Irrtum der Woche: Kopieren darf man nicht!

privatkopieUnd wieder einmal trifft es Justizministerin Brigitte Zypries in der Kategorie „Irrtum der Woche“. Die gute Frau hat auch schon die Unschuldsvermutung auf den Kopf gestellt und wurde trotz immer wieder offen zur Schau gestellter Unkenntnis in Sachen Netzpolitik zur Internetministerin des Jahres gekürt. Ihr neuester Streich: Leugnung der Privatkopie.

Gegenüber der Welt behauptete sie nun:

Schon in meiner Jugend war das Mitschneiden von Musik aus dem Radio üblich, damals auf Tonbändern oder Kassetten. Es gibt also eine gewisse Tradition zu glauben: Man darf das. Ähnlich ist es beim Kopieren von Büchern. Es ist weder der Industrie noch der Politik gänzlich geglückt, die Botschaft zu vermitteln: Man darf das eben nicht.

Damit macht sie sich die Propaganda der Rechteindustrie zu eigen, die die Privatkopie am liebsten abschaffen würde. Von einer Ministerin erwarte ich jedoch, dass sie die Rechtslage kennt und diese sachlich kommuniziert. Der Nachsatz den sie bringt ist unzureichend:

Jedenfalls nicht, wenn man es nicht nur für sich privat kopiert.

Schon komisch: Erst in klaren Worten das sachlich falsche „Man darf das eben nicht“, dann eine kompliziert mit doppelter Verneinung ausgedrückte Relativierung. Ich werde den Eindruck nicht los, dass sie hier bewusst Tatsachen verdrehen wollte. Hinzu kommt, dass es neben der Privatkopie noch viele weitere sogenannte Schrankenbestimmungen im Urheberrecht gibt, die das Kopieren erlauben. Ein pauschales „Man darf das eben nicht“ ist schlichtweg falsch.

Tipp am Rande: Die Seite iRights.info bietet viele Informationen darüber, was in Sachen Urheberrecht erlaubt ist und was nicht. Von dort stammt auch das obige Bild (Lizenz: CC-BY-ND)

Irrtum der Woche: Das Medium ist verantwortlich für die Inhalte

Kennt ihr eigentlich die Geschichte von König Kunibert? Kunibert war ein sehr dummer König. Als ein Bote von einer entscheidenen Schlacht zurückkehrte und berichtete, dass sein Heer vom Feind blutig niedergeschlagen wurde, da ließ der König den Boten hinrichten. Jedes Kind versteht, dass der Bote doch für die schlechte Nachricht gar nichts kann, sondern nur seinen Dienst verrichtet.

Bei vielen Politikern scheint jedoch das Hirn auszusetzen, wenn es um digitale Dienste geht: Die Bundesregierung postulierte diese Woche, dass das „Web 2.0“ hohe Bedeutung für islamistische Propaganda habe. Ob dies für sich genommen schon ein Irrtum ist, kann ich nicht beurteilen. Ich bin aber bisher auf noch keine islamistische Propaganda in Social Networks gestoßen.

Die Regierung impliziert jedoch mit dieser Aussage, dass die „Web 2.0“-Dienste selbst das Problem sind – nicht etwa die darüber kommunizierten Inhalte. Wie der Bote, erbringen die Dienste nur ihren Dienst (deswegen heißen die auch so 😉 ) Diese Dienste können rein gar nichts dafür, wenn sie auch für unwillkommene Inhalte verwendet werden. Es ist eine völlig krude Vorstellung, diese nun deswegen zu verteufeln.

Scheinargumente, Verharmlosung, Verdrehung

Schäubles Kritiker werden gewonheitsmäßig mit dem Kopf schütteln, wenn sie ein Interview lesen, wie das kürzlich bei taz erschienene. Es ist beeindruckend, aber auch beängstigend wie sich der Innenminister immer wieder aus einer sachlichen Diskussion um Bürgerrechte und Datenschutz herauswindet und gleichzeitig seine Gegner als naiv darstellt.

In einem zweiteiligen Telepolis-Artikel erörtert Michael Lohmann wie Wolfgang Schäuble gezielt mit Scheinargumenten arbeitet und seine wahren Absichten rhetorisch verschleiert.

Im ersten Teil geht Lohmann darauf ein, wie Schäuble das Thema Bürgerrechte geschickt umschifft und entlarvt dessen falsches Verständnis von Datenschutz. Er legt dar, wie der Innenminister die Frage nach dem Datenschutz auf eine Frage nach der Handlungsfähigkeit des Staates zurückstutzt und sein eigentliches Ziel, den Handlungsspielraum der Polizei zu erweitern, geschickt kaschiert.

Für die öffentliche Debatte folgert Lohmann daraus

dass der Innenminister bei diesem Thema gestellt werden muss, indem seine Scheinargumente offen dekonstruiert werden. Schäuble muss gezwungen werden, seine Lippenbekenntnisse bezüglich der Bürgerrechte aufzugeben und die Diskussion anhand konkreter Fälle und auf der Basis klarer Bestimmungen von Bürgerrechten zu führen

Im zweiten Teil seiner ausführlichen Analyse erklärt Lohmann, wie Schäuble staatliche Überwachung verharmlost indem er wichtige Fakten und Zusammenhänge auslässt. Er legt dar, wie Schäuble konkrete Gefährdungen des Lebens und der Gesundheit mit der Gefährdung des Grundrechts auf körperliche Unversehrtheit vermischt und welche rhetorischen Tricks er dabei anwendet um von den tatsächlichen Grundrechtsgefährdungen abzulenken.

Abschließend befasst er sich mit dem Nutzen der Kritik an Schäuble.

Fazit: Absolut lesenswert.

Hier nochmal die Links:
Teil 1: Wie der Bundesinnenminister das Thema Bürgerrechte umgeht und was ihn wirklich interessiert
Teil 2: Wie der Bundesinnenminister mit fingierten Zusammenhängen Propaganda macht