„Geistiges Eigentum“ – Ein Fehlschluss

Die Neue Zürcher Zeitung räumt mit dem Begriff des „geistigen Eigentums“ auf, der von Rechteverwertern gerne pauschal für alles in den Raum geworfen wird, was mit Urheberrecht, Patenten oder Marken zu tun hat.

Florent Thouvenin, Experte für Immaterialgüterrecht, entlarvt den Analogieschluss vom Eigentum an materiellen Dingen zum „geistigen Eigentum“ als falsch:

Der Blick […] mag zwar lange Zeit verstellt gewesen sein, weil geistige Werke in einer analogen Welt meist als körperliche Werkexemplare verwertet wurden. Spätestens mit der Digitalisierung und der unkörperlichen Verwertung über das Internet wurde der Fehlschluss erkennbar – und die Lehre vom geistige Eigentum als Propaganda entlarvt.

Daher kommt Thouvenin zu dem Schluss, dass in der öffentlichen Debatte  besser der Begriff „Urheberrecht“ verwendet werden soll. Dem kann ich mich nur anschließen. „Geistiges Eigentum“ ist ein Kampfbegriff, der verschleiert, worüber man wirklich redet. In einer seriösen Debatte sollte man klar benennen, ob man von Urheberrechten, der Verwertung derselben, von Patent- oder Markenrechten redet. Pauschal alles in einen Topf zu werfen und zu behaupten, es sei das selbe wie das Eigentumsrecht an gebackenen Brötchen, ist unseriös.

Zum Artikel der Neuen Zürcher Zeitung
Siehe auch: Das Urheberrecht in der Netzgesellschaft

Initiative gegen ein Leistungsschutzrecht

Auch wenn ich es in diesem Blog noch nicht thematisiert habe, habt ihr sicherlich die Diskussion um ein Leistungsschutzrecht für Verlage mitbekommen.

Mittlerweile wurde eine „Initiative gegen Leistungsschutzrecht“ (IGEL) gegen dieses Leistungsschutzrecht gestartet und ein Informationsportal aufgesetzt:

IGEL wurde in erster Linie aufgrund der Erkenntnis initiiert, dass es für ein Leistungsschutzrecht für Presseverleger weder eine Notwendigkeit noch eine Rechtfertigung gibt. Ein solches Recht wird einerseits nicht benötigt und hat andererseits – unabhängig von dessen Ausgestaltung – zwangsläufig sehr bedenkliche Auswirkungen auf die Interessen Dritter und das Gemeinwohl.

Copy.Right.Now!

Die Heinrich-Böll-Stiftung hat kürzlich einen lesenswerten Reader zum Thema Urheberrecht herausgegeben. Der Band „Copy.Right.Now!“ enthält unter anderem Beiträge von Till Kreutzer, Lawrence Lessig, Cory Doctorow und Matthias Spielkamp. Der Reader ist im April erschienen und daher sehr aktuell. Die Beiträge befassen sich unter anderem mit ACTA, Google Books und Creative Commons, aber natürlich auch mit Grundsatzfragen des Urheberrechts im digitalen Zeitalter. Wissenschaftler, Politiker und Künstler kommen zu Wort.

Konsequenterweise steht das Werk unter eine Creative-Commons-Lizenz und lässt sich von den Seiten der Heinrich-Böll-Stiftung frei herunterladen oder bestellen. Die rund 130 Seiten sind angenehm zu lesen – eine Empfehlung für jeden der sich mit dem Thema Urheberrecht beschäftigt!

Irrtum der Woche: Kopieren darf man nicht!

privatkopieUnd wieder einmal trifft es Justizministerin Brigitte Zypries in der Kategorie „Irrtum der Woche“. Die gute Frau hat auch schon die Unschuldsvermutung auf den Kopf gestellt und wurde trotz immer wieder offen zur Schau gestellter Unkenntnis in Sachen Netzpolitik zur Internetministerin des Jahres gekürt. Ihr neuester Streich: Leugnung der Privatkopie.

Gegenüber der Welt behauptete sie nun:

Schon in meiner Jugend war das Mitschneiden von Musik aus dem Radio üblich, damals auf Tonbändern oder Kassetten. Es gibt also eine gewisse Tradition zu glauben: Man darf das. Ähnlich ist es beim Kopieren von Büchern. Es ist weder der Industrie noch der Politik gänzlich geglückt, die Botschaft zu vermitteln: Man darf das eben nicht.

Damit macht sie sich die Propaganda der Rechteindustrie zu eigen, die die Privatkopie am liebsten abschaffen würde. Von einer Ministerin erwarte ich jedoch, dass sie die Rechtslage kennt und diese sachlich kommuniziert. Der Nachsatz den sie bringt ist unzureichend:

Jedenfalls nicht, wenn man es nicht nur für sich privat kopiert.

Schon komisch: Erst in klaren Worten das sachlich falsche „Man darf das eben nicht“, dann eine kompliziert mit doppelter Verneinung ausgedrückte Relativierung. Ich werde den Eindruck nicht los, dass sie hier bewusst Tatsachen verdrehen wollte. Hinzu kommt, dass es neben der Privatkopie noch viele weitere sogenannte Schrankenbestimmungen im Urheberrecht gibt, die das Kopieren erlauben. Ein pauschales „Man darf das eben nicht“ ist schlichtweg falsch.

Tipp am Rande: Die Seite iRights.info bietet viele Informationen darüber, was in Sachen Urheberrecht erlaubt ist und was nicht. Von dort stammt auch das obige Bild (Lizenz: CC-BY-ND)

Das Anti-Counterfeiting Trade Agreement

ACTA steht für Anti-Counterfeiting Trade Agreement, was frei übersetzt etwa „Handelsabkommen zur Bekämpfung von Fälschungen“ heißt. Das Abkommen wird seit mehreren Jahren geheim verhandelt, mit dem vorgeblichen Ziel, den Handel mit Produktfälschungen und urheberrechtlich geschützten Werken zu bekämpfen. Regierungen aus Ländern weltweit und Lobbyisten der Rechteinhaber sind an den Verhandlungen beteiligt. Außen vor bleiben Künster und Bürgerrechtsorganisatoren, sowie die Bürger selbst.

Sowohl in Europa als auch den USA wurde von Bürgerrechtsorganisationen mehrfach versucht, Informationen über ACTA ans Tageslicht zu bringen. Selbst unter Berufung auf das Informationsfreiheitsgesetzt konnte eine Veröffentlichung des Vertragsentwurfs nicht erreicht werden. Angeblich sei durch eine Veröffentlichung die „nationale Sicherheit“ gefährdet, so erst kürzlich der neue Hoffnungsträger Obama.

Solche Behauptungen und die Geheimniskrämerei lassen die Gerüchteküche brodeln. Schlimme Vermutungen bestätigten sich, als 2008 bei Wikileaks Informationen über die möglichen Inhalte des Abkommes auftauchten. Mit dabei: Kriminalisierung von Tauschbörsennutzern, Durchsuchung von Notebooks, MP3-Playern und anderen Datenträgern durch den Zoll, Sperren von Websites durch die Provider, kurzum: massive Einschränkungen der Bürgerrechte.

Vor einigen Tagen gab die US-Regierung dem wachsenden Druck nach und veröffentlichte wenigstens eine sechsseitige Zusammenfassung des aktuellen Vertragsentwurfs. (PDF)

Das Papier gibt an, dass die Idee eines solchen Abkommens in 2006 von Japan und den USA initiiert wurde, um das vermeintliche „geistige Eigentum“ international durchzusetzen. Zunächst seien nur Kanada, die Europäische Kommission, Japan, die Schweiz und die USA beteiligt gewesen. Erst seit Juni 2008 diskutiere man das Abkommen auch mit Australien, den 27 EU-Staaten, Mexiko, Marokko, Neuseeland, Südkorea und Singapur. Weiterhin sei es allgemein üblich, dass Verhandlungen zwischen „souveränen Staaten“ in einem so frühen Stadium noch nicht der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Die Verhandlungsteilnehmer scheinen zu vergessen, wer der Souverän ist.

Als Ziel von ACTA wird angegeben, internationale Standards einzuführen um „geistiges Eigentum“ durchzusetzen. Dabei setze man den Fokus angeblich auf kommerzielle Fälschungen und nicht auf die Handlungen von gewöhnlichen Bürgern. In Grund- und Bürgerrechte solle nicht eingegriffen werden.

Das Dokument fasse die Inhalte zusammen, die aktuell unter Diskussion ständen, weist aber gleichzeitig darauf hin, dass die Verhandlungen noch laufen und noch zusätzliche Punkte hinzukommen könnten, während andere wieder fallen gelassen werden. Insgesamt ist die Zusammenfassung aber extrem vage gehalten. Zur zivilrechtlichen Durchsetzung von Immaterialgüterrechten möchte man zum Beispiel Gerichten oder Behörden die Befugnisse geben „bestimmte Handlungen“ durchzuführen, wenn eine Verletzung „geistiger Eigentumsrechte“ nachgewiesen ist.

Auch die „Maßnahmen an Grenzen“ sind sehr vage gehalten. Beängstigend klingt die Möglichkeit eines Verbots, auch Waren, die nur zum persönlichen Gebrauch gedacht sind, über die Grenze zu führen. Die Entscheidungskompetenz, ob Güter Rechte verletzen oder nicht, soll wieder irgendeine „authority“ besitzen.

Brisant wird es im Abschnitt „Strafrechtliche Maßnahmen“. Hier soll geklärt werden, ab wann eine Rechtsverletzung strafrechtliche Bedeutung hat. Bislang sind zum Beispiel Urheberrechtsverletzungen in Deutschland lediglich Vergehen, aber kein Verbrechen. Dies könnte sich durch ACTA ändern.

Ein weiterer Abschnitt soll ich laut der Zusammenfassung komplett dem „Digitalen Umfeld“ widmen. Meiner Meinung nach ist das das spannendste und heikelste Thema. Die Zusammenfassung hält sich noch sehr bedeckt, der Abschnitt soll sich aber unter anderem mit der Rolle der Internetprovider befassen, Urheberrechtsverletzungen zu unterbinden! Es steht zu befürchten, dass durch ACTA mal wieder der Versuch gestartet wird, die Provider für die übertragenen Inhalte verantwortlich zu machen. Für den Abschnitt gibt es angeblich noch keinen Entwurf. Man sei vielmehr damit beschäftigt, Informationen über die unterschiedlichen nationalen Regelungen zu sammeln.

Ein komplettes Kapitel widmet sich der internationalen Zusammenarbeit, ein weiteres soll bestimmen, wie die von ACTA geschaffenen Regelungen durchgesetzt werden. Alles in allem ist die Zusammenfassung aber sehr vage und abstrakt. Die Formulierungen lassen viel Spielraum. Von einer Fokusierung auf internationale, kommerzielle Produktfälscher bishin zur Verfolgung von harmlosen Bagetelldelikten mitsamt Einschränkungen der Bürgerrechte ist meiner Ansicht nach alles möglich.

Letztendlich ist es entscheidend, wer an dem Vertrag mitwirkt und bestimmt, was letztendlich drin steht. Die Tatsache, dass das Abkommen weiterhin geheim und mit starken Lobbyeinfluss zwischen Regierungen verhandelt wird lässt wenig hoffen. Bereits am Telekom-Paket zeigt sich, wie gefährlich der Einfluss von Lobbyisten der Musik- und Filmindustrie für die bürgerlichen Freiheiten sein kann. Bei aller Spekulation um den möglichen Inhalt ist es meiner Meinung nach also zunächst am wichtigsten, dass die Öffentlichkeit nicht von den Verhandlungen ausgeschlossen wird und eine demokratische Debatte stattfinden kann.

Zwischenzeitlich ist übrigens ein Dokument bei Wikileaks erschienen. Das 48 Seiten starke PDF enthält mehrere ACTA-Entwürfe aus 2008, deren Struktur sich, soweit ich das überblicke, mit dem in der Zusammenfassung beschriebenen Aufbau deckt. Leider ist es ein gescanntes Dokument, dass sich somit nicht automatisch nach kritischen Schlüsselwörtern durchsuchen lässt. Wer etwas findet, darf dies gerne in den Kommentaren posten, ich kam noch nicht dazu mich näher damit zu befassen.

Disclaimer: Ich bin kein Jurist.

Fundstücke

In den letzten Wochen haben sich bei mir viele interessante Sachen angesammelt, über die ich aus Zeitgründen aber leider nicht bloggen konnte. Hier ein paar Fundstücke zum Thema Urheberrecht, freies Wissen und Kultur.

Raubmordterrorkopierer?

Die Filmindustrie versucht mit einer hanebüchenen Studie Urheberrechtsverletzungen in die Nähe von Terrorismus zu rücken:

The case studies provide compelling evidence of a broad, geographically dispersed, and continuing connection between film piracy and organized crime, as well as evidence that terrorist groups have used the proceeds of film piracy to finance their activities.

Raubkopien gibt es nicht

Dr. Franz Schmidbauer, Richter des Landesgerichtes Salzburg, bringt es auf den Punkt:

Auch der Begriff „Raubkopie“ ist eine Erfindung der Musikindustrie mit dem Ziel, ein allfälliges Vergehen der untersten strafrechtlichen Deliktsebene (wenn überhaupt) auf die Ebene eines Kapitalverbrechens (Raub) zu hieven. Ich weigere mich daher, im Zusammenhang mit unerlaubten Vervielfältigungen von „Raubkopien“ zu sprechen und fordere auch alle seriösen Juristen auf, sich nicht von der psychologischen Kriegsführung der Musikindustrie vereinnahmen zu lassen.

Neue Geschäftsmodelle

Marcel Weiss erklärt, „Wie Musiker in Zeiten des Internets Geld verdienen (können)“

Das Geschäftsmodell, dass auf einer Abrechnung pro Transaktion von Musikdatei zu Hörer basiert, ist langfristig nicht mit den vom Netz neu diktierten, ökonomischen Rahmenbedingungen zu vereinbaren. […]

Die Einnahmen für Musiker muss aus dem Verkauf von wertvollen, knappen Gütern kommen. Beispiele: Konzerte, Merchandising, exklusive Zugänge zum Musiker

Die einfachste Sache der Welt

Open Access ist nichts Neues, sondern die einfachste Sache der Welt, erklärt Dr. Sijbolt Noorda, Vorsitzender der Vereinigung der Universitäten der Niederlande in diesem Video (via Telemedicus):

Irrtum der Woche: Niemand kämpft für ein modernes Urheberrecht

howto-free-cultureKonrad Lischka, Autor bei Spiegel Online, behauptet in einem dortigen Artikel doch tatsächlich, dass niemand für die Modernisierung des Urheberrechts kämpfe.

Der wichtigste Online-Prozess des Jahres läuft, und die Web-Gemeinde wettert gegen das antiquierte Urheberrecht. Doch für eine Modernisierung kämpft niemand – es ist ja viel leichter, geltende Gesetze online zu ignorieren.

Da frage ich mich wirklich wo der Herr Lischka sich die letzten Monate und Jahre so herumgetrieben hat? Eine solche Behauptung ist ein Schlag ins Gesicht für Personen und Organisatoren, die sich tagtäglich mit dem Thema Urheberrecht beschäftigen. Was ist mit Organisationen wie Creative Commons, die schon heute Alternativen zum Urheberrecht aufzeigen? Oder den Aktivisten von „La Quadrature du Net“ und netzpolitk.org, die es immer wieder schaffen die Netzgemeinde wachzurütteln und erfolgreiche Kampagnen durchzuführen? Johannes Kreidler hat sich sogar künstlerisch mit dem Urheberrecht auseinandergesetzt! Selbst die Grünen haben mittlerweile erkannt, dass die Forderungen der Conentindustrie weder den Verbrauchern noch den Künstlern nützen. Die Piratenpartei befasst sich als Themenpartei sogar schwerpunktmäßig mit dem Urheberrecht. Der Jurist Till Kreutzer hat erst vor kurzem seine Dissertation zum Thema „Das Modell des deutschen Urheberrechts und Regelungsalternativen“ veröffentlicht.

Ist das alles wirklich an Herrn Lischka vorbei gegangen? Dabei habe ich noch nicht einmal alle Initiativen aufgezählt (was mir unmöglich erscheint) und von den zahlreichen Bloggern, die die Thematik in die öffentliche Debatte einzubringen versuchen habe ich auch noch nichts erwähnt. Die „seriöse“ Presse schweigt diese Standpunkte offenbar lieber tot, anstatt sich mit ihnen auseinander zu setzen. Stattdessen wird gegen die pösen Filesharer gewettert – das ist viel einfacher und durchzieht den gesamten Artikel. Ich werde den aber an dieser Stelle nicht mehr im Detail auseinandernehmen, das hat netzwertig schon sehr gut hinbekommen.

Bild: Scuddr / flickr.com

Irrtum der Woche: Ideen sind geistiges Eigentum

Der Fernsehsender RTL plant eine eigene Wettshow nach dem Vorbild „Wetten, dass…?“. Der ZDF-Unterhaltungschef Manfred Teubner echauffierte sich darüber kurz vor Weihnachten gegenüber der „Bild am Sonntag“:

Das ist Diebstahl geistigen Eigentums und wird im Zweifel von Juristen zu prüfen sein

Der Irrtum fängt schon bei dem Begriff „geistiges Eigentum“ an. Reden Sie Klartext Herr Teubner! Wo fühlen Sie sich in Ihren Rechten verletzt? Reden wir über Urheberrechte? Über Markenrechte? Patente?

Selbst wenn – keines dieser Schutzrechte schützt bloße Ideen! Ich bin zwar kein Jurist, aber ich wette trotzdem, dass Herr Teubner keine Ansprüche geltend machen kann. Top, die Wette gilt! Werde ich jetzt vom ZDF verklagt? 😉

Das Urheberrecht in der Netzgesellschaft

Im Rahmen eines Seminars an der Berufsakademie habe ich eine Einführung zum Thema Urheberrecht geschrieben. Der Text beleuchtet das Thema Urheberrecht insbesondere mit Blick auf unsere global vernetzte Gesellschaft. Zunächst wird erklärt, was das Urheberrecht ist und die geschichtliche Entwicklung wird kurz dargelegt. Anschließend erfolgt eine Beurteilung des Spannungsfelds zwischen der technischen, gesellschaftlichen und rechtlichen Entwicklung.

Der Text steht unter einer Creative Commons Namensnennung-Keine Bearbeitung 3.0 Deutschland Lizenz

Wir alle sind Urheber

In der global vernetzten Gesellschaft werden täglich Unmengen an Informationen ausgetauscht. Digitale Daten lassen sich fast ohne Aufwand und Kosten beliebig kopieren und verbreiten. Gleichzeitig bietet das Internet jedem Nutzer die Möglichkeit eigenen Inhalte zu produzieren und zu verbreiten. Die Grenzen zwischen Produzenten und Konsumenten verschwimmen. Dies führt dazu, dass täglich immer mehr Menschen mit dem Urheberrecht in Kontakt kommen – oftmals ohne es zu merken. Ein Grund sich näher mit dem Urheberrecht zu befassen.

Was ist das Urheberrecht?

„Das Urheberrecht schützt den Urheber eines Werkes der Literatur, Wissenschaft und KunstâEURoe [URHR08].

Das Urheberrecht ist also ein Schutzrecht. Doch wen schützt es, und wovor? Als Urheber gilt derjenige, der ein Werk erschafft, zum Beispiel der Autor eines Buches, der Komponist eines Musikstücks oder der Maler eines Bildes.

Was ist das Urheberrecht nicht?

Um zu verstehen, was das Urheberrecht ist, ist es zunächst sinnvoll zu bestimmen, was es nicht ist. Beim Urheberrecht handelt es sich nicht um âEUR?CopyrightâEURoe. Die Idee des Urheberrechts ist grundlegend verschieden vom Copyright-Gedanken. Das Copyright ist marktwirtschaftlich orientiert und schützt in erster Linie die finanziellen Interessen der Verleger. Der Urheber kann es vollständig an jemand anderen abtreten. Beim Urheberrecht ist das anders: Es verknüpft ein Werk untrennbar mit seinem Schöpfer und dessen Persönlichkeit. Lediglich Nutzungsrechte können an andere abgetreten werden. Das Urheberrecht ist hauptsächlich in Kontinentaleuropa vertreten, das Copyright in Amerika und England.

Nicht zu verwechseln mit dem Urheberrecht sind Leistungsschutzrechte. Diese schützen die sogenannten âEUR?ausübenden KünstlerâEURoe, zum Beispiel Sänger. Auch den Herstellern von Tonträgern kommen Leistungsschutzrechte zugute. Leistungsschutzrechte bieten in der Regel einen nicht ganz so umfassenden Schutz wie das Urheberrecht.

Gewerbliche Schutzrechte, wie Patente, Markenrechte oder Geschmacksmuster sind dem Urheberrecht zwar ähnlich, haben aber nicht direkt etwas mit ihm zu tun. Ein wichtiger Unterschied ist, dass das Urheberrecht auch die Kultur und die Persönlichkeit des Urheberrechts schützt, während die gewerblichen Schutzrechte rein wirtschaftlicher Natur sind.

Um eine sachliche Auseinandersetzung mit dem Urheberrecht zu ermöglichen müssen wir uns von dem Begriff des âEUR?geistigen EigentumsâEURoe trennen. Der Begriff wird rein politisch gebraucht und fasst oftmals gewerbliche Schutzrechte, Urheberrecht, Copyright und Leistungsschutzrechte pauschal zusammen. Zudem wird der Eindruck erweckt, dass die dinglichen Eigentumsrechte ohne weiteres auf geistige Schöpfungen anwendbar sind. Oftmals wird âEUR?geistiges EigentumâEURoe gesagt, wenn eigentlich Immaterialgüterrechte gemeint sind.

Ziele des Urheberrechts

Die Intention des Urheberrechts ist es die kulturelle Vielfalt zu fördern, indem es den Künstlern und Autoren Anreize bietet, Werke zu schaffen.

âEUR?Das Urheberrecht schützt den Urheber in seinen geistigen und persönlichen Beziehungen zum Werk und in der Nutzung des Werkes. Es dient zugleich der Sicherung einer angemessenen Vergütung für die Nutzung des Werkes.âEURoe §11 [UrhG]

Dadurch dass dem Urheber gewisse Rechte gewährt werden, wird er motiviert Werke zu erschaffen und zu veröffentlichen. Durch das Urheberrecht lohnt sich sie Mühe die er in ein Werk steckt. Dabei sichert das Urheberrecht nicht nur seine finanziellen, sondern auch die ideellen Interessen. Dazu zählen Entscheidungen über Art und Weise der Veröffentlichung (§12 [UrhG]), die persönliche Anerkennung der Urheberschaft (§13 [UrhG]) und der Schutz gegen Entstellungen seines Werkes (§14 [UrhG]), die sogenannten Urheberpersönlichkeitsrechte.

Dabei muss das Urheberrecht die Rechte der Urheber und die Bedürfnisse der Allgemeinheit ausbalancieren. Ein zu schwaches Urheberrecht bietet nicht genug Anreize Kunst und Kultur zu schaffen und führt somit im Extremfall dazu, dass niemand mehr bereit ist Zeit und Arbeit in die Produktion von Werken zu stecken.

Umgekehrt führt ein zu starkes Urheberrecht dazu, dass einmal geschaffene Werke dem Künstler ein sehr langes Einkommen sichern und somit ebenfalls der Anreiz zur Schaffung neuer Werke fehlt. Es kann auch passieren, dass die Rechte der Allgemeinheit soweit eingeschränkt werden, dass die Nutzung von Kulturgütern erschwert oder gar verhindert wird.

Bei beiden Beispielen handelt es sich um Extremfälle, aber sie sollen verdeutlichen wie wichtig es ist, beim Urheberrecht die richtige Balance zwischen den Rechten der Urheber und denen der Allgemeinheit herzustellen.

Geschichte

Entstehung des Urheberrechts

Mit der Erfindung des Buchdrucks entstanden die ersten Gesetze die sich mit dem Recht auf Kopieren befassten. In den Anfängen handelte es sich dabei aber eher um Druckerprivilegien, die die Drucker vor unliebsamer Konkurrenz schützten. Erst mit dem âEUR?Statute of AnneâEURoe wurde 1709 in England den Autoren selbst das Kopierrecht zugesprochen und das öffentliche Interesse als Ziel betont. Frankreich ergänzte die Idee einige Jahrzehnte später um die Persönlichkeitsrechte und prägte damit die Entwicklung des Urheberrechts in Kontinentaleuropa.

Das moderne Urheberrecht

Im 20. Jahrhundert beschleunigte sich die Entwicklung des Urheberrechts, Interessenbünde wurden geschlossen und die internationale Entwicklung vorangetrieben. Grund dafür war zum einen, dass immer mehr Menschen mit kreativer Arbeit ihren Lebensunterhalt bestritten, zum anderen, dass die technische Entwicklung immer neue Formen von Schöpfungen und Kopien möglich machte. Zum Beispiel ermöglichte die Herstellung von Tonbandgeräten erstmals Privatleuten selbst Musik aufzunehmen, zu kopieren und leicht zu verbreiten. In Folge dessen wurden Pauschalabgaben der Gerätehersteller eingeführt und Verwertungsgesellschaften eingerichtet um diese Abgaben zu verteilen. Dem Verbraucher wurde das Recht eingeräumt, Kopien für private Zwecke herzustellen.

Gegenwärtige Situation und Entwicklung

Neben dieser Privatkopie, gewährt das moderne Urheberrecht dem Verbraucher weitere sogenannte âEUR?SchrankenbestimmungenâEURoe, die die Rechte des Urhebers zugunsten der Allgemeinheit beschränken. Dazu zählt unter anderem das Recht zu zitieren, Vervielfältigungen zugunsten behinderter Menschen, sowie die Nutzung in Forschung und Lehre. Die Schrankenbestimmungen sind im Teil 1 Abschnitt 6 UrhG geregelt.

In der neueren Entwicklung des Urheberrechts ist zu beobachten, dass sowohl die Schutzdauer, als auch die Schrankenbestimmungen zugunsten der Rechteverwerter geändert wurden. Die Schrankenbestimmungen werden immer weiter abgebaut und die Schutzdauer verlängert. Derzeit sind Werke bis 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers geschützt. Mit dem 2003 in Kraft getretenen âEUR?Ersten KorbâEURoe des Urheberrechts wurde das Recht auf Privatkopie stark beeinträchtigt. Zwar gilt die Schrankenbestimmung weiterhin, aber es ist nun verboten âEUR?wirksame KopierschutzmaßnahmenâEURoe zu umgehen. Ein kopiergeschütztes Werk darf also de-facto auch nicht mehr zu privaten Zwecken kopiert werden. Der Anfang 2008 in Kraft getretene âEUR?Zweite KorbâEURoe gestattet die Einräumung von Rechten für âEUR?unbekannte NutzungsartenâEURoe und schwächt so die Position der Künstler zu Gunsten der Rechteverwerter. Außerdem wurden weitere Schrankenbestimmungen ausgehöhlt. Einen detaillierten Überblick über die Änderungen bietet der Linkkommentar Urheberrecht [LKU08].

Diese Entwicklung steht den tatsächlichen Gegebenheiten im Internet und der vernetzten Gesellschaft zunehmend entgegen. Internetradios sind ein gutes Beispiel für das Missverhältnis zwischen den technischen Möglichkeiten und der rechtlichen Situation: Durch die globale Vernetzung ist es selbst mit geringem technischem Sachverstand möglich Musik über das Internet aus zu strahlen. Während die technischen Möglichkeiten der kulturellen Vielfalt und der Partizipation jedes einzelnen ungeheure Chancen für unsere Gesellschaft bieten, werden die tatsächlichen Möglichkeiten durch unzeitgemäße Rechtsvorschriften drastisch eingeschränkt. Zum einen bedeuten die Abgaben an die GEMA für Mehrzahl der kleinen, meist nicht-kommerziell arbeitenden Webradios das finanzielle Aus. Ein noch größeres Problem stellen jedoch die Sendebedingungen der GVL dar: Betreiber von Internetradios müssen der GVL unter anderem mitteilen, wie lange ihr Programm gedauert hat, was genau gespielt wurde und wie viele Menschen an welchen Tagen zugehört haben. Zudem muss die Hörerzahl nach Ländern aufgeschlüsselt, oder die Ausstrahlung technisch auf Deutschland beschränkt werden. Weiterhin stellt die GVL detaillierte Anforderung an Art, Umfang und Reihenfolge der gespielten Titel und fordert, dass Maßnahmen unternommen werden, die eine Aufnahme durch den Hörer unterbinden. Diese Bedingungen sind für die meisten Hobby-Webcaster nicht zu erfüllen – sie stellen entweder den Betrieb ein, oder begeben sich auf rechtlich wackeligen Boden.

Auch die Verwendung von Fotos und Straßenkarten wird im Internet oft unmerklich zum Problem. Vielen Nutzern sind die Konsequenzen gar nicht bewusst, wenn sie Inhalte von fremden Webseiten kopieren und in eigene Angebote einbinden. Dabei spielt es keine Rolle, ob das eigene Angebot nur eine private Homepage ist – allein die Veröffentlichung zählt als Urheberrechtsverletzung und kann teure Abmahnungen zur Folge haben.

Anstatt den Umgang mit urheberrechtlich geschütztem Material im privaten, nicht-kommerziellen Bereich, liberal zu gestalten, werden selbst kleinste Urheberrechtsverletzungen durch die Rechteverwerter verfolgt und abgemahnt. Die Verwendung von freien Lizenzen wie Creative-Commons kann Abhilfe schaffen, löst jedoch nicht das generelle Problem, dass Wesensmerkmale der kulturellen Entwicklung in der Netzgesellschaft – Kopieren, Remixen und Verknüpfen von Daten – kriminalisiert werden.

Lobbyisten der Verwertungsindustrie verlangen nach Kontrolle, Überwachung und Zensur des Internets anstatt an die neue Entwicklung angepasste Geschäftsmodelle zu entwickeln.

Zusammenfassung und Ausblick

Die Interessen der Urheber müssen gewahrt werden um Anreize für die kulturelle Entwicklung zu bieten. Dabei muss das Urheberrecht einen fairen Ausgleich zwischen den Rechten der Urheber und der Allgemeinheit ermöglichen. Diesen Ausgleich in der global vernetzen Gesellschaft zu finden, ist eine Herausforderung. Um sie zu meistern müssen wir die Chancen erkennen und nutzen, die sich aus ihr ergeben. Das Recht muss der Gesellschaft angepasst werden – nicht umgekehrt. Leider geht die Tendenz derzeit in eine andere Richtung: Auf internationaler Ebene wird das ACTA-Abkommen geheim unter Ausschluss der Öffentlichkeit verhandelt – Lobbyisten der Rechteverwerter werden angehört, während Verbraucher und Künstler außen vor bleiben.

Literatur

[URHR08] H.-P. Hillig (Hrsg.): Urheber- und Verlagsrecht, 11. Auflage. Köln: DTV 2008

[UrhG] Gesetz über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte

[LKU08] Linkkommentar Urheberrecht http://www.urheberrecht.de/index.html?/urhg/urhg.htm Stand 23.11.2008

[DGK08] Djordjevic, V., Gehring, R. A., Grassmuck, V., Kreutzer, T., Spielkamp, M. (Hrsg.): Urheberrecht im Alltag; Kopieren, bearbeiten, selber machen, 1. Auflage. Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung 2008