„Wort halten, FDP“ – Telefonaktion gegen die Vorratsdatenspeicherung

Der AK Vorrat ruft zu einer Telefonaktion gegen die Neuauflage der Vorratsdatenspeicherung auf. Die Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) hat eine solche kürzlich in einem „Eckpunktepapier“ vorgeschlagen und sich damit von der bisherigen FDP-Linie, anlass- und verdachtslose Speicherung konsequent abzulehnen, verabschiedet.

Nun wundert ein Umkippen der FDP sicher niemanden mehr. Trotzdem dürfen wir es nicht tatenlos hinnehmen. Der AK Vorrat bittet daher darum, sich 5 Minuten Zeit zu nehmen und mindestens einen FDP-Bundestagsabgeordneten anzurufen:

Vor diesem Hintergrund sollen heute zahlreiche Telefonanrufe die FDP-Bundestagsabgeordneten an ihre Zusage erinnern, jede „anlassunabhängige Speicherung personenbezogener Daten auf Vorrat“ abzulehnen. Im AK Vorrat-Wiki gibt es dazu eine Liste der Telefonnummern der Abgeordeten der FDP-Fraktion und eine Handreichung für das Gespräch mit den Abgeordneten. Wenn nur 21 der 93 FDP-Abgeordneten überzeugt werden, Wort zu halten, ist jeder Kompromiss blockiert, weil laut Koalitionsvertrag „wechselnde Mehrheiten ausgeschlossen“ sind. Jeder kann an dieser Aktion teilnehmen und mithelfen!

Die Probleme, die eine anlass- und verdachtsunabhänige Vorratsspeicherung von IP-Adressen mit sich bringt, hat der AK Vorrat nochmal ausführlich in einem offenen Brief an die Justizministerin dargelegt.

Unbelehrbar – Unwählbar

Für mich sind die etablierten Parteien ja schon längst unwählbar. Aber es soll ja immer noch Leute geben, die sich an die Hoffnung klammern, zumindest bei den Grünen, der FDP, den Linken oder sogar der SPD noch etwas bewirken zu können.

Ich erwische mich immer wieder dabei, wie ich diese Leute vor mir selbst in Schutz nehme. „Deren Arbeit ist auch wichtig“, denk ich, „Sie ergänzen die Arbeit der Piratenpartei und die von Organisationen wie dem AK Vorrat, dem Foebud oder dem CCC, indem sie versuchen sinnvolle Netzpolitik in ihre Parteien einzubringen“.

Und ich kenne ja auch einige Leute aus diesen Parteien und ihren Jugendorganisationen. Da sind durchaus vernünftige Leute dabei. Nur: Das nützt am Ende alles nix. Es nützt alles nichts, wenn am Ende immer wieder die gleiche Scheiße dabei rauskommt.

Da ist eine ganze Partei gegen den JMStV, aber die Fraktion stimmt dafür. Auch die Linksfraktion in Berlin hat heute zugestimmt, obwohl sie eigentlich dagegen ist. Wie schizophren ist das? Dafür gibt es für mich keine Entschuldigung mehr.

Wann werden sich die Anhänger dieser Parteien ihrer Hilflosigkeit endlich bewusst? Ihr könnt soviel reden wie ihr wollt: Am Ende werden die Leute, auf die es ankommt stets gegen unsere Interessen handeln. Nicht weil sie es nicht besser wissen, sondern weil sie im eigenen Filz gefangen sind oder schlichtweg andere Interessen verfolgen.

Dieser Filz muss weg. Es muss richtig wehtun, damit sich was ändert. Und weh tut in der Politik nur der Verlust von Mitgliedern und Stimmen. Macht was draus.

POG schränkt Zeugnisverweigerungsrecht ein

Mittlerweile habe ich die Zeit gefunden mich ein wenig näher mit der Novelle des Polizei- und Ordnungsbehördengesetzes (POG) von Rheinland-Pfalz auseinanderzusetzen. Auch auf dem letzten Treffen des AK Vorrat Koblenz haben wir uns mit einigen kritischen Punkten befasst. Da es wohl etwas viel für einen einzigen Blogeintrag wird, werde ich hier nach und nach bedenkliche Stellen ansprechen und zur Diskussion stellen. Hier sind nochmal die Links zum Gesetzesentwurf inklusive Begründung und zum Diff.

Die Gesetzesnovelle ändert unter anderem den §9a „Befragung und Auskunftspflicht“. Dieser lautet derzeit wie folgt:

Unter den in den §§ 52 bis 55 der Strafprozessordnung genannten Voraussetzungen ist die betroffene Person zur Verweigerung der Auskunft berechtigt. Die betroffene Person ist über ihr Recht zur Verweigerung der Auskunft zu belehren.

Dieses Zeugnisverweigerungsrecht wird durch die Novelle deutlich eingeschränkt (Hervorhebung von mir):

Unter den in den §§ 52 bis 55 der Strafprozessordnung genannten Voraussetzungen ist die betroffene Person zur Verweigerung der Auskunft berechtigt. Dies gilt nicht, soweit die Auskunft zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben einer Person unerlässlich ist. Eine in § 53 Abs. 1 oder § 53 a Abs. 1 der Strafprozessordnung genannte Person ist auch in den Fällen des Satzes 2 zur Verweigerung der Auskunft berechtigt. Die betroffene Person ist über ihr Recht zur Verweigerung der Auskunft zu belehren. Auskünfte, die gemäß Satz 2 erlangt wurden, dürfen nur für den dort bezeichneten Zweck verwendet werden.

Das betrifft unter anderem die Verweigerung des Zeugnisses durch Verlobte, Ehegatten und Verwandte. Geistliche, Strafverteidiger, Abgeordnete und die anderen in §53 Abs. 1 genannten Berufsgruppen sowie deren Gehilfen (§ 53a Abs. 1) können weiterhin die Auskunft verweigern. Auch der Beschuldigte darf weiterhin die Aussage verweigern.

Völlig unklar bleibt, wann eine „Auskunft zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben einer Person unerlässlich ist“ und wer dies entscheidet. Zudem bedarf eine Einschränkung von Rechten immer einer fundierten Begründung. Neugierig warf ich also einen Blick in die Gesetzesbegründung, wo es flappsig heißt (Hervorhebungen von mir):

Das bisherige Recht zur Auskunftsverweigerung wird zu Zwecken der Gefahrenabwehr eingeschränkt. […] Der neu eingefügte Satz 2 schränkt das bestehende Recht zur Auskunftsverweigerung ein, sofern die geforderte Auskunft zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben einer Person unerlässlich ist. Eine Güterabwägung macht es in diesen Fällen erforderlich, dem Schutz hochrangiger Rechtsgüter im Interesse einer effektiven Gefahrenabwehr grundsätzlich Vorrang vor dem Interesse des Einzelnen auf Auskunftsverweigerung einzuräumen. Diese Einschränkung der Auskunftsverweigerungsrechte ist auch im Vergleich zum umfassenden Schutz nach der Strafprozessordnung gemäß den §§ 52 bis 55 StPO gerechtfertigt, da das Gefahrenabwehrrecht dazu dient, Gefahren abzuwehren. Damit soll der Eintritt des Schadens verhindert werden. […]

Darüber hinaus wird lediglich begründet, warum Geistliche, Abgeordnete etc. weiterhin geschützt werden, aber nicht warum dieser Schutz für andere eingeschränkt wird. Es wird einfach eine Notwendigkeit zur „Gefahrenabwehr“ postuliert und auch noch behauptet, dass diese Vorrang vor dem Recht auf Auskunftsverweigerung habe. Es werden wichtige rechtsstaatliche Standards ausgehebelt, ohne dass es auch nur ein fundiertes wissenschaftliches Argument für diese Einschränkung gibt.

Weiterhin bleibt unklar, was bei einer Verweigerung der Auskunft passiert. Folter? Beugehaft?

Da ich selbst kein Jurist bin, würde ich mich über die Einschätzung eines solchen sehr freuen! Als Bürgerrechtler und interessierter Bürger bin ich schockiert über diese aus meiner Sicht unbegründete Änderung am POG.

Auf ein Neues: Großdemo gegen Überwachung in Berlin!

Die weder geplante noch angekündigte Sommerpause dieses Blogs ist nun vorüber. Zwischenzeitlich habe ich die neueste WordPress Version installiert und dem Blog ein neues Design verpasst.

Zum Warmwerden eine schnelle Info zur nächsten großen Demo (über die ihr aber hoffentlich schon längst informiert seid): Es ist wieder soweit, auch dieses Jahr wird es eine Großdemo gegen den Überwachungswahn geben.

Die wichtigsten Daten in Kürze:

11.09.2010, 13 Uhr
Potsdamer Platz, Berlin
http://FreiheitStattAngst.de

Ja, die Vorratsdatenspeicherung wurde in Deutschland abgeschafft, aber es geht um weit mehr. Es geht um den sich nach wie vor ausbreitenden Wahn einiger Personen, unsere über Jahrhunderte unter Einsatz zahlreicher Menschenleben erkämpften demokratischen Rechte für ein vermeintliches Gefühl der Sicherheit opfern zu können, ja sogar zu müssen. Das muss stoppen! Jetzt! Sofort!

Der Druck der Zivilbevölkerung muss weiter anhalten – nein, er muss noch verstärkt werden. Die Regierungsbeteiligung der FDP macht es nicht besser. Diese Partei koaliert tatsächlich mit einem der größten Feinde der Freiheit und nennt diese Haltung liberal. Sie lässt zu, dass persönlichste Daten europäischer Bürger in die USA wandern und bezeichnet dies als einen Zugewinn an Datenschutz. Die FDP darf sich gerne zu der anderen Verräterpartei gesellen – wie hieß die nochmal? – SPD.

Zurück zum Thema: Am 11. September gehen wir auf die Straße. Du, ich und viele viele andere. Den Wahnsinn der Überwachungsfanatiker wird das nicht umkehren. Aber es wird weitere Bürger aufrütteln, es wird die Bewegung zusammenschweißen und gemeinsam werden wir die feuchten Überwachungsfantasien und die, die sie träumen, dahin zurückdrängen wo sie hingehören: Ins politische Abseits, wo sie keinen Schaden anrichten, sondern bestenfalls als Parolen einiger Spinner verhallen.

„Diffus bedrohliches Gefühl des Beobachtetseins“

Die Vorratsdatenspeicherung war Ende 2007 der Anlass für mich, erstmals auf die Straße zu gehen. Durch sie kam ich mit Aktivisten des AK Vorrat und der Piratenpartei in Kontakt. Die Vorratsdatenspeicherung hat eine große Bürgerrechtsbewegung hervorgebracht und die größte Verfassungsbeschwerde aller Zeiten provoziert.

Gestern wurde die Vorratsdatenspeicherung vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig und nichtig erklärt. Alle Daten, die noch nicht an Ermittlungsbehörden weitergegeben wurden, müssen umgehend gelöscht werden. Der Provider 1&1 hat nach eigenen Angaben schon damit angefangen.

Eine Speicherung von Telekommunikationsverbindungsdaten auf Vorrat gibt es damit in Deutschland nicht mehr. Viele Jahre haben wir dafür gekämpft. Dass das Gesetz komplett gekippt wird, habe ich zwar für möglich, aber nicht für sehr wahrscheinlich gehalten.

Die Vorratsdatenspeicherung ist ein schwerwiegender Eingriff in die Grundrechte, da sie geeignet ist „ein diffus bedrohliches Gefühl des Beobachtetseins hervorzurufen, das eine unbefangene Wahrnehmung der Grundrechte in vielen Bereichen beeinträchtigen kann“, begründet das Verfassungsgericht. Die Umstände der Kommunikation seien ebenso schutzbedürftig wie deren Inhalt. Allerdings sei eine anlasslose Speicherung „nicht schlechthin“ mit dem Grundgesetz unvereinbar. Daher greifen die Richter die zugrunde liegende EU-Richtlinie nicht an und verweisen auch nicht an den europäischen Gerichtshof. Laut den Verfassungsrichtern sei eine verfassungskonforme Umsetzung der EU-Richtlinie möglich.

Hohe Anforderungen

An die Ausgestaltung dieser Umsetzung stellen die Richter jedoch sehr hohe Anforderungen: Um die Verhältnismäßigkeit zu wahren muss die Normenklarheit in Bezug auf Datensicherheit, Datenverwendung, Transparenz und Rechtsschutz gegeben sein. Datensicherheit betrifft dabei sowohl die Aufbewahrung als auch die Übermittlung und Löschung der Daten. Sicherheitsstandards müssen sich am aktuellen Stand der Technik orientieren, die Daten müssen asymmetrisch verschlüsselt werden, die Rechner vom Internet getrennt sein und ein 4-Augen-Prinzip sichergestellt werden. Der Zugriff auf und die Löschung der Daten müssen revisionssicher Protokolliert werden. Um die Transparenz zu wahren muss es zudem Informationspflichten bei Datenschutzverletzungen geben. Der Betroffene muss beim Abruf der Daten informiert werden, falls kein anders lautender richterlicher Beschluss vorliegt. Um einen sicheren Rechtsschutz zu gewährleisten hat der Zugriff zudem unter einem Richtervorbehalt zu stehen und den Betroffenen muss ein Rechtsschutzverfahren möglich sein. Verletzungen des Datenschutzes und der Datensicherheit müssen wirksam sanktioniert werden.

Eine neue Vorratsdatenspeicherung?

Da das derzeitige Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung komplett für nichtig erklärt wurde, geht der Gesetzgebungsprozess nun komplett von neuem los, wenn die Regierung denn überhaupt noch eine Umsetzung wünscht. Die selbsternannte Bürgerrechtspartei FDP hätte nun Gelegenheit sich als solche zu beweisen und sich dafür einzusetzen, dass die EU-Richtlinie komplett zurück genommen wird. Wir sind in Europa nicht allein: Schweden weigert sich die Vorratsdatenspeicherung umzusetzen, Österreich befindet sich immer noch im Gesetzgebungsprozess und hat sich deshalb schon ein Vertragsverletzungsverfahren eingehandelt, Rumänien hatte die Vorratsdatenspeicherung bereits letztes Jahr für verfassungswidrig erklärt.

Es ist jetzt an der Zeit, die Vorratsdatenspeicherung auf europäischer Ebene zu Fall zu bringen! Leider hat es die CDU immer noch nicht verstanden und behauptet dreist, die Speicherung sei nötig „um die Bürgerinnen und Bürger wirksam vor schweren und schwersten Straftaten schützen zu können“. Ich bin es langsam leid auf solche unsinnigen Behauptungen einzugehen… Muss ich auch nicht, steht ja alles hier.

Ich hoffe doch sehr, dass die CDU mit ihren Bestrebungen die Vorratsdatenspeicherung neu aufzusetzen alleine dasteht. Nicht alles was verfassungsrechtlich machbar ist muss auch umgesetzt werden. Zudem halte ich es für enorm schwierig die umfangreichen Rahmenbedingungen des Bundesverfassungsgerichts wirksam einzuhalten. Allein die Formulierung eines entsprechenden Gesetzes dürfte eine große Hürde darstellen. Die effektive Umsetzung der Datensicherheits- und Transparenzanforderungen in der Praxis halte ich für Utopie.

Die FDP und die Lobbyisten

Es bleibt zu hoffen, dass die FDP dem Druck der CDU standhält. Mehr Sorgen als der Einfluss der CDU, macht mir jedoch die Musikindustrie, die sich über eine Hintertür des Urteils gerade besonders freut: Für die Identifkation von Nutzern hinter einer IP-Adresse hat das Gericht nämlich deutlich geringere Hürden gesetzt. Begründet wird dies damit, dass bei einer Identifikation ja keine Vorratsdaten herausgegeben würden. Der Anbieter ermittle mittels der Vorratsdaten lediglich intern die zugehörigen Bestandsdaten. Herausgegeben würden nur Bestandsdaten, d.h. Name und Adresse des Kunden. Zudem sei für diese Anfragen weder ein Richterbeschluss nötig, noch beschränke sich der Zugriff auf schwere Straftaten. Die Abfrage von Bestandsdaten zu einer IP-Adresse sei auch bei gewichtigen Ordnungswidrigkeiten erlaubt. In der Urteilsbegründung wird sogar ausdrücklich die Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen genannt.

Die FDP ist nicht gerade für eine liberale Urheberrechtspolitik bekannt. Ich bin gespannt ob sie der Verlockung widersteht eine Vorratsdatenspeicherung zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen einzuführen. Ich fürchte spätestens bei diesem Stichwort wird die Partei einknicken. Vielleicht wird Frau Leutheusser-Schnarrenberger dann abermals so stark sein, von ihrem Amt zurückzutreten – nützen wird uns dies jedoch wenig.

Durchatmen und weiterkämpfen

Zunächst einmal haben wir uns jedoch Luft geschaffen. Die Vorratsdatenspeicherung ist vom Tisch und diejenigen sind im Zugzwang, die sie wieder einführen möchten. Ich habe es gestern genossen erstmals wieder vorratsdatenfrei zu kommunizieren (auch wenn das vermutlich ein Trugschluss war, da es sicher noch ein paar Tage dauern wird, bis alles abgeschaltet und gelöscht ist). Das Gesetz ist in Deutschland erstmal vom Tisch. Der AK Vorrat kündigt bereits an, nun auf europäischer Ebene weiter vorzugehen. Wir haben einen wichtigen Etappensieg errungen, den wir weiter ausbauen können. Zudem gibt es noch weitere wichtige Baustellen denen wir uns widmen müssen: Spontan fallen mir ELENA, JMStV und ACTA ein. Auch das Zugangserschwerungsgesetz ist nach der Unterschrift Köhlers wieder auf der politischen Tagesordnung. Es gibt also viel zu tun. Packen wirs an!

Weiterführende Links

Nachbetrachtung der Demo am 06. Juni in Mainz

"Freiheit statt Angst" Mainz 06. Juni 2009Kurze Zusammenfassung für Eilige: Die Demo ist trotz des Regenwetters toll gelaufen. Rund 200 Menschen haben gemeinsam gegen den staatlichen Überwachungswahn, den Datenmissbrauch durch Unternehmen und die Zensurbestrebungen der Regierung demonstriert. Die Zusammenarbeit mit der Polizei lief von Anfang an hervorragend. Ein paar Probleme gabs mit der Tonanlage und dem LKW. Der Demonstrationszug konnte viele Passanten auf sich aufmerksam machen und ging auch an Infoständen der FDP, CDU und SPD vorbei. Insgesamt hätten die Demonstranten aber auch etwas lauter sein dürfen. Zeitlich hat die Koordination mit der Demo in Ingelheim gut funktioniert.

Zusammenarbeit mit der Polizei

Als Versammlungsleiter war ich für die Kommunikation mit der Polizei verantwortlich. Nach allem was ich bisher von Demos in anderen Städten gehört habe, war ich positiv überrascht. Am Morgen wurde ich von der Polizei angerufen und wir vereinbarten ein kurzes Treffen am Versammlungsort. Dort besprach ich bei einem Kaffee den Ablauf der Demonstration mit dem zuständigen Polizisten. Er brachte mir sogar noch eine Kopie der Anmeldebestätigung mit, die ich hinter die Windschutzscheibe legen konnte, um mit meinem Auto auf dem Bahnhofsplatz stehen bleiben zu können.

Während der Demonstration waren kaum Polizisten im Einsatz. Außer dem Wagen der voraus fuhr, bemerkte ich kaum etwas. Wir konnten die Demoroute wie geplant ablaufen, es gab keinerlei Probleme. Im Gegenteil, die Polizei war uns regelrecht wohlgesonnen und schien fast Mitleid mit uns zu haben, aufgrund des schlechten Wetters. Auch beim Schätzen der Teilnehmerzahl gab es keine Meinungsverschiedenheiten, von beiden Seiten wurden 200 Teilnehmer als realistisch betrachtet.

Versammlungsbeginn, Reden & Technik, Ausstattung vor Ort

Wir bauten zwei Infostände auf dem Bahnhofsplatz auf, einen vom AK Vorrat und einen von der Piratenpartei. Die anderen Unterstützerorganisationen hatten leider keinen. Der LKW mit der Tonanlage und weiterem Material kam etwas zu spät, aber wir lagen weiterhin gut im Zeitplan. Leider gab der auf den letzten Metern den Geist auf, sodass wir ihn an die richtige Position schieben mussten und wir ihn auch nicht während des Demo-Zuges nutzen konnten.

Die Anlage war nur bedingt brauchbar. Sie hatte zwischendurch immer wieder Aussetzer. Zeitweise mussten die Redner mit dem Megafon sprechen, welches aber ziemlich leistungsstark war. Ich hatte leider kaum Gelegenheit mir die Reden anzuhören, da ich ständig irgendwo verlangt wurde und mir sind auch leider keine Aufzeichnungen bekannt. Meine Rede gibt es als PDF.

Demonstrationszug & Aufmerksamkeit vor Ort

"Freiheit statt Angst" Mainz 06. Juni 2009Mit Pfeifen, Fahnen und Transparenten ausgestattet, setzte sich der Demonstrationszug pünktlich in Bewegung. Es mangelte aber offenbar an Flyern, zumindest habe ich kaum jemanden verteilen sehen. Zudem war die Demo mal wieder zu leise. Das ist ein bekannten Phänomen bei Anti-Überwachungsdemos. Ich will ja jetzt keine Vorurteile anheizen, aber vielleicht liegt das auch daran, das unverhältnismäßig viele Nerds der Bewegung angehören 😉 Allerdings habe ich auch unerwartet viele neue Gesichter gesehen. Wahrscheinlich war es für viele auch einfach nur ihre allererste Demo und es fehlt noch an Erfahrung und Mut den Mund auf zu machen. Traut euch Leute! Das nächste mal will ich mehr hören. So eine Pfeife ist auch ganz leicht zu bedienen, das reicht ja für den Anfang 😉

Immerhin waren zwei oder drei erfahrene Leute mit Megafon in der Menge und heizten die Stimmung an. Dann dauerte es nicht lange und die Menge stimmte mit ein in Sprüche wie „SPD und CDU, lasst das Grundgesetz in Ruh!“, „Nur die Diktatur braucht Zensur!“ oder das altbekannte und beliebte „Freiheit statt Angst!“.

Einige Male wurden wir dann richtig laut, insbesondere wenn viele Passanten da waren. Die wurden zusätzlich per Megafon aufgeklärt, warum wir demonstrieren und einige schlossen sich uns sogar spontan an. Besonders cool war, dass wir an Infoständen der CDU, SPD und FDP vorbeikamen. Die guckten teilweise sehr dumm aus der Wäsche. Immerhin die FDP hatte von uns eine Einladung bekommen die Demo zu unterstützen. Offenbar meinen sie es aber doch nicht so ernst mit ihrer Bürgerrechtspolitik. Man will es sich ja auch schließlich nicht mit der CDU verscherzen…

Etwas blöd war meiner Meinung nach, dass sich der Demonstrationszug so schnell fortbewegte. Idealerweise sollte so eine Demo möglichst langsam voran schreiten um viel Aufmerksamkeit zu erhalten. War aber andererseits auch verständlich bei dem Wetter. Zwar hatte der Regen zwischendurch immer wieder ausgesetzt und wir hatten noch halbwegs Glück gehabt, trotzdem waren die meisten aber sicher froh, als wir wieder am Bahnhof ankamen. Ich habe den Zug zwischendurch immer wieder ausgebremst und so kamen wir zeitlich fast perfekt im Plan wieder am Ausgangspunkt an.

Versammlungsende

Abschließend gab es sechs weitere Reden, danach spielten wir etwas Musik und ließen die Demo langsam ausklingen. Die Polizei verabschiedete sich schon vorher, nachdem wir die Teilnehmerzahl kommuniziert hatten. Wir bauten dann so langsam die Infostände ab und einige von uns fuhren weiter nach Ingelheim zur Demo gegen den Abschiebeknast.

Öffentlichkeitsarbeit & Nachwirkungen der Demo

Im Vorfeld haben wir leider kaum Werbung für die Demo gemacht. Die Planung verlief extrem kurzfristig und viel Arbeit bleib an einigen wenigen Personen hängen. Dadurch haben wir auch die Flyer viel zu spät in Druck gegeben und erst wenige Tage vorher verteilt. Trotzdem haben wir ein bisschen mediale Aufmerksamkeit erreichen können. Die Rhein-Zeitung führte ein Interview mit Florian Altherr, Sprecher der Ortsgruppe Mainz des AK Vorrat, welches auch in der gedruckte Ausgabe erschien. Die Deutsche Welle war mit einem Kamerateam vor Ort und interviewte Alvar Freude. Den daraus resultierenden Beitrag habe ich hier schon gebloggt.

Es ist auf jeden Fall super, das trotz der geringen Öffentlichkeitsarbeit und des verdammt schlechten Wetters so viele Menschen mit uns demonstriert haben. Das ist eine gute Basis um in den nächsten Jahren weitere, größere Demos gegen den Überwachungs- und Kontrollwahn in Rheinland-Pfalz durchzuführen. Ich bin sicher, dass wir beim nächsten Mal weit über 1.000 Leute mobilisieren können – bessere Vorbereitung und gutes Wetter vorausgesetzt. Der Anfang ist gemacht – weitere Taten werden folgen. Macht euch auf was gefasst, liebe Internetausdrucker!

Aufruf zur Demo „Freiheit statt Angst“ am 6. Juni in Mainz

Die Ortsgruppe Mainz des Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung (AK Vorrat) ruft zusammen mit der Meta-Ortsgruppe Rhein-Main zur Demonstration gegen Überwachung und Totalprotokollierung am 6. Juni in Mainz auf:

Der Überwachungswahn greift um sich. Staat und Unternehmen registrieren, überwachen und kontrollieren uns immer vollständiger. Egal, was wir tun, mit wem wir sprechen oder telefonieren, wohin wir uns bewegen oder fahren, mit wem wir befreundet sind, wofür wir uns interessieren, in welchen Gruppen wir engagiert sind – der „große Bruder“ Staat und die „kleinen Brüder und Schwestern“ aus der Wirtschaft wissen es immer genauer.

Massenüberwachung gefährdet die Arbeit und das Engagement von Organisationen der Zivilgesellschaft. Menschen, die sich ständig beobachtet und überwacht fühlen, können sich nicht unbefangen und mutig für ihre Rechte und eine gerechte Gesellschaft einsetzen. Massenüberwachung untergräbt damit die Basis einer demokratischen und integrativen Gesellschaft.

Überwachung, Misstrauen und Angst verändern unsere Gesellschaft schrittweise in eine Gesellschaft unkritischer Verbraucher, die „nichts zu verbergen haben“ und dem Staat gegenüber – zur vermeintlichen Gewährleistung totaler Sicherheit – ihre Freiheitsrechte aufgeben.

Eine solche Gesellschaft wollen wir nicht!

Um gegen Sicherheitswahn und die ausufernde Überwachung zu protestieren, fordern wir auf, am 6. Juni in Mainz auf die Straße zu gehen. Wir wollen im Superwahljahr 2009 zeigen, dass wir eine Politik der Angst, der Kontrolle und Überwachung nicht tolerieren – nicht von dieser und nicht von der nächsten Regierung, nicht in der EU, nicht im Bundestag und auch nicht auf kommunaler Ebene! Wir rufen alle Menschen aus Mainz, Rheinland-Pfalz, dem Rhein-Main-Gebiet und überall anders dazu auf, sich unserem friedlichen Protest anzuschließen.

Der vollständige Aufruf und eine Liste der Forderungen finden sich unter http://mainz.freiheitstattangst.de.

Es werden weiterhin Unterstützer gesucht: Vereine, Parteien und alle Organisationen oder Privatpersonen, die die Demo unterstützen möchten, wenden sich bitte an demo-mainz(at)vorratsdatenspeicherung.de.

Das nächste Demo-Bündnistreffen findet am Sonntag, 17.5. um 18 Uhr im DGB-Haus in Mainz statt (Kaiserstraße 26, Hintereingang benutzen).

Genauer Zeitpunkt und die Route der Demo werden in Kürze unter http://mainz.freiheitstattangst.de bekannt gegeben. Ich werde auch hier im Blog noch mal darauf hinweisen.

Freiheit statt Angst! Demonstration in Mainz.

Einladung zum Bündnistreffen am Sonntag 03.05.

Der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung organisiert gerade eine große Demonstration in Mainz. Am 06. Juni wollen wir für Freiheit und Bürgerrechte auf die Straße gehen.

Die Demonstration richtet sich unter anderem gegen die Totalprotokollierung von Telefon-, Handy- und Internet-Verbindungen durch die Vorratsdatenspeicherung und zahlreiche andere unverhältnismäßige Überwachungsgesetze und die Datenmissbräuche durch Staat und Wirtschaft. Wir fordern einen stärkeren Datenschutz und den Erhalt der Privatsphäre, Meinungs- und Pressefreiheit – online wie offline.

Am Sonntag, 03.05.2009 um 18:00 Uhr findet im DGB-Haus in Mainz das erste Bündnistreffen statt. Alle Organisationen, Parteien und Privatpersonen die die Demo unterstützen möchten sind herzlich eingeladen. Die Demo ist bereits angemeldet, wir wollen nun ein breites Demo-Bündnis formieren und am Sonntag gemeinsam den genauen Demo-Aufruf festlegen und die Details planen.

Bei Interesse bitte einfach eine kurze Mail an
demo-mainz(at)vorratsdatenspeicherung.de
schreiben.

Großer Andrang bei der Schäuble Rede in Karlsruhe

Freiheit stirbt mit SicherheitIch war heute bei der Rede des Bundesinnenministers zum Thema „Verfassungsanspruch und Wirklichkeit“ direkt vor Ort. Als ich ankam stand vor dem Audimax schon eine riesige Menge Personen und auch einige Polizisten. Der AK Vorrat hatte in etwas Entfernung einen Infostand aufgebaut und regen Kontakt zu den Besuchern.

Die Bürgerrechtler mussten aber scheinbar nicht viel Überzeugungsarbeit leisten, denn die meisten Ankömmlinge waren wohl tatsächlich Schäuble-Kritiker. Dieser Eindruck verfestigte sich bei mir immer weiter.Andrang vor dem Audimax anlässlich der Schäuble-Rede Vor dem Eingang wurden auch einige Schilder hochgehalten, wie „Freiheit stirbt mit Sicherheit“. Lautstarke proteste gab es aber nicht – die meisten mit denen ich in Kontakt kam waren dort, um sich „den Schäuble“ mal live anzuhören und bei Gelegenheit kritische Fragen zu stellen. Ich kannte seine Rhetorik aber schon von Schwabenheim und ahnte, dass das nicht so leicht werden würde.

Stau an der Tür des Audimax anlässlich der Schäuble-RedeZunächst stand die interessierte Menge aber noch vor ganz anderen Problemen: Drinnen wurde es immer voller und an den Türen staute sich es, bis es plötzlich in autoritärem Ton hieß: „Alle von der Tür weg, 3 Meter Abstand“. Eine Erklärung für diese Forderung abzugeben, hielt das Sicherheitspersonal leider nicht für nötig, aber es war ja klar, dass dann die Türen zu gingen. Zunächst beschwichtigte man uns, dass man noch nicht genau wisse, ob überhaupt noch Platz sei. Kurz darauf hieß es, wir könnten nach Hause gehen, es komme keiner mehr rein. Die Polizei bat dann per Megafon, den Platz zu räumen.

Ich kam trotzdem noch rein – nunja – die Nebeneingänge ließen sich zwar nicht von außen öffnen, aber durch diese verließen immer wieder Menschen das Gebäude. An einem dieser Eingänge wurde man nicht wieder von einem Sicherheitsmenschen hinausgebeten. Vermutlich wollte man einfach die Sicherheit an den anderen Türen maximieren. Dafür habe ich natürlich volles Verständnis.

Drinnen wurde es aber auch nicht leichter: Die Damen an der Garderobe nahmen weder Gepäck noch Kleidung an. Alles rappelvoll. Nun wurde mir auch klar, wieso so viele Leute wieder aus dem Gebäude raus sind. Etliche andere haben ihr Gepäck einfach unter die Treppe oder an die Wand gestellt und warteten nun vor der Treppe auf ihren „Passierschein“. Denn auch dort hieß es erstmal wieder „Stopp, alles voll“. Ich musste aber nicht lange warten, dann wurde doch noch ein Pulk hinauf gelassen und ich konnte gerade noch so einen Stehplatz ergattern.

So, und damit ihr auch was davon habt, berichte ich natürlich auch noch von der Rede. Aber nicht mehr heute. Ich beeile mich aber, denn irgendwann werde ich meine eigenen Notizen nicht mehr entziffern können. 😉

Hilf mit das BKA-Gesetz zu kippen

Es sieht so aus, als müsste ich meine Einschätzung schon korrigieren und das BKA-Gesetz wird nicht vom Bundesverfassungsgericht gekippt. Derzeit bahnt sich an, dass es bereits im Bundesrat scheitert. Alle Bundesländer in denen die Linke, die Grünen oder die FDP mit in der Regierung sitzt haben werden sich enthalten, da die Koalitionen keinen gemeinsamen Nenner finden. Damit entsteht eine hauchdünne Mehrheit von 35 zu 34 Stimmen für das BKA-Gesetz. Mittlerweile hat sich aber auch die SPD in Sachsen und Schleswig-Holstein, die in diesen Ländern in einer großen Koalition mit der CDU regiert, aber ebenfalls quer gestellt. Das wäre ein schneller Tod für Schäubles Lieblingskind. Auf die dünne Mehrheit sollten wir uns aber nicht verlassen. Mit ein bisschen Lobbyarbeit lässt sich die SPD vielleicht auch in anderen Ländern überzeugen. Insbesondere Rheinland-Pfalz, wo die SPD alleine regiert, zählt zu den noch unentschlossenen Ländern. Der SPD-Fraktionschef Rheinland-Pfalz hat sich bereits kritisch gegenüber der Online-Durchsuchung geäußert. Jetzt gilt es die Regierung zu überzeugen im Bundesrat gegen das Gesetz zu stimmen, oder sich wenigstens zu enthalten (was de-facto das gleiche ist). Im Wiki des AK-Vorrat werden Anschreiben vorbereitet die du verwenden kannst um die Mitglieder der Landesregierungen anzuschreiben. Noch mehr kann ein persönlicher Anruf bewirken. Dabei gilt wie immer: Freundlich bleiben und sachlich argumentieren.

Update: Das ging ja schneller als ich dachte. Tagesschau.de berichtet:

Nach Sachsen und Schleswig-Holstein regt sich jetzt in Sachsen-Anhalt, Rheinland-Pfalz und Berlin Widerstand.

Schäuble ist richtig motzig:

Wenn die Länder das BKA-Gesetz jetzt verhindern, dann bleiben sie eben für die Abwehr der Gefahren aus dem internationalen Terrorismus verantwortlich.

Noch trotziger, beinahe kindisch, reagierte aber Hans-Peter Uhl:

Die Bundes-SPD hat sich nichts zuschulden kommen lassen. Unsere Gesprächspartner waren ja nicht irgendwelche Wichtigtuer aus Sachsen, sondern Profis.

Das „Best of“ seiner Aussagen zum Thema gibts bei netzpolitik.org