Die Zentralisierung unserer Kommunikation

Ich besitze unter anderem E-Mail-Adressen bei Web.de und bei meinem Internet-Provider und habe zudem noch einen eigenen Mail-Server laufen. Sicherlich geht es vielen von euch ähnlich. Laut Wikipedia wird E-Mail “ – noch vor dem Word Wide Web – als wichtigster und meistgenutzter Dienst des Internets angesehen“. E-Mail hat eine großartige Eigenschaft: Es ist egal bei welchem Anbieter ich bin und es ist auch egal welchen Anbieter der Empfänger meiner Mail nutzt. Egal ob großer Internet-Provider oder eigener Server: eine Kommunikation über E-Mail kann unabhängig davon stattfinden.

Welch eine Sensation, wird der ein oder andere sicher nun mit ironischem Unterton bemerken, während ich die scheinbar selbstverständlichen Vorzüge eines der ältesten Dienste des Internets anpreise.

Ich wünschte die Vorzüge währen so selbstverständlich, wie sie uns auf den ersten Blick erscheinen.

Während ich diese Zeilen schreibe, blinkt mein Instant-Messenger auf. Ein Freund von mir hat mich kontaktiert. Ich nutze Pidgin, da dieser Client mehrere IM-Dienste unter einem Dach vereint. Ich kann damit sowohl ICQ, MSN, Yahoo, Jabber und einiges mehr nutzen. Als die ersten sogenannten Multi-Protokoll-Clients auf den Markt kamen, wurde dies als Sensation gefeiert: „Wow, endlich kann ich mit allen meinen Freunden chatten, egal bei welchem Anbieter sie sind!“. An dieser Stelle wäre eine ironische Anmerkung dann tatsächlich angebracht, denn eine Sensation ist das nicht. Bestenfalls ein verkrüppelter Workarround für den Protokollsalat beim Instant-Messaging. Denn einen Account bei jedem einzelnen Anbieter benötige ich dazu weiterhin, eine Kommunikation zwischen meinem ICQ-Account und dem Yahoo-Account eines Bekannten bleibt weiterhin unmöglich.

Ich habe das Glück, das viele meiner Bekannten sehr netzaffin sind und Jabber nutzen. Auch der besagte Freund kontaktiert mich per Jabber. Seine Jabber-ID ist beim CCC gehostet, ich nutze meine Web.de-Adresse als Jabber-ID (Ja das geht!). Bei Jabber ist es wie bei E-Mail völlig egal, welchen Anbieter ich nutze, oder ob ich einen eigenen Jabber-Server betreibe. Ich kann mit allen anderen Jabber-Nutzern kommunizieren.

Trotzdem hat sich Jabber noch nicht durchgesetzt. Was bei E-Mail niemand akzeptieren würde, ist beim Instant-Messaging gang und gäbe. Man stelle sich vor, ich könnte mit meiner Web.de E-Mail-Addresse nur Web.de-Nutzer erreichen! Bei ICQ und Co. ist genau das traurige Realtiät!

„Aber wer nutzt denn schon ICQ?“, höre ich meine netzaffinen Bekannten geringschätzig schwadronieren. Dabei sind sie (und ich) anderswo keinen deut besser. Ich sage nur Facebook und Twitter.

Soziale Netzwerke sind zu Kommunikationszentralen geworden. Viele Jugendliche nutzen nicht einmal mehr E-Mail, sondern schicken sich nur noch Nachrichten über Facebook und Co. Selbst einige meiner Bekannten schicken mir eher eine Direktnachricht auf Twitter, als eine Mail zu schreiben. Wo das Problem ist? Das Problem liegt in der Zentralisierung. Genauer: Das Problem ist, das wir mehr und mehr bereit sind, unsere Kommunikation über zentrale Dienste abzuwickeln. Wir machen unsere Kommunikation somit abhängig von einzelnen, zentralen Anbietern. Dies bringt weitere Probleme und Gefahren mit sich, die tiefer gehen, als dass ich mit ICQ keinen MSN-Nutzer erreichen kann. Ich möchte, dass wir uns dieser Probleme bewusst werden und nach Lösungen suchen.

Mir ist klar, dass das Problembewusstsein bei vielen bereits vorhanden ist und auch schon an Lösungen gearbeitet wird. So gibt es mit status.net z.B. bereits eine Plattform für dezentrale Micro-Blogging-Dienste und mit Diaspora ist eine dezentrale Social-Networking-Plattform in Arbeit. Mir fehlt jedoch eine breite und grundsätzliche öffentliche Außeinandersetzung mit dem Thema. Während Überwachung und Zensur immer wieder auf der netzpolitischen Tagesordnung stehen, scheint mir das damit eng verbundene Thema (De)-Zentralisierung noch etwas vernachlässigt. Überwachung und Zensur wird aber durch zentrale Systeme erst möglich, oder zumindest extrem vereinfacht. Im Umkehrschluss: Die Dezentralisierung unserer Kommunikation hilft bei der Bekämpfung von Überwachung und Zensur.

In einem folgenden Blogpost werde ich näher auf die grundsätzlichen Probleme und Gefahren zentraler Dienste eingehen und mich anschließend den Vorzügen dezentraler Strukturen und dem Weg dorthin widmen.

Die Grünen und die Bürgerrechte

Immer noch wird über die Vorratsdatenspeicherung (VDS) diskutiert. Diese gigantische Datenhalde mit der damals alles begann. Die verantwortlich ist, für die Gründung des AK Vorrat und das Aufleben einer neuen Bürgerrechtsbewegung. Die Bewegung hatte Erfolg: Das Gesetz wurde vor dem Bundesverfassungsgericht zu Fall gebracht. Wie realistisch ist nun die Wiedereinführung der Speicherung aller Kommunikationsverbindungsdaten der Bundesbürger?

Die Position der CDU dürfte allen klar sein. Die FDP hält dagegen, aber wird sich unter dem Druck des Koalitionspartners auf Kompromisse einlassen, welche es bei den Grundrechten nicht geben darf. Auch eine 7-tägige Vorratsdatenspeicherung, wie von FDP-Ministerin Leutheusser-Schnarrenberger gefordert, bleibt ein unverhältnismäßiger Grundrechtseingriff.

Über die SPD brauchen wir gar nicht zu reden, heute hü, morgen hott und im Zweifel gegen die Grundrechte. Interessant bleibt die Position der Grünen. Der Grünen? Die sind doch ganz klar gegen die Vorratsdatenspeicherung?! Leider nein.

Ein Blick in den Koalitionsvertrag Rheinland-Pfalz (PDF), Seite 82 (Hervorhebungen von mir):

Es gibt rechtspolitische Bedenken gegen die Speicherung von Kommunikationsdaten aller Bürgerinnen und Bürger. Deshalb hat das Bundesverfassungsgericht hohe Anforderungen in Bezug auf die Vorratsdatenspeicherung aufgestellt. Im geltenden rheinland-pfälzischen POG ist die Vorratsdatenspeicherung nicht vorgesehen. Diesbezügliche Änderungen werden die Koalitionspartner nur im Konsens vollziehen.

Die Grünen haben also sowas wie „Bauchschmerzen“ in Sachen VDS. Die Betonung der „hohen Anforderungen“ liest sich für mich, als sei man bereit einer Vorratsdatenspeicherung unter Beachtung dieser zuzustimmen. Der letzte Satz soll wohl einen Alleingang der SPD verhindern, jedoch befürchte ich, dass sich die Grünen dem Koalitionsfrieden zu liebe beugen werden, wenn die SPD eine Vorratsdatenspeicherung im Polizei- und Ordnungsbehördengesetz (POG) festschreiben will. Man will ja schließlich konsensfähig bleiben.

Alles in Allem liest sich eine Ablehnung der Vorratsdatenspeicherung anders. Und noch etwas fällt ins Auge: Der ganze Absatz bezieht sich aufs POG, also ein rheinland-pfälzisches Landesgesetz! Auf die Vorratsdatenspeicherung auf Bundesebene, die derzeit viel wahrscheinlicher ist, wird gar nicht eingegangen.

Wie werden sich die Grünen also bei einer Abstimmung im Bundesrat verhalten? Man könnte den Konsensgedanken auch darauf übertragen, was letztendlich bedeutet, dass sich RLP im Bundesrat enthalten wird, wenn sich SPD und Grüne über die VDS uneinig sind. Auf meine diesbezügliche Nachfrage über Twitter habe ich leider keine Antwort bekommen, obwohl die Twitterer der Grünen sonst sehr kommunikativ sind.

Noch düsterer sieht die Situation in Baden-Württemberg aus. Trotz grüner regierungsmehrheit hat sich die SPD das Innenministerium unter den Nagel gerissen und Innenminister Gall prescht weniger Tage vor der Innenministerkonferenz mit seiner Befürwortung einer sechsmonatigen Speicherung aller Kommunikationsverbindungsdaten vor. Kein gutes Bild für den Koalitionspartner, der sich in Unschuld wiegt, da dies ja gar nicht die Position der Grünen sei, sondern nur der SPD. Der Minister vertrat auf der Innenministerkonferenz jedoch die Landesregierung und nicht die SPD.

Hat Herr Gall damit gegen den Koalitionsvertrag gehandelt? Nein, denn im Koalitionsvertrag ist überhaupt keine Ablehnung der VDS verankert! Dort heißt es:

Bei der Vorratsdatenspeicherung setzen wir uns dafür ein, die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts präzise einzuhalten.

Das liest sich fast schon wie eine Befürwortung. Im Bundesrat wird es im besten Fall wohl auch auf eine Enthaltung hinauslaufen.

Aber der Spaß geht noch weiter: Nicht nur in Sachen Vorratsdatenspeicherung mangelt es den Grünen an einer klaren Bekenntnis zu den Bürgerrechten, sondern auch in Sachen POG Rheinland-Pfalz gibt es klare Versäumnisse. Ich hatte mich mit dem Gesetz, welches die SPD noch schnell vor der Wahl durch den Landtag brachte, ausführlich auseinandergesetzt, auch wenn ich nur einen Teil meiner Erkenntnisse verbloggen konnte.

Jedenfalls bin ich zu dem Ergebnis gekommen, dass die Online-Durchsuchung sicher eins der größten Probleme des neuen POG ist, jedoch bei weitem nicht das einzige. Darüber hatte ich auch mit grünen Politikern gesprochen. Was sich im Koalitionsvertrag wiederfindet ist jedoch erschreckend (Hervorhebungen wieder von mir):

Online-Durchsuchungen begegnen erheblichen rechtspolitischen Bedenken. Daher vereinbaren wir, die im Polizei- und Ordnungsbehördengesetz (POG) getroffenen Regelungen der Online-Durchsuchung zu überprüfen. Die im Paragraphen 100 POG vorgesehene qualitative Evaluierung soll bereits mit Ablauf des Jahres 2013 durch eine externe wissenschaftliche Begutachtung erfolgen. Ebenfalls evaluiert werden die Rasterfahndung und die bisher fehlende Benachrichtigungspflicht sowie die Quellen-Telekommunikationsüberwachung (TKÜ). Unabhängig von der Evaluierung wird die Frist bei der Quellen-TKÜ umgehend auf zwei Monate herabgesetzt.

Da sind sie wieder, die „rechtspolitischen Bedenken“. Zwar behandelt der Absatz einige der meiner Meinung nach schlimmsten Punkte im POG, umso erschreckender ist es jedoch, dass hier lediglich eine Evaluierung vorgesehen ist und sich die Grünen in keiner Weise dafür einsetzten, diese Regelungen wieder zu kippen oder zumindest zu entschärfen. Klar, als kleiner Koalitionspartner kann man nicht erwarten viel durchzusetzten. Es bleibt die Frage, ob eine Partei, die sich als Bürgerrechtspartei definiert, unter solchen Umständen eine Koalition eingehen darf.

Versteht mich nicht falsch, ich kenne viele Grüne persönlich und schätze sie sehr. Trotzdem können wir uns in Sachen Bürgerrechte offenbar nicht zu 100% auf die Grünen verlassen. Das muss offen aufgezeigt werden und das müssen auch diejenigen Grünen eingestehen, die sich sehr für Bürgerrechte engagieren. Gerade jene Grünen sehe ich in der Pflicht diese Entwicklung ihrer Partei offen zu kritisieren und dagegen anzukämpfen. Eine weitere Partei die ihre Prinzipien zur Wahrung der Konsensfähigkeit und des Koalitionsfriedens verkauft, braucht dieses Land nicht.

Zensursula und die Terrorbefugnisse

Oje, es geht wieder heiß her in Sachen Überwachung und (Anti-)Terrorbefugnissen. Das Netzsperrengesetz aka „Zensursula“ soll nun gekippt werden. Quasi als „Dank“ dafür will die CDU/CSU aber unbedingt die Vorratsdatenspeicherung (VDS) vorantreiben und die Terrorgesetze verlängern.

Kleiner Rückblick: Als schwarz-gelb an die Regierung kam wurde über einen verfassungsrechtlich höchst fragwürdigen „Nichtanwendungserlass“ das Sperrgesetz für ein Jahr ausgesetzt. Die Frist ist nun abgelaufen und das Gesetz würde somit in Kraft treten. Nach dem 11. September 2001 hat die damalige rot-grüne Regierung zahlreiche sogenannte „Anti-Terror-Befugnisse“ verabschiedet, wie Fluggastdaten- und Kontenabfrage, Mobilfunkortung und weitere Befugnisse für BKA und Geheimdienste (Mit ein Grund, warum die Grünen für mich unwählbar sind). Diese Grundrechtseinschränkungen wurden 2007 bereits einmal für fünf Jahre verlängert. 2012 würde nun auch diese Frist ablaufen und die Union schreit abermals nach einer Verlängerung.

Die Vorratsdatenspeicherung wurde letztes Jahr vom Bundesverfassungsgericht gekippt. Schmerzlich für die CDU, die nicht Müde wird die „dringende Notwendigkeit“ einer Neuauflage zu betonen, ohne je einen Nachweis zu erbringen. Ich werde derweil nicht Müde zu betonen, dass für jegliche Grundrechtseingriffe der Nachweis der Verhältnismäßigkeit, Erforderlichkeit und Geeignetheit erbracht werden muss.

Trotzdem pokert die Union jetzt: „Wenn wir schon das Sperrgesetz kippen, dann wollen wir wenigstens bei der Vorratsdatenspeicherung und den Anti-Terror-Gesetzen unsere Position durchsetzen“, heißt es sinngemäß. Das Grundgesetz darf jedoch keine Verhandlungsmasse sein! Keine faulen Kompromisse zu Lasten der Grundrechte! Der Fall des Sperrgesetzes ist ohnehin kein Verlust für die Union, die schließlich schon damals zugab, dass es ihr um Stimmungsmache im Wahlkampf ging. Mit der vermeintlichen Opferung des Sperrgesetzes versucht die Union nun echte Beute zu machen: VDS und Geheimdienstbefugnisse! Die Sperren gibts ggf. über den Umweg EU sogar noch oben drauf – hat ja bei der VDS damals auch funktioniert.

Dass die VDS nicht einmal bei der Aufklärung von Straftaten hilft, hat derweil selbst der wissenschaftliche Dienst des Bundestags erkannt. Auch die von Innenminister Friedrich gewünschte Umbenennung in Mindestspeicherfrist (Neusprech lässt grüßen!) wird daran nichts ändern.

Von Seite der EU-Kommission wird derweil erfreulicher Druck auf Deutschland ausgeübt: Die Datenschutzbeauftragten müssten endlich vollständig unabhängig werden, wie es das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vorsieht. Die Datenschutzbeauftragten stehen hier meist unter staatlicher Kontrolle, sind z.B. dem Innenministerium untergeordnet. Allein Schleswig-Holstein geht mit den unabhängigen Landeszentrum für Datenschutz den richtigen Weg.

Netzsperren, Vorratsdatenspeicherung, Überwachungsbefugnisse, Datenschutz – Die nächsten Wochen und Monate werden wieder sehr spannend, um es positiv auszudrücken.

Wahl-o-Mat zur Landtagswahl 2011 verfügbar

Na das Ergebnis kann sich doch sehen lassen:

Jetzt bist du dran! Hier gehts zum Wahl-o-Mat für die Landtagswahl 2011 in Rheinland-Pfalz.

Auch für unser liebes Nachbarland Baden-Württemberg ist ein Wahl-o-Mat online.

Ich rate jedoch dringend dazu, sich nicht nur auf solche Tools zu verlassen, sondern einen Blick in die Wahlprogramme zu werfen! Das der Piraten gibt es hier.

Netzpolitik ist orange – Ein transparenter Staat braucht Piraten

Letzte Woche Dienstag war ich in Mainz, beim „Netzpolitischen Abend mit den Grünen“ mit dem Titel „Demokratie braucht Transparenz“. Die Themen waren sehr offen gehalten und so wurde vieles angesprochen, aber weniges in der nötigen Tiefe behandelt.

Auf dem Podium saßen Daniel Köbler und Pia Schellhammer, die beide für die Grünen in Rheinland-Pfalz kandidieren, sowie der grüne Bundestagsabgeordnete Konstantin von Notz und der „freie Lobbyist für tolle Sachen“ Alex Boerger.

Nun braucht man von mir hier kaum zu erwarten, dass ich Lobeshymnen über die Grünen schreibe. Wäre ich davon überzeugt, dass die Grünen die Politik nachhaltig verändern könnten, insbesondere mehr Transparenz im Staat schaffen und die Bürgerrechte schützen könnten, dann wäre ich nicht bei den Piraten.

Aber der „netzpolitische Abend“ hat mich nochmals in der Überzeugung bestärkt, dass für moderne Netzpolitik, mehr Transparenz und Bürgerbeteiligung kein Weg an den Piraten vorbei führt. Ich möchte das anhand von 3 Thesen erläutern:

1) Den Grünen fehlt es an netzpolitischen Konzepten
2) Netzpolitik ist bei den Grünen unzureichend priorisiert
3) Die grüne Landesliste bietet keine kompetenten Netzpolitiker

Ja ich weiß, das klingt hart liebe Grüne. Ich freue mich schon darauf, wie ihr jede dieser Thesen nach der Wahl widerlegt 😉

Doch zunächst zur Begründung der Thesen:

1) Den Grünen fehlt es an netzpolitischen Konzepten

Begriffe wie „eParticipation“, „OpenGovernment“ und Co. scheinen den Grünen geläufig zu sein, doch von einer klaren netzpolitischen Strategie, merkte ich zumindest auf dieser Veranstaltung nichts. Pia Schellhammer sprach davon, dass sie die Tagesordnung des Landtags eine Woche früher veröffentlichen will. Das mag ein guter erster Schritt sein, doch es fiel kein Wort von offenen Daten und standardisierten, freien Formaten.

Vielleicht schaffen es die Grünen noch, das längst überfällige RSS-Feed der im Landtag behandelten Themen online zu stellen und vielleicht können sie sogar einen Stream der Plenarsitzung durchsetzen, der in anderen Ländern längst gang und gäbe ist. Für mich ist das alles aber noch keine Netzpolitik, sondern Selbstverständlichkeiten.

Ich vermisse deutliche Fürsprachen zur Veröffentlichung von staatlichen Datenbeständen in offenen und freien Formaten, zu einer klaren nachvollziehbaren Erarbeitung von Gesetzen und zur Veröffentlichung staatlicher Dokumente. Daniel Köbler meinte auf Nachfrage, dass es ja eine „geniale Idee“ sei, Gesetzesentwürfe in einem Wiki online zu stellen, über die er sich noch gar keine Gedanken gemacht habe. Der Wille scheint also durchaus da zu sein, doch die Kompetenz und Eigeninitiative zu fehlen. Dies führt uns unmittelbar zur zweiten These:

2) Netzpolitik ist bei den Grünen unzureichend priorisiert

Bei den Grünen ist mittlerweile angekommen, das Netzpolitik „irgendwie wichtig“ ist. Neben klaren Konzepten fehlen jedoch auch deutliche Schwerpunkte auf netzpolitischen Themen. Für mich als Pirat, hat Transparenz oberste Priorität. Sie ist die Grundvoraussetzung für echte Demokratie. Diese Grundeinstellung spiegelt sich eigentlich auch im Titel der grünen Veranstaltung wieder („Demokratie braucht Transparenz“). Trotzdem habe ich in meinen bisherigen Gesprächen mit grünen Politikern nicht den Eindruck gewinnen können, dass diese Einstellung auch gelebt wird. Es ist auch schwierig, für mehr Transparenz zu sorgen, ohne dafür klare Konzepte zu haben (siehe These 1). Vielmehr befürchte ich, dass netzpolitische Themen im Allgemeinen und Transparenz im Besonderen nach der Wahl zunächst hinten angestellt werden. Dies liegt auch daran, dass die Grünen nur mit wenigen Abgeordneten in den Landtag einziehen und sich davon kaum jemand mit Herzblut um die Netzpolitik kümmert, was uns direkt zu These 3 führt:

3) Die grüne Landesliste bietet keine kompetenten Netzpolitiker

In Rheinland-Pfalz kann man grob überschlagen, dass für jedes Prozent ein Abgeordneter ins Parlament einzieht. Rechne ich den Grünen gönnerhaft 10% zu, würden also die ersten 10 Kandidaten der Landesliste in den Landtag einziehen. Unter diesen Top-10 befindet sich gerade einmal ein Kandidat, der sich die Netzpolitik als Schwerpunktthema auf die Fahnen geschrieben hat: Pia Schellhammer.

Nun streite ich nicht ab, dass Pia das Thema Netzpolitik nicht am Herzen liegt, im Gegenteil. Nur glaube ich einfach nicht daran, dass sie diese Themen unter den Voraussetzungen der Thesen 1 & 2 durchsetzen kann.

Wir können uns nun hinsetzen und hoffen, dass ich Unrecht habe und die Grünen trotz allem die Politik revolutionieren. Hoffen heißt aber auch immer, sich nach etwas zu sehnen, auf das man keinen Einfluss hat. Wir haben aber Einfluss, wir brauchen nicht zu hoffen: Wir können Piraten wählen.

„Wort halten, FDP“ – Telefonaktion gegen die Vorratsdatenspeicherung

Der AK Vorrat ruft zu einer Telefonaktion gegen die Neuauflage der Vorratsdatenspeicherung auf. Die Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) hat eine solche kürzlich in einem „Eckpunktepapier“ vorgeschlagen und sich damit von der bisherigen FDP-Linie, anlass- und verdachtslose Speicherung konsequent abzulehnen, verabschiedet.

Nun wundert ein Umkippen der FDP sicher niemanden mehr. Trotzdem dürfen wir es nicht tatenlos hinnehmen. Der AK Vorrat bittet daher darum, sich 5 Minuten Zeit zu nehmen und mindestens einen FDP-Bundestagsabgeordneten anzurufen:

Vor diesem Hintergrund sollen heute zahlreiche Telefonanrufe die FDP-Bundestagsabgeordneten an ihre Zusage erinnern, jede „anlassunabhängige Speicherung personenbezogener Daten auf Vorrat“ abzulehnen. Im AK Vorrat-Wiki gibt es dazu eine Liste der Telefonnummern der Abgeordeten der FDP-Fraktion und eine Handreichung für das Gespräch mit den Abgeordneten. Wenn nur 21 der 93 FDP-Abgeordneten überzeugt werden, Wort zu halten, ist jeder Kompromiss blockiert, weil laut Koalitionsvertrag „wechselnde Mehrheiten ausgeschlossen“ sind. Jeder kann an dieser Aktion teilnehmen und mithelfen!

Die Probleme, die eine anlass- und verdachtsunabhänige Vorratsspeicherung von IP-Adressen mit sich bringt, hat der AK Vorrat nochmal ausführlich in einem offenen Brief an die Justizministerin dargelegt.

Koblenzer Gutsherrenmentalität

Die BIZ-Fraktion im Koblenzer Stadtrat hat erfreulicherweise unseren offenen Brief zum Thema Zentralplatz aufgegriffen und dazu eine Anfrage gestellt. Die Antworten der Verwaltung sind sehr aufschlussreich – zumindest was deren Einstellung gegenüber dem Bürger angeht.

Unser Brief und die Reaktionen

In einem offenen Brief forderten wir Tranzsparenz beim Koblenzer Großprojekt Zentralplatz, insbesondere die Offenlegung der Verträge und die Beteiligung der Bürger:

An der Mehrheit des Bürgers vorbei wird ein Projekt umgesetzt, das die Stadt in den wirtschaftlichen Ruin treiben kann. Die Weigerung, die Verträge mit den Investoren offenzulegen, ist dabei nur eine Facette der Gutsherrenmentalität, mit der auch in Koblenz Entscheidungen herbeigeführt wurden. Dabei wird jegliche Solidarität mit den Bürgerinnen und Bürgern dieser Stadt außen vor gelassen.

Um die notwendige Transparenz bei diesem Projekt zu gewährleisten, fordern wir daher eine Offenlegung der Verträge mit den Investoren sowie eine Beteiligung der Bürger in die Entscheidungen rund um das Großprojekt.

Der Brief ging an alle Stadtratsfraktionen sowie den Oberbürgermeister. Nur die BIZ-Fraktion reagierte auf den Brief mit folgender Anfrage im Stadtrat:

Am 7. Dezember 2010 erreichte eine Abschrift des offenen Briefes der Piratenpartei die BIZ-Fraktion (siehe Anlage). Dieser hatte die Forderung zum Inhalt, die Zentralplatzverträge offenzulegen. Betont wurde der Wunsch nach Transparenz und Bürgernähe. Um einen weiteren Vertrauensverlust zu vermeiden, weist die Piratenpartei auf die Möglichkeit hin, dass Internetplattformen, wie beispielsweise Wikileaks, die Verträge mit Hilfe Dritter offen legen könnten. Die aktuellen Geschehnisse, nicht zuletzt auch auf lokaler Ebene (Geheimnisverrat Beschlussvorlage zum Schienenhaltepunkt an die RZ) – zeigen, dass ein solches Vorgehen nicht unwahrscheinlich ist.

Die drei Fragen der BIZ-Fraktion wurden von der Verwaltung beantwortet und zeigen hervorragend, die Einstellung unseres Staates gegenüber dem Bürger. Ich werde anschließend darauf eingehen. Hier erstmal die Fragen und Antworten:

1. Wie wird die Verwaltung auf das Schreiben der Piratenpartei reagieren?

Das Schreiben wurde nach seinem Eingang in den normalen Geschäftsgang aufgenommen und wird wie jede andere Petition bearbeitet.

2. Hat man sich veraltungsintern überlegt, was man unternehmen kann, um eine unfreiwillige Offenlegung durch Dritte zu verhindern?

Für Verwaltungsbedienstete bestehen gewisse Pflichten, unter anderem auch Verschwiegenheitspflichten, die zu beachten sind. Inhaltsgleiche gesetzliche Verschwiegenheitspflichten gelten nach den kommunalverfassungsrechtlichen Vorschriften der Gemeindeordnung auch für Rats- und Ausschussmitglieder.

Bei Beachtung der bestehenden gesetzlichen Vorgaben durch die Verpflichteten tritt das in der Frage aufgeworfene Problem nicht auf.

3. Wäre es in diesem Zusammenhang nicht sinnvoll, über eine vollständige Offenlegung der Verträge nachzudenken?

Schon aus Gründen des Datenschutzes, kann eine Kommune nicht entscheiden, ob sie entsprechende Dokumente der Öffentlichkeit zugänglich macht. Sie ist ebenso wie alle anderen Personen an Recht und Gesetz gebunden.

Der Bürger als Bittsteller

Die Antwort auf Frage 1 verdeutlicht die Position des Bürgers aus Sicht unseres Staates: Wir Bürger sind nicht der Souverän, dem die Verwaltung Rechenschaft schuldet, damit wir sie kontrollieren können, sondern (lästige?) Bittsteller. Eine moderne, demokratische Wissensgesellschaft funktioniert anders: In ihr ist der mündige Bürger Mittelpunkt staatlichen Handelns und es gilt das Prinzip der Offenheit, statt des Prinzips der Geheimhaltung. Staatliche Daten und Dokumente müssen dem Bürger proaktiv zur Verfügung gestellt werden und nicht erst auf dessen Antrag hin.

Einschüchterung statt Aufklärung

Dass die Stadt bunte Informationsbroschüren drucken kann, die eine schöne heile Welt vorgaukeln, hat sie bereits bewiesen. Wenn es jedoch um die Klarstellung von Fakten rund um das Projekt geht, wird die Jura-Keule ausgepackt. Der Hinweis auf die Verschwiegenheitspflichten und die „gesetzlichen Vorgaben“ in Antwort 2 soll jedem Verwaltungsangestellten klarmachen: Whistleblower sind unerwünscht und werden mit der Härte des Gesetzes bestraft. Aufgeklärte, mündige Bürger, die Einblicke in das Projekt bekommen, sind unerwünscht – von effektiver Mitbestimmung ganz zu schweigen.

Deckmantel Datenschutz

Die Antwort auf Frage 3 schmerzt besonders, wenn man als engagierter Bürgerrechtler für den Schutz persönlicher Daten vor Missbrauch kämpft. Hier wird der Datenschutz als Vorwand für intransparentes Verwaltungshandeln vorgeschoben. Datenschutz ist ein Grundrecht und dient weder der Verschleierung staatlichen Handelns noch der Sicherung von Geschäftsgeheimnissen.

Fazit

Die Antwort der Verwaltung ist ein Schlag ins Gesicht eines jeden interessierten Bürgers. Als solcher wird man zum Bittsteller degradiert, von wesentlichen Informationen abgeschnitten und das alles auch noch unter dem Deckmantel der eigenen Grundrechte. Grundrechte die eigentlich den Bürger vor dem Staat beschützen sollen – und nicht umgekehrt.

Der JMStV wurde gekippt! Nun droht der JMStV!

Ja gibt es denn noch Zeichen und Wunder? Wie gestern angekündigt wurde der neue JMStV heute im nordrhein-westfälischen Landtag tatsächlich gekippt! Späte Einsicht bei den etablierten Parteien? Wohl kaum. Vielmehr billiges politisches Geschacher.

Ich weiß nicht was die CDU da geritten hat, jedenfalls kündigten die schon vorgestern an, den JMStV abzulehnen. Dabei wurde er doch noch unter Rüttgers mit ausgearbeitet. Jedenfalls ist es der CDU damit gelungen, die SPD und die Grünen tierisch dumm dastehen zu lassen. Deren Minderheitsregierung reicht nämlich nicht aus, um den JMStV positiv abzustimmen.

Nun wäre es natürlich äußerst blamabel, wäre der JMStV entgegen der Für-Stimmen von SPD (selbsternannte Netzpartei) und Grünen (sind eigentlich gegen den JMStV) abgelehnt worden. Es wundert mich daher nicht, dass nun auch diese Parteien eingeknickt sind und der JMStV heute fraktionsübergreifend abgelehnt wurde.

Doch der Spaß geht jetzt erst richtig los: Der JMStV ist ja keine neue Erfindung – den gibt es bereits! Wir haben davon bisher lediglich kaum etwas mitbekommen, weil ein erhebliches Vollzugsdefizit zu verzeichnen ist. Die Regelungen des aktuellen JMStV sind so dermaßen weltfremd, dass bisher niemand ernsthaft auf die Idee kam, deren Umsetzung großflächig einzufordern. Lediglich in den Mediatheken von ARD und ZDF stößt man hin und wieder auf die lächerliche Sendezeitenregelung.

Ja, die gibt es bereits derzeit im JMStV und das wurde ja auch immer wieder als Argument der Befürworter eingebracht: „Sendezeiten gibts doch schon, warum beschwert ihr euch?“ Weil Sendezeiten Unfug sind – nach wie vor! Man hätte die Novellierung des JMStV z.B. nutzen können um diese Regelung raus zu werfen. Aber nein: es wurde weiterer Unfug hinzugefügt.

Unterdessen tobt es in der rheinland-pfälzischen Staatskanzlei: Kurt Beck ist außer sich und droht nun mit staatlicher Regulierung von oben. Er will offenbar die bisherigen Regelungen des JMStV mit aller Gewalt durchsetzen. Dazu zählen auch Sperrverfügungen! Sperrverfügungen? Ja, Sperrverfügungen! Die KJM kann nach § 20 Abs. 4 JMStV in Verbindung mit § 59 Abs. 2 bis 4 des Rundfunkstaatsvertrags gegenüber Inhalts- und Diensteanbietern „Angebote untersagen und deren Sperrung anordnen“.

Bisher wurde meines Wissens noch kein Gebrauch von dieser Regelung gemacht, um Webseiten zu sperren, prinzipiell ist es jedoch möglich. Und da König Kurt nun offen damit droht, sollten wir ihm diese Waffe schnellstens aus der Hand nehmen.

Initiative gegen ein Leistungsschutzrecht

Auch wenn ich es in diesem Blog noch nicht thematisiert habe, habt ihr sicherlich die Diskussion um ein Leistungsschutzrecht für Verlage mitbekommen.

Mittlerweile wurde eine „Initiative gegen Leistungsschutzrecht“ (IGEL) gegen dieses Leistungsschutzrecht gestartet und ein Informationsportal aufgesetzt:

IGEL wurde in erster Linie aufgrund der Erkenntnis initiiert, dass es für ein Leistungsschutzrecht für Presseverleger weder eine Notwendigkeit noch eine Rechtfertigung gibt. Ein solches Recht wird einerseits nicht benötigt und hat andererseits – unabhängig von dessen Ausgestaltung – zwangsläufig sehr bedenkliche Auswirkungen auf die Interessen Dritter und das Gemeinwohl.

Gefahrenabwehr über alles!

Die größte Änderung am neuen Polizei- und Ordnungsbehördengesetz (POG) von Rheinland-Pfalz betrifft § 31. Dieser wird komplett durch die neuen §§ 31 bis 31 e ersetzt. Diese Paragrafen enthalten so ziemlich alles was Bürgerrechtler und Datenschützer hellhörig werden lässt:

  • Überwachung und Aufzeichnung von Telekommunikation
  • Identifizierung & Lokalisierung von Mobiltelefonen
  • Datenabfrage bei Providern
  • Online-Durchsuchungen
  • Unterbrechung und Verhinderung von Kommunikationsverbindungen
  • Funkzellenabfrage

Ich lehne nicht alle dieser Maßnahmen generell ab. Zum Beispiel halte ich es im Einzellfall für duchaus gerechtfertig die Telekommunikation eines Verdächtigen zu überwachen. Allerdings schlägt das POG deutlich in Richtung Präventivstaat aus und setzt den Fokus auf eine abstrakte Gefahrenabwehr. Die Maßnahmen richten sich dabei nicht nur gegen Verdächtige einer Straftat, sondern auch gegen „potentielle Gefährder“, Begleit- und Kontaktpersonen sowie „Nachrichtenmittler“.

Hier einige immer wiederkehrende Formulierungen aus der POG-Novelle, bei denen sich mir die Haare sträuben:

  • „Die Maßnahme darf auch durchgeführt werden, wenn Dritte unvermeidbar betroffen sind“
  • „Personen, bei denen bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass …“
  • „zur Abwehr einer dringenden Gefahr, oder zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten von erheblicher Bedeutung“

Es geht fast überhaupt nicht mehr um die Aufklärung von Straftaten und die Ermittlung von Tätern, sondern die Erkennung und Verhinderung von Straftaten im Vorfeld. Minority Report lässt grüßen. Eine wissenschaftlich fundierte Begründung für die Ausweitung der Befugnisse kann ich nicht finden, lediglich den immer wiederkehrenden Verweis auf die Notwendigkeit Gefahren abzuwehren. Und wir wissen ja schließlich alle, dass Gefahr und Terror allgegenwärtig sind…

Die Novelle in der aktuellen Form muss weg. Stattdessen müssen die bisher im POG definierten Polizeibefugnisse wissenschaftlich evaluiert werden. Nur Maßnahmen die sich als notwendig, zweckmäßig und verhältnismäßig herausgestellt haben, dürfen beibehalten werden. Neue Befugnisse sind nach den gleichen Maßstäben zu beurteilen.