Irrtum der Woche: Kopieren darf man nicht!

privatkopieUnd wieder einmal trifft es Justizministerin Brigitte Zypries in der Kategorie „Irrtum der Woche“. Die gute Frau hat auch schon die Unschuldsvermutung auf den Kopf gestellt und wurde trotz immer wieder offen zur Schau gestellter Unkenntnis in Sachen Netzpolitik zur Internetministerin des Jahres gekürt. Ihr neuester Streich: Leugnung der Privatkopie.

Gegenüber der Welt behauptete sie nun:

Schon in meiner Jugend war das Mitschneiden von Musik aus dem Radio üblich, damals auf Tonbändern oder Kassetten. Es gibt also eine gewisse Tradition zu glauben: Man darf das. Ähnlich ist es beim Kopieren von Büchern. Es ist weder der Industrie noch der Politik gänzlich geglückt, die Botschaft zu vermitteln: Man darf das eben nicht.

Damit macht sie sich die Propaganda der Rechteindustrie zu eigen, die die Privatkopie am liebsten abschaffen würde. Von einer Ministerin erwarte ich jedoch, dass sie die Rechtslage kennt und diese sachlich kommuniziert. Der Nachsatz den sie bringt ist unzureichend:

Jedenfalls nicht, wenn man es nicht nur für sich privat kopiert.

Schon komisch: Erst in klaren Worten das sachlich falsche „Man darf das eben nicht“, dann eine kompliziert mit doppelter Verneinung ausgedrückte Relativierung. Ich werde den Eindruck nicht los, dass sie hier bewusst Tatsachen verdrehen wollte. Hinzu kommt, dass es neben der Privatkopie noch viele weitere sogenannte Schrankenbestimmungen im Urheberrecht gibt, die das Kopieren erlauben. Ein pauschales „Man darf das eben nicht“ ist schlichtweg falsch.

Tipp am Rande: Die Seite iRights.info bietet viele Informationen darüber, was in Sachen Urheberrecht erlaubt ist und was nicht. Von dort stammt auch das obige Bild (Lizenz: CC-BY-ND)

13 Gedanken zu „Irrtum der Woche: Kopieren darf man nicht!“

  1. Strenggenommen hat Zypries Recht, wenn sie sagt, dass Kopien grundsätzlich erstmal verboten sind. Ich kopiere mal die entscheidende Passage aus der Wikipedia:

    „Gemäß Â§ 15 UrhG steht allein dem Urheber das Recht zu, sein Werk zu verwerten. Dazu zählt auch die Vervielfältigung. Eine der vielen Einschränkungen des § 15 UrhG ist die „Privatkopie“ aus § 53 UrhG.“

    Ergo: Das Verbot ist die Regel, die Privatkopie eine Einschränkung dieser und somit die Ausnahme. Soweit auch Zypries.

  2. Rein stilistisch hat Frau Zypries in ihrem letzten Satz eine Litotes angewandt. Doppelte Verneinung erzeugt Verstärkung eines Ausdrucks. Man könnte ihr nun wohlwollend unterstellen, sie habe hervorheben wollen, dass die für sich persönlich erstellte Privatkopie sehr wohl legal ist. Vielleicht hat auch nur ihr Unterbewusstsein das hervorheben wollen.
    Dass sie die Rechtslage nicht kennt, wage ich dennoch zu bezweifeln, auch wenn ich grad kaum einem Politiker mehr trauen mag.

  3. Ich muss gerade gestehen, dass ich etwas verunsichert bin. Ich war auch immer der Meinung, dass ein Mitschnitt aus dem Radio zur privaten Nutzung erlaubt sei. Daher hielt auch ich dieses Interview von Frau Zypris für einen Schmarrn.
    Nun habe ich mir doch noch mal die Arbeit gemacht und habe im UrhG nachgesehen. In §53 (1) ist diese Ausnahmeregel definiert und es steht geschrieben: „Zulässig sind einzelne Vervielfältigungen eines Werkes durch eine natürliche Person zum privaten Gebrauch auf beliebigen Trägern, sofern sie weder unmittelbar noch mittelbar Erwerbszwecken dienen, soweit nicht zur Vervielfältigung eine offensichtlich rechtswidrig hergestellte oder öffentlich zugänglich gemachte Vorlage verwendet wird.“
    Stutzig macht mit hierbei der Worlaut: „öffentlich zugänglich gemachte Vorlage“. Ist eine Radiosendung nun eine öffentlich zugänglich gemachte Vorlage oder nicht?
    Ich bin zurzeit verunsichert was nun stimmt. Ich weiß auch nicht, ob dieser Zusatz neu ist oder schon immer enthalten war bzw. wann er hinzugefügt wurde.

  4. Grundsätzlich scheint es in weiten Teilen der Gesellschaft – vor allem in politischen und wirtschaftlichen Kreisen – ein Verständnisproblem betreffs der Definition von „Raubkopieren“ zu geben: „Raubkopierer“ sind solche Leute, die Werke, an denen sie nicht die Verwertungsrechte haben, kopieren und weiterverkaufen. Verkaufen!
    Dies ist im allgemeinen nicht der Fall bei der „Zielgruppe“ – nämlich den Konsumenten – auf die diverse Umerziehungs- und Einschüchterungsversuche sowie „lustige“ Werbespots seitens der „Industrie“ abzielen.
    Wenn überhaupt, dann müsste dies „Internet-Robin-Hood-Tum“ genannt werden 🙂

  5. Leute, Leute, habt doch mal etwas Nachsicht gegenüber unseren Politikern. Dauern hält denen jemand ein Mikro unter die Nase, da kann man nicht immer die perfekte Formulierung erwarten. Der Nachsatz stellt die Sache doch klar. Hierbei von Vorsatz zu sprechen, halte ich für eine rein Unterstellung.

  6. OK. Und wo „irrt“ sie sich jetzt? Werden „komplizierte“ Nachsätze jetzt als nicht existent gewertet, die Aussage somit auseinander gerissen und dann als „pauschal“ hingestellt? Super Diskussionskultur 🙂

    1. @ramses101 „Nicht existent“ habe ich nicht gesagt. Ich habe lediglich die Art und Weise kritisiert. Das Urheberrecht ist deutlich komplizierter als Frau Zypries es hier darstellt, es gibt ja noch weitere Schranken als die Privatkopie. Und ja, in der Kategorie „Irrtum der Woche“ gehe ich besonders hart ins Gericht, manchmal muss auch ein bisschen Polemik sein 😉

  7. „Nicht existent“ hast Du nicht gesagt, aber impliziert – denn mit dem Nachsatz hat ihre Aussage doch wieder Gehalt. Härte beim Irrtum der Woche – schön und gut. Aber Passagen einfach auszuklammern um eine Aussage zum Irrtum zu machen, hat nix mit harter Argumentation zu tun. Und dass sie in einem Statement alle Schranken aufzählt, ist keine „harte“ Forderung, sondern eine pingelige.

  8. @ramses101: Entscheidend ist doch, was bei den Leuten hängen bleibt, wenn sie das hören oder lesen. Und das ist eben nicht „Hey, Privatkopien sind ok“, sondern „Man darf das eben nicht“

  9. Pingback: Feder & Herd
  10. Wenn man eine Aussage falsch verstehen will, dann schafft man das auch. Daraus aber abzuleiten, der Urheber der Aussage habe sich geirrt, ist geradezu absurd.

  11. Da sagt die Dame was richtiges und hier wird trotzdem versucht auch das noch irgendwie rumzudrehen, erst unvollständig und zerstückelt zu zitieren um dann am Ende zuzugeben: Ja, eigentlich ist es tatsächlich so wie Frau Zypries sagte.

    Das Gesetz hat übrigens dieselbe verneinungsstruktur: Nicht erlaubt. Außer blabla. Aber außer in blabla ist blubblub.

    Überleg dir einfach mal deine Version der Lieblingsformulierung: „Es ist weder der Industrie noch der Politik gänzlich geglückt, die Botschaft zu vermitteln: Man darf das! Jedenfalls nur, wenn es eine private Kopie ist. Und auch nur, wenn man ${a_lot_of_other_restrictions}.

    Alles in allem: Schwacher Artikel, der nur auf Anti-Zypries-Sympathiebonus setzt.

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