch schnell vor der Wahl durch den Landtag brachte, ausführlich auseinandergesetzt, auch wenn ich nur einen Teil meiner Erkenntnisse verbloggen konnte.

Jedenfalls bin ich zu dem Ergebnis gekommen, dass die Online-Durchsuchung sicher eins der größten Probleme des neuen POG ist, jedoch bei weitem nicht das einzige. Darüber hatte ich auch mit grünen Politikern gesprochen. Was sich im Koalitionsvertrag wiederfindet ist jedoch erschreckend (Hervorhebungen wieder von mir):

Online-Durchsuchungen begegnen erheblichen rechtspolitischen Bedenken. Daher vereinbaren wir, die im Polizei- und Ordnungsbehördengesetz (POG) getroffenen Regelungen der Online-Durchsuchung zu überprüfen. Die im Paragraphen 100 POG vorgesehene qualitative Evaluierung soll bereits mit Ablauf des Jahres 2013 durch eine externe wissenschaftliche Begutachtung erfolgen. Ebenfalls evaluiert werden die Rasterfahndung und die bisher fehlende Benachrichtigungspflicht sowie die Quellen-Telekommunikationsüberwachung (TKÜ). Unabhängig von der Evaluierung wird die Frist bei der Quellen-TKÜ umgehend auf zwei Monate herabgesetzt.

Da sind sie wieder, die „rechtspolitischen Bedenken“. Zwar behandelt der Absatz einige der meiner Meinung nach schlimmsten Punkte im POG, umso erschreckender ist es jedoch, dass hier lediglich eine Evaluierung vorgesehen ist und sich die Grünen in keiner Weise dafür einsetzten, diese Regelungen wieder zu kippen oder zumindest zu entschärfen. Klar, als kleiner Koalitionspartner kann man nicht erwarten viel durchzusetzten. Es bleibt die Frage, ob eine Partei, die sich als Bürgerrechtspartei definiert, unter solchen Umständen eine Koalition eingehen darf.

Versteht mich nicht falsch, ich kenne viele Grüne persönlich und schätze sie sehr. Trotzdem können wir uns in Sachen Bürgerrechte offenbar nicht zu 100% auf die Grünen verlassen. Das muss offen aufgezeigt werden und das müssen auch diejenigen Grünen eingestehen, die sich sehr für Bürgerrechte engagieren. Gerade jene Grünen sehe ich in der Pflicht diese Entwicklung ihrer Partei offen zu kritisieren und dagegen anzukämpfen. Eine weitere Partei die ihre Prinzipien zur Wahrung der Konsensfähigkeit und des Koalitionsfriedens verkauft, braucht dieses Land nicht.

Netzpolitik ist orange – Ein transparenter Staat braucht Piraten

Letzte Woche Dienstag war ich in Mainz, beim „Netzpolitischen Abend mit den Grünen“ mit dem Titel „Demokratie braucht Transparenz“. Die Themen waren sehr offen gehalten und so wurde vieles angesprochen, aber weniges in der nötigen Tiefe behandelt.

Auf dem Podium saßen Daniel Köbler und Pia Schellhammer, die beide für die Grünen in Rheinland-Pfalz kandidieren, sowie der grüne Bundestagsabgeordnete Konstantin von Notz und der „freie Lobbyist für tolle Sachen“ Alex Boerger.

Nun braucht man von mir hier kaum zu erwarten, dass ich Lobeshymnen über die Grünen schreibe. Wäre ich davon überzeugt, dass die Grünen die Politik nachhaltig verändern könnten, insbesondere mehr Transparenz im Staat schaffen und die Bürgerrechte schützen könnten, dann wäre ich nicht bei den Piraten.

Aber der „netzpolitische Abend“ hat mich nochmals in der Überzeugung bestärkt, dass für moderne Netzpolitik, mehr Transparenz und Bürgerbeteiligung kein Weg an den Piraten vorbei führt. Ich möchte das anhand von 3 Thesen erläutern:

1) Den Grünen fehlt es an netzpolitischen Konzepten
2) Netzpolitik ist bei den Grünen unzureichend priorisiert
3) Die grüne Landesliste bietet keine kompetenten Netzpolitiker

Ja ich weiß, das klingt hart liebe Grüne. Ich freue mich schon darauf, wie ihr jede dieser Thesen nach der Wahl widerlegt 😉

Doch zunächst zur Begründung der Thesen:

1) Den Grünen fehlt es an netzpolitischen Konzepten

Begriffe wie „eParticipation“, „OpenGovernment“ und Co. scheinen den Grünen geläufig zu sein, doch von einer klaren netzpolitischen Strategie, merkte ich zumindest auf dieser Veranstaltung nichts. Pia Schellhammer sprach davon, dass sie die Tagesordnung des Landtags eine Woche früher veröffentlichen will. Das mag ein guter erster Schritt sein, doch es fiel kein Wort von offenen Daten und standardisierten, freien Formaten.

Vielleicht schaffen es die Grünen noch, das längst überfällige RSS-Feed der im Landtag behandelten Themen online zu stellen und vielleicht können sie sogar einen Stream der Plenarsitzung durchsetzen, der in anderen Ländern längst gang und gäbe ist. Für mich ist das alles aber noch keine Netzpolitik, sondern Selbstverständlichkeiten.

Ich vermisse deutliche Fürsprachen zur Veröffentlichung von staatlichen Datenbeständen in offenen und freien Formaten, zu einer klaren nachvollziehbaren Erarbeitung von Gesetzen und zur Veröffentlichung staatlicher Dokumente. Daniel Köbler meinte auf Nachfrage, dass es ja eine „geniale Idee“ sei, Gesetzesentwürfe in einem Wiki online zu stellen, über die er sich noch gar keine Gedanken gemacht habe. Der Wille scheint also durchaus da zu sein, doch die Kompetenz und Eigeninitiative zu fehlen. Dies führt uns unmittelbar zur zweiten These:

2) Netzpolitik ist bei den Grünen unzureichend priorisiert

Bei den Grünen ist mittlerweile angekommen, das Netzpolitik „irgendwie wichtig“ ist. Neben klaren Konzepten fehlen jedoch auch deutliche Schwerpunkte auf netzpolitischen Themen. Für mich als Pirat, hat Transparenz oberste Priorität. Sie ist die Grundvoraussetzung für echte Demokratie. Diese Grundeinstellung spiegelt sich eigentlich auch im Titel der grünen Veranstaltung wieder („Demokratie braucht Transparenz“). Trotzdem habe ich in meinen bisherigen Gesprächen mit grünen Politikern nicht den Eindruck gewinnen können, dass diese Einstellung auch gelebt wird. Es ist auch schwierig, für mehr Transparenz zu sorgen, ohne dafür klare Konzepte zu haben (siehe These 1). Vielmehr befürchte ich, dass netzpolitische Themen im Allgemeinen und Transparenz im Besonderen nach der Wahl zunächst hinten angestellt werden. Dies liegt auch daran, dass die Grünen nur mit wenigen Abgeordneten in den Landtag einziehen und sich davon kaum jemand mit Herzblut um die Netzpolitik kümmert, was uns direkt zu These 3 führt:

3) Die grüne Landesliste bietet keine kompetenten Netzpolitiker

In Rheinland-Pfalz kann man grob überschlagen, dass für jedes Prozent ein Abgeordneter ins Parlament einzieht. Rechne ich den Grünen gönnerhaft 10% zu, würden also die ersten 10 Kandidaten der Landesliste in den Landtag einziehen. Unter diesen Top-10 befindet sich gerade einmal ein Kandidat, der sich die Netzpolitik als Schwerpunktthema auf die Fahnen geschrieben hat: Pia Schellhammer.

Nun streite ich nicht ab, dass Pia das Thema Netzpolitik nicht am Herzen liegt, im Gegenteil. Nur glaube ich einfach nicht daran, dass sie diese Themen unter den Voraussetzungen der Thesen 1 & 2 durchsetzen kann.

Wir können uns nun hinsetzen und hoffen, dass ich Unrecht habe und die Grünen trotz allem die Politik revolutionieren. Hoffen heißt aber auch immer, sich nach etwas zu sehnen, auf das man keinen Einfluss hat. Wir haben aber Einfluss, wir brauchen nicht zu hoffen: Wir können Piraten wählen.

Der JMStV wurde gekippt! Nun droht der JMStV!

Ja gibt es denn noch Zeichen und Wunder? Wie gestern angekündigt wurde der neue JMStV heute im nordrhein-westfälischen Landtag tatsächlich gekippt! Späte Einsicht bei den etablierten Parteien? Wohl kaum. Vielmehr billiges politisches Geschacher.

Ich weiß nicht was die CDU da geritten hat, jedenfalls kündigten die schon vorgestern an, den JMStV abzulehnen. Dabei wurde er doch noch unter Rüttgers mit ausgearbeitet. Jedenfalls ist es der CDU damit gelungen, die SPD und die Grünen tierisch dumm dastehen zu lassen. Deren Minderheitsregierung reicht nämlich nicht aus, um den JMStV positiv abzustimmen.

Nun wäre es natürlich äußerst blamabel, wäre der JMStV entgegen der Für-Stimmen von SPD (selbsternannte Netzpartei) und Grünen (sind eigentlich gegen den JMStV) abgelehnt worden. Es wundert mich daher nicht, dass nun auch diese Parteien eingeknickt sind und der JMStV heute fraktionsübergreifend abgelehnt wurde.

Doch der Spaß geht jetzt erst richtig los: Der JMStV ist ja keine neue Erfindung – den gibt es bereits! Wir haben davon bisher lediglich kaum etwas mitbekommen, weil ein erhebliches Vollzugsdefizit zu verzeichnen ist. Die Regelungen des aktuellen JMStV sind so dermaßen weltfremd, dass bisher niemand ernsthaft auf die Idee kam, deren Umsetzung großflächig einzufordern. Lediglich in den Mediatheken von ARD und ZDF stößt man hin und wieder auf die lächerliche Sendezeitenregelung.

Ja, die gibt es bereits derzeit im JMStV und das wurde ja auch immer wieder als Argument der Befürworter eingebracht: „Sendezeiten gibts doch schon, warum beschwert ihr euch?“ Weil Sendezeiten Unfug sind – nach wie vor! Man hätte die Novellierung des JMStV z.B. nutzen können um diese Regelung raus zu werfen. Aber nein: es wurde weiterer Unfug hinzugefügt.

Unterdessen tobt es in der rheinland-pfälzischen Staatskanzlei: Kurt Beck ist außer sich und droht nun mit staatlicher Regulierung von oben. Er will offenbar die bisherigen Regelungen des JMStV mit aller Gewalt durchsetzen. Dazu zählen auch Sperrverfügungen! Sperrverfügungen? Ja, Sperrverfügungen! Die KJM kann nach § 20 Abs. 4 JMStV in Verbindung mit § 59 Abs. 2 bis 4 des Rundfunkstaatsvertrags gegenüber Inhalts- und Diensteanbietern „Angebote untersagen und deren Sperrung anordnen“.

Bisher wurde meines Wissens noch kein Gebrauch von dieser Regelung gemacht, um Webseiten zu sperren, prinzipiell ist es jedoch möglich. Und da König Kurt nun offen damit droht, sollten wir ihm diese Waffe schnellstens aus der Hand nehmen.

Gefahrenabwehr über alles!

Die größte Änderung am neuen Polizei- und Ordnungsbehördengesetz (POG) von Rheinland-Pfalz betrifft § 31. Dieser wird komplett durch die neuen §§ 31 bis 31 e ersetzt. Diese Paragrafen enthalten so ziemlich alles was Bürgerrechtler und Datenschützer hellhörig werden lässt:

  • Überwachung und Aufzeichnung von Telekommunikation
  • Identifizierung & Lokalisierung von Mobiltelefonen
  • Datenabfrage bei Providern
  • Online-Durchsuchungen
  • Unterbrechung und Verhinderung von Kommunikationsverbindungen
  • Funkzellenabfrage

Ich lehne nicht alle dieser Maßnahmen generell ab. Zum Beispiel halte ich es im Einzellfall für duchaus gerechtfertig die Telekommunikation eines Verdächtigen zu überwachen. Allerdings schlägt das POG deutlich in Richtung Präventivstaat aus und setzt den Fokus auf eine abstrakte Gefahrenabwehr. Die Maßnahmen richten sich dabei nicht nur gegen Verdächtige einer Straftat, sondern auch gegen „potentielle Gefährder“, Begleit- und Kontaktpersonen sowie „Nachrichtenmittler“.

Hier einige immer wiederkehrende Formulierungen aus der POG-Novelle, bei denen sich mir die Haare sträuben:

  • „Die Maßnahme darf auch durchgeführt werden, wenn Dritte unvermeidbar betroffen sind“
  • „Personen, bei denen bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass …“
  • „zur Abwehr einer dringenden Gefahr, oder zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten von erheblicher Bedeutung“

Es geht fast überhaupt nicht mehr um die Aufklärung von Straftaten und die Ermittlung von Tätern, sondern die Erkennung und Verhinderung von Straftaten im Vorfeld. Minority Report lässt grüßen. Eine wissenschaftlich fundierte Begründung für die Ausweitung der Befugnisse kann ich nicht finden, lediglich den immer wiederkehrenden Verweis auf die Notwendigkeit Gefahren abzuwehren. Und wir wissen ja schließlich alle, dass Gefahr und Terror allgegenwärtig sind…

Die Novelle in der aktuellen Form muss weg. Stattdessen müssen die bisher im POG definierten Polizeibefugnisse wissenschaftlich evaluiert werden. Nur Maßnahmen die sich als notwendig, zweckmäßig und verhältnismäßig herausgestellt haben, dürfen beibehalten werden. Neue Befugnisse sind nach den gleichen Maßstäben zu beurteilen.

POG schränkt Zeugnisverweigerungsrecht ein

Mittlerweile habe ich die Zeit gefunden mich ein wenig näher mit der Novelle des Polizei- und Ordnungsbehördengesetzes (POG) von Rheinland-Pfalz auseinanderzusetzen. Auch auf dem letzten Treffen des AK Vorrat Koblenz haben wir uns mit einigen kritischen Punkten befasst. Da es wohl etwas viel für einen einzigen Blogeintrag wird, werde ich hier nach und nach bedenkliche Stellen ansprechen und zur Diskussion stellen. Hier sind nochmal die Links zum Gesetzesentwurf inklusive Begründung und zum Diff.

Die Gesetzesnovelle ändert unter anderem den §9a „Befragung und Auskunftspflicht“. Dieser lautet derzeit wie folgt:

Unter den in den §§ 52 bis 55 der Strafprozessordnung genannten Voraussetzungen ist die betroffene Person zur Verweigerung der Auskunft berechtigt. Die betroffene Person ist über ihr Recht zur Verweigerung der Auskunft zu belehren.

Dieses Zeugnisverweigerungsrecht wird durch die Novelle deutlich eingeschränkt (Hervorhebung von mir):

Unter den in den §§ 52 bis 55 der Strafprozessordnung genannten Voraussetzungen ist die betroffene Person zur Verweigerung der Auskunft berechtigt. Dies gilt nicht, soweit die Auskunft zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben einer Person unerlässlich ist. Eine in § 53 Abs. 1 oder § 53 a Abs. 1 der Strafprozessordnung genannte Person ist auch in den Fällen des Satzes 2 zur Verweigerung der Auskunft berechtigt. Die betroffene Person ist über ihr Recht zur Verweigerung der Auskunft zu belehren. Auskünfte, die gemäß Satz 2 erlangt wurden, dürfen nur für den dort bezeichneten Zweck verwendet werden.

Das betrifft unter anderem die Verweigerung des Zeugnisses durch Verlobte, Ehegatten und Verwandte. Geistliche, Strafverteidiger, Abgeordnete und die anderen in §53 Abs. 1 genannten Berufsgruppen sowie deren Gehilfen (§ 53a Abs. 1) können weiterhin die Auskunft verweigern. Auch der Beschuldigte darf weiterhin die Aussage verweigern.

Völlig unklar bleibt, wann eine „Auskunft zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben einer Person unerlässlich ist“ und wer dies entscheidet. Zudem bedarf eine Einschränkung von Rechten immer einer fundierten Begründung. Neugierig warf ich also einen Blick in die Gesetzesbegründung, wo es flappsig heißt (Hervorhebungen von mir):

Das bisherige Recht zur Auskunftsverweigerung wird zu Zwecken der Gefahrenabwehr eingeschränkt. […] Der neu eingefügte Satz 2 schränkt das bestehende Recht zur Auskunftsverweigerung ein, sofern die geforderte Auskunft zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben einer Person unerlässlich ist. Eine Güterabwägung macht es in diesen Fällen erforderlich, dem Schutz hochrangiger Rechtsgüter im Interesse einer effektiven Gefahrenabwehr grundsätzlich Vorrang vor dem Interesse des Einzelnen auf Auskunftsverweigerung einzuräumen. Diese Einschränkung der Auskunftsverweigerungsrechte ist auch im Vergleich zum umfassenden Schutz nach der Strafprozessordnung gemäß den §§ 52 bis 55 StPO gerechtfertigt, da das Gefahrenabwehrrecht dazu dient, Gefahren abzuwehren. Damit soll der Eintritt des Schadens verhindert werden. […]

Darüber hinaus wird lediglich begründet, warum Geistliche, Abgeordnete etc. weiterhin geschützt werden, aber nicht warum dieser Schutz für andere eingeschränkt wird. Es wird einfach eine Notwendigkeit zur „Gefahrenabwehr“ postuliert und auch noch behauptet, dass diese Vorrang vor dem Recht auf Auskunftsverweigerung habe. Es werden wichtige rechtsstaatliche Standards ausgehebelt, ohne dass es auch nur ein fundiertes wissenschaftliches Argument für diese Einschränkung gibt.

Weiterhin bleibt unklar, was bei einer Verweigerung der Auskunft passiert. Folter? Beugehaft?

Da ich selbst kein Jurist bin, würde ich mich über die Einschätzung eines solchen sehr freuen! Als Bürgerrechtler und interessierter Bürger bin ich schockiert über diese aus meiner Sicht unbegründete Änderung am POG.

Ein paar Worte zur JMStV-Alibi-Anhörung

Es ist erstaunlich welch friedvoller Konsens erreicht werden kann, wenn man nur die richtigen Leute einlädt. Die Befürchtungen, dass aus der Sitzung des Ausschuss für Medien und Multimedia im rheinland-pfälzischen Landtag heute eine reine Alibi-Anhörung wird, haben sich bestätigt. Wer mir auf Twitter folgt hat davon einiges bereits mitbekommen, aber längst nicht alles. Ich weiß auch gar nicht so recht, wo ich anfangen soll, den vielen Blödsinn der da behauptet wurde zu entkräften. Wenn alles glatt gelaufen ist, wird aber in Kürze eine Aufzeichnung der Sitzung verfügbar sein 😉

Als einziger Kritiker des JMStV sprach der Internet-Provider und Webhoster 1&1, dessen Vertreter jedoch vorwiegend die Kritik aus Unternehmenssicht darlegte. Die Einschränkungen für die freie Meinungsäußerung und die Probleme für kleine Blogger und Forenbetreiber kamen nur halbherzig zur Sprache. Bei den Befürwortern war von abstrusabenteuerlicher Argumentation bis hin zu falschen Behauptungen so ziemlich alles dabei. Es wäre bestimmt belustigend das im Detail auseinander zu nehmen, ich weiß aber noch nicht ob die Mühe lohnt. Mal sehen, ein paar Sachen werde ich bestimmt noch in einem separaten Beitrag aufgreifen.

Bemerkenswert fand ich, dass die Kritik der Piratenpartei immerhin an einer Stelle aufgegriffen wurde. Allerdings stimmt die Aussage nicht, dass wir hauptsächlich bereits bestehende, im JMStV bereits verankerte Regelungen, angreifen. Die Sendezeitenregelung auf die dabei angespielt wurde, ist zwar bereits heute im JMStV aufgeführt, aber die Novellierung des Staatsvertrags wäre ein ideale Gelegenheit um diese weltfremde Bestimmung zu entfernen. Schließlich wurde die Novellierung auch aufgrund der im Gesetz vorgesehenen Evaluierung eingeleitet. Und ich kann mir nur schwer vorstellen, dass sich Sendezeiten in einem internationalen Netz in der Vergangenheit bewährt haben 😉

Auch auf die Forderung, dass Kritiker doch bitte Alternativen liefern sollen, möchte ich noch entgegnen: Alternativen wozu? Gemeint sind alternative technische Lösungen für den Jugendschutz im Netz (Es wurde immer wieder betont, dass Medienkompetenz eine andere Baustelle sei, die natürlich auch angegangen wird, aber eben nicht im JMStV). Es gibt aber überhaupt keine funktionierende Lösung für technischen Jugendschutz (der JMStV liefert keine!). Daher ist die Frage nach Alternativen unsinnig. Alternativen wozu?

Wir müssen uns die Frage stellen, ob technische Lösungen überhaupt sinnvoll und erwünscht sind. Diese Frage, wurde jedoch heute überhaupt nicht diskutiert.

Was ändert die POG-Novelle?

Ich bin immer noch nicht dazu gekommen, mich intensiv inhaltlich mit den Änderungen des Polizei- und Ordnungsbehördengesetzes (POG) außeinanderzusetzen. Und warum? Weil ich erstmal die Arbeit der Landesregierung übernehmen und in fitzeliger Kleinstarbeit selbst die durch die Gesetzesnovelle bewirkten Änderungen hervorheben musste, um überhaupt einen Überblick zu gewinnen.

Die Regierung – und da ist die Landesregierung Rheinland-Pfalz leider nicht allein – hält es offensichtlich nicht für nötig, die von ihr angestrebten Gesetzesänderungen transparent zu machen. Dabei sind die Unterschiede mit wenigen Mausklicks hervorgehoben, sofern man denn Zugriff auf die Orginaldokumente hat und nicht mit einem PDF der Form „In §3 Absatz 4 Satz 5 wird … durch …. ersetzt“ hantieren muss. Das ist nicht nur für den interessierten Bürger ärgerlich, sondern erschwert auch die Arbeit des Parlaments erheblich.

Ich hab mir beste Mühe gegeben ein übersichtliches Diff zu erstellen, um mir selbst und allen die inhaltlich am POG interessiert sind die Arbeit zu erleichtern. Eine 100%ige Gewähr, dass ich alles richtig gemacht habe, kann ich aber natürlich nicht geben. Wenn ihr Fehler findet sagt mir Bescheid.

Hier sind die Unterschiede als PDF. Außerdem sind hier die ursprüngliche Version sowie die geänderte Version als Textdateien. Die Dokumente sind auf die geänderten Passagen des POG beschränkt, d.h. alles was sich eh nicht geändert hat, hab ich rausgelassen.

Nun kann ich mich endlich dem Inhalt der Gesetzesnovelle widmen, hoffe aber, dass ich damit nicht allein bin, sondern sich viele Leute damit befassen und wir gemeinsam alle kritischen Stellen aufzeigen können. Pingt mich an, wenn ihr über die POG-Novelle bloggt, oder schreibt eure Anmerkungen in die Kommentare. Das Thema verdient unsere Aufmerksamkeit!

POG-Novelle verfügbar (mehr oder weniger)

Gleich nachdem der Ministerrat die Novelle des Polizei- und Ordnungsbehördengesetzes (POG) beschlossen hatte, habe ich mich beim Innenministerium nach dem aktuellen Gesetzesentwurf erkundigt, da dieser im Internet nicht auffindbar war. Bis heute blieb meine Mail und ein späteres Nachhaken völlig ohne Antwort!

Mein Vorstandskollege Ingo Höft wandte sich an das Bürgerbüro der Landesregierung und hatte damit deutlich mehr Erfolg, auch wenn der Weg etwas holprig war. Das Bürgerbüro verwies ihn auf den Landtag, und die Mitarbeiterin dort auf das Dokumentenverwaltungssystem „OPAL„. Dort müsse man nur die Drucksachennummer 15/4879 eingeben. Auch das Schlagwort „POG“ funktioniert, man braucht damit aber ein paar Klicks mehr. Eine offene Schnittstelle zum System gibt es nicht und Google kann die Dokumente auch nicht nach Schlagworten indizieren. Mit der Drucksachennummer findet aber auch Google das Dokument (und das Ergebnis 15/4879=0,00307440049).

Um euch den ganzen Quark zu ersparen hier der Link zum Dokument. Es lebe das WWW!

Die Mitarbeiter mit denen Ingo Kontakt hatte waren übrigens allesamt sehr freundlich und hilfsbereit, das soll an dieser Stelle auch mal erwähnt werden! Für das verkorkste System können die nix, vielmehr leiden sie mit darunter.

Jetzt bin ich aber leider noch nicht dazu gekommen, mich auch inhaltlich mit dem Gesetzesentwurf außereinander zu setzen. Die Art und Weise der Veröffentlichung macht dies auch nicht besonders einfach. Wie üblich gibt es nur das Änderungsgesetz (in Paragraph x, Absatz y, Satz z wird Wort 3 durch „foo“ ersetzt…), eine konsolidierte Fassung oder gar ein Diff fehlt. Alles muss man wieder selber machen… Wenn jemand Zeit und Muße hat, immer her damit 😉

SPD will Online-Durchsuchungen und Rasterfahndung in Rheinland-Pfalz

Die SPD in Rheinland-Pfalz, selbsternannte Netzpartei, richtet im Land weiter Schaden an. Während die Staatskanzlei beratungsresistent das Internet kaputt macht, wird gleichzeitig der Überwachungsstaat ausgebaut. Heute hat der Ministerrat die Novelle des Polizei- und Ordnungsbehördengesetzes beschlossen.

Netzpolitik.org hat das wesentliche bereits zusammengefasst:

Erlaubt werden sollen demnach heimliche Online-Durchsuchungen sowie die Überwachung von verschlüsselter Internet-Telefonie (Quellen-Telekommunikationsüberwachung). Beamte sollen zur Gefahrenabwehr außerdem Telefongespräche unterbrechen dürfen. Zur “Abwehr einer Gefahr für den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder Landes oder für Leib, Leben oder Freiheit einer Person” sollen weiterhin Rasterfahndungen zugelassen werden. Öffentlichkeitsfahndungen sollen auch bei Gefahr für Dritte möglich sein und nicht mehr nur bei Gefahr für Personen, nach denen selbst gefahndet wird. Die bisher im POG enthaltene Ermächtigung zum automatisierten KFZ-Kennzeichenabgleich wird aufgehoben.

Was eine „Online-Durchsuchung“ eigentlich genau sein soll und wie sie technisch durchgeführt werden soll, ist meines Wissens immer noch nicht definiert. Zu dem Thema empfehle ich das Buch von Burkhard Schröder. Interessant ist, dass der Kennzeichenabgleich aufgehoben werden soll. Eine Begründung dafür konnte ich nicht entdecken. Soll mir recht sein, auch wenn es in Anbetracht der anderen Maßnahmen nicht beruhigt.