Der Pirat aus der SPD

Eigentlich wollte ich mich gestern in Karlsruhe nur mit einem interessierten Neupiraten treffen, doch plötzlich lief uns Jörg Tauss (SPD), Mitglied des Bundestags, über den Weg.

Erfreulicherweise hatte er kurz Zeit und setzte sich zu uns . Er schien sogar ganz froh mal ein paar Piraten persönlich kennen zu lernen. „Natürlich“ hatte er schon von uns gehört. Wir sprachen über die aktuelle Zensurdebatte, die diesbezügliche Petition, über Online-Durchsuchung und Vorratsdatenspeicherung.

Überschneidungen seiner Ansichten mit denen der Piratenpartei sind nicht von der Hand zu weisen. Seine Ämter in der SPD hatte er nach der KiPo-Affäre aufgegeben und auch für den Bundestag kandidiert er dieses Mal nicht. Trotzdem sei er „seiner SPD“ weiterhin treu . Wenn ich ihn richtig verstanden habe geht es ihm dabei auch darum, dass die kritischen Stimmen nicht ganz aus dieser Partei verschwinden. Kann ich irgendwie nachvollziehen, ich habe aber die Hoffnung bei der SPD schon aufgegeben…

Zu seiner KiPo-Affäre gestand er ein, in weiten Teilen „blauäugig“ gehandelt zu haben. Er gibt auch bekanntlich zu, dass er Kontakte in diese Kreise gehabt hat, jedoch um die Vorgehensweise der Szene zu verstehen. Er sei natürlich kein Pädophiler. Seine Familie und Freunde stehen zum Glück hinter ihm, und auch die Nachbarschaft tratsche trotz Hausdurchsuchung nicht und pflegt weiterhin guten Kontakt zu ihm.

Überrascht war ich, dass er damals der Vorratsdatenspeicherung zugestimmt hat. Das war mir nicht bewusst und hätte ich auch nicht gedacht. Er begründet es damit, dass er selbst an den Verhandlungen mit den politischen Gegnern beteiligt war und und in stundenlangen Diskussionen einen „Kompromiss“ auf 6 Monate ausgehandelt habe. Alles was weiter als die EU-Richtlinie gehe, kam für ihn nicht in Frage. „Nur über meine Leiche“, habe er damals gesagt. Wenn man aber nun nach solch langwierigen Verhandlungen den selbst ausgehandelten Kompromiss ablehne, würde man sich zum Narren machen, sagt Tauss.

In meinen Augen hätte man dann nie einen solch (faulen!) Kompromiss aushandeln dürfen. Einem Gesetzesvorhaben welches so offensichtlich unverhältnismäßig und grundrechtswidrig ist, darf man einfach nicht zustimmen und sei es 20x EU-Richtlinie. Offenbar lehnt er die VDS aber trotzdem ab und hofft auf einen Stopp durch das Bundesverfassungsgericht. Er hat ganz klar gegen das BKA-Gesetz gestimmt und auch das Zensurgesetz wird er ablehnen.

Mal gespannt, vielleicht tritt er doch noch irgendwann in die Piratenpartei ein. 🙂 Es war auf jeden Fall ein tolles Gespräch mit ihm und ich bin immer noch über dieses zufällige Treffen überrascht. Wie klein die Welt doch manchmal ist!

Hilf mit das BKA-Gesetz zu kippen

Es sieht so aus, als müsste ich meine Einschätzung schon korrigieren und das BKA-Gesetz wird nicht vom Bundesverfassungsgericht gekippt. Derzeit bahnt sich an, dass es bereits im Bundesrat scheitert. Alle Bundesländer in denen die Linke, die Grünen oder die FDP mit in der Regierung sitzt haben werden sich enthalten, da die Koalitionen keinen gemeinsamen Nenner finden. Damit entsteht eine hauchdünne Mehrheit von 35 zu 34 Stimmen für das BKA-Gesetz. Mittlerweile hat sich aber auch die SPD in Sachsen und Schleswig-Holstein, die in diesen Ländern in einer großen Koalition mit der CDU regiert, aber ebenfalls quer gestellt. Das wäre ein schneller Tod für Schäubles Lieblingskind. Auf die dünne Mehrheit sollten wir uns aber nicht verlassen. Mit ein bisschen Lobbyarbeit lässt sich die SPD vielleicht auch in anderen Ländern überzeugen. Insbesondere Rheinland-Pfalz, wo die SPD alleine regiert, zählt zu den noch unentschlossenen Ländern. Der SPD-Fraktionschef Rheinland-Pfalz hat sich bereits kritisch gegenüber der Online-Durchsuchung geäußert. Jetzt gilt es die Regierung zu überzeugen im Bundesrat gegen das Gesetz zu stimmen, oder sich wenigstens zu enthalten (was de-facto das gleiche ist). Im Wiki des AK-Vorrat werden Anschreiben vorbereitet die du verwenden kannst um die Mitglieder der Landesregierungen anzuschreiben. Noch mehr kann ein persönlicher Anruf bewirken. Dabei gilt wie immer: Freundlich bleiben und sachlich argumentieren.

Update: Das ging ja schneller als ich dachte. Tagesschau.de berichtet:

Nach Sachsen und Schleswig-Holstein regt sich jetzt in Sachsen-Anhalt, Rheinland-Pfalz und Berlin Widerstand.

Schäuble ist richtig motzig:

Wenn die Länder das BKA-Gesetz jetzt verhindern, dann bleiben sie eben für die Abwehr der Gefahren aus dem internationalen Terrorismus verantwortlich.

Noch trotziger, beinahe kindisch, reagierte aber Hans-Peter Uhl:

Die Bundes-SPD hat sich nichts zuschulden kommen lassen. Unsere Gesprächspartner waren ja nicht irgendwelche Wichtigtuer aus Sachsen, sondern Profis.

Das „Best of“ seiner Aussagen zum Thema gibts bei netzpolitik.org

Der Anfang vom Ende des BKA-Gesetzes

Disclosure: Ich bin Mitglied der Piratenpartei

Ich behaupte jetzt einfach mal, dass sich das BKA-Gesetz in die Lange Liste der vom Bundesverfassungsgericht gekippten Überwachungsgesetze einreihen wird. Bereits kurz nachdem der Bundestag das Gesetz heute mit 375 Ja zu 168 Nein Stimmen verabschiedet hat, kündigte die Bürgerrechtlerin Twister Verfassungsbeschwerde an:

Wir sind zuversicherlich, dass auch hier das Bundesverfassungsgericht den immer stärker werdenden Überwachungs- und Kontrollbegierden der Regierung sowie der Behörden einen Riegel vorschieben wird. Das BKA-Gesetz stellt einen schweren Einschnitt in die Freiheit innerhalb Deutschlands dar, für die es sich (nicht nur juristisch) zu kämpfen lohnt.

Die Piratenpartei hat ihr sogleich Unterstützung zugesagt:

Die Piratenpartei sieht das BKA-Gesetz als einen schweren Angriff auf die Freiheit an und begrüßt daher die Ankündigung des Parteimitglieds Bettina Winsemann alias „Twister“, Verfassungsbeschwerde gegen das Gesetz einzulegen. […] Neben der Unterstützung der Verfassungsbeschwerde ruft die Piratenpartei auch weiterhin die Bevölkerung auf, sich von der Angst vor dem Terrorismus zu lösen und aktiv für mehr Freiheit und die Bewahrung der Bürgerrechte zu engagieren. Bürger und Staat müssen besonnen auf Bedrohungen reagieren und nicht in Hysterie und Panik den Blick für das Wesentliche verlieren.

Ich glaube zwar nicht, dass das Gesetz vollständig gekippt wird, aber die besonders kritischen Teile werden wohl rausfliegen. Die Online-Durchsuchung musste das BVerfG ja schonmal entsorgen, mal gespannt was die Richter zu den stark erweiterten exekutiven und präventiven Befugnissen sagen.

Wie sehen Atomkraftgegner aus?

Nichts Böses ahnend – und vor allem: nichts Böses vorhabend – bin ich heute Mittag aus dem Haus gegangen. Aber wer etwas böses vorhat und wer nicht, das beurteilt in diesem Land jemand anderes.

Eigentlich wollte ich nur einkaufen gehen, doch die Polizei hielt mich für verdächtig. Ich wunderte mich schon über das hohe Polizeiaufgebot; plötzlich fuhr ein Wagen an mir vorbei und hielt etwas vor mir mit Warnblinklicht. Als ich mich näherte stiegen zwei Beamte aus und wollten meinen Ausweis sehen: Allgemeine Personenkontrolle.

Einen Anlass gäbe es nicht, es sei auch nichts besonderes passiert, so einer der Beamten auf Nachfrage. Besonders dreist fand ich die Frage, was ich denn hier mache? Muss man sich jetzt schon rechtfertigen, wenn man einkaufen geht? Dann wollte man auch noch meinen Rucksack durchsuchen! Ich bin mir nicht sicher, ob das so ohne weiteres rechtens ist. Deshalb lies ich mir nochmal den Ausweis zeigen und fragte nach der Rechtsgrundlage. Einer der Beamten kommentierte das mit „Da haben wir ja genau den Richtigen!“.

Die Rechtsgrundlage nannte man mir nicht, versicherte jedoch, dass sie dazu befugt sind. Nützt ja auch nichts, sich dann mit denen anzulegen, zumal ich mir über die genaue Rechtslage im Unklaren war. Die „Durchsuchung“ war ein Witz, nur das hintere Fach wurde kontrolliert, vorne hätte ich Drogen, Waffen und Sprengstoff drinhaben können… Erst danach klärte man mich auf, dass heute ein Castortransport stattfindet und deshalb Kontrollen durchgeführt werden.

Ok, und warum gerade ich und nicht die 10 anderen Personen, die noch dort her liefen? Ich sähe halt aus wie ein typischer Atomkraftgegner! Atomkraftgegner zu sein ist in diesem Land übrigens (noch?) keine Straftat und auch demonstrieren sei legal, versicherte mir der Beamte. Solange es denn beim friedlichen demonstrieren bliebe. Zur Erinnerung: Ich wollte weder friedlich noch feindlich demonstieren, ich wollte einfach nur einkaufen! Nur gut, dass ich nicht aussehe wie ein Araber, sonst wäre ich wohl gleich überrumpelt worden. Meine Daten wurden mal vorsorglich erfasst. Sie würden aber nach dem Einsatz gelöscht werden. Schriftlich versichern wollte man mir das nicht (Ob ich denn nicht dem Wort eines Polizeibeamten traue!?). Ich solle mich einfach an die Polizeibehörde wenden.

Was sie sich genau erhofft haben zu finden, weiß ich leider auch nicht. Wäre es problematisch gewesen, wenn ich Ketten im Rucksack gehabt hätte? Oder hätte es schon gereicht, wenn meine Pfandflaschen nicht aus Plastik, sondern aus gemeingefährlichem Glas wären? Ich weiß es nicht.

Das rheinland-pfälzische Polizeigesetz habe ich mir derweil mal näher angesehen und es gibt tatsächlich eine Grundlage für die Durchsuchung von Personen und Dingen. Da der Castortransport prinzipiell ein gefährdetes Objekt ist und ich mich auch noch in der Nähe der Gleise aufhielt (die Hauptstraße läuft nun mal parallel zur Bahnstrecke…) ist es möglich sich dort aufhaltende Personen zu durchsuchen. Es beunruhigt mich nun noch mehr, wenn das BKA nächste Woche ebenfalls diese Rechte bekommt.

Neues zu Vorratsdaten und Online-Durchsuchung

Zum Thema Überwachung gibt es eine gute und eine schlechte Nachricht. Die schlechte zuerst: Die Bundesregierung hat sich gestern auf einen Entwurf des neuen BKA-Gesetzes geeinigt. Der Entwurf beinhaltet weitreichende Befugnisse für das BKA, die kaum einer Kontrolle unterliegen. Die lange Liste der Probleme gibt es auf daten-speicherung.de.

Besonders brisant sind weiterhin die heimlichen Online-Durchsuchungen. Schon die Tatsache, dass diese heimlich erfolgen widerstrebt dem rechtsstaatlichen Gedanken. Problematisch ist insbesondere, dass sich das BKA selbst kontrolliert. Statt einem Richter werden die ermittelten Daten von zwei Kriminalbeamten begutachtet. Zwar konnte die SPD durchsetzen, dass außerdem noch der Datenschutzbeauftragte der Behörde mit draufschaut, aber das erscheint mir als Augenwischerei und wird kaum dazu reichen, Missbrauch zu verhindern.

Leider ist die Gefahr-im-Verzug-Regelung immer noch mit drin. Dadurch kann im „Eilfall“ die richterliche Genehmigung vorerst ausbleiben. Warum es bei einer technisch angeblich so lange vorbereiteten Maßnahme eine Regelung für den Eilfall bedarf ist mir schleierhaft. BKA-Chef Ziercke brachte diesen Widerspruch auf den Punkt, als er darauf hinwies, dass jede Online-Durchsuchung ein „sorgfältig programmiertes Unikat“ sei, während er gleichzeitig die Wichtigkeit der Eilbefugnis betonte.

Die neu hinzugekommene Befristung bis 2020 kann ich nur als schlechten Scherz betrachten. Wenn sich die Online-Durchsuchung jetzt durchsetzt, wird keine Frist mehr einen zukünftigen Einsatz verhindern, insbesondere wenn diese so weit in der Zukunft liegt. Bleibt zu hoffen, dass die Online-Durchsuchung abermals vom Bundesverfassungsgericht gekippt wird. Nach der Entscheidung zu der Regelung in NRW habe ich daran kaum Zweifel.

Auch die heutige Entscheidung zur Vorratsdatenspeicherung lässt hoffen: Die Verfassungsrichter haben die Maßnahme weiter eingeschränkt. Die Entscheidung vom März wurde bereits im September um 6 Monate verlängert. Zwischenzeitlich gab es jedoch Änderungen im bayerischen Polizei- und Verfassungsschutzrecht, die den Geheimdiensten Zugriff auf die Vorratsdaten gestatten. Der neue Entscheid des Bundesverfassungsgerichts schiebt dem nun einen Riegel vor. Gleichzeitig wurde die Beschränkung um 6 Monate verlängert.

Update: Der von der großen Koalition beschlossene Kompromiss zum BKA-Gesetz liegt netzpolitik.org vor.