Wie Politiker Fragen (nicht) beantworten

fragenDie „Fragerunde“ bei der Rede von Wolfgang Schäuble, die ich vor kurzem besucht habe, war wieder ein Musterbeispiel dafür, wie Politiker es schaffen Fragen nicht zu beantworten. Ich habe sowas jetzt schon des öfteren erlebt und kann nur immer wieder mit dem Kopf schütteln.

Zunächst einmal werden die Fragen nicht direkt beantwortet, sondern es wird ersteinmal „gesammelt“, wie es so schön heißt. Das gibt dem Politiker Möglichkeit sich in aller Ruhe seine Antworten zurechtzulegen. Wenn mehrere Politiker im Spiel sind, gibt ihnen das auch eine prima Gelegenheit sich abzusprechen.

Bei Schäuble durften sage und schreibe drei (3!) Fragen gestellt werden. Für mehr war „leider“ keine Zeit. Als ob vorher niemand wusste wieviel Zeit insgesamt zur Verfügung steht… Nein, da wünsche ich mir zukünftig eine andere Planung: Die Kommunikation mit dem Bürger ist in meinen Augen das wichtigste an solchen Veranstaltungen. Leider nutzen die meisten Poliker es lediglich als Bühne um ihre eigenen, einzig wahren Wahrheiten zu verbreiten. An einer ernsthaften, konstruktiven Diskussion scheint kaum jemand interessiert zu sein.

Mich wundert es, dass Schäuble immerhin zu allen Fragen Stellung genommen hat. Oft werden nämlich solche Sammelaktionen auch genutzt um die ein oder andere Frage unauffällig zu „vergessen“. Gut, bei lediglich drei Stück ist das ziemlich schwierig.

Aber Stellung nehmen heißt nicht antworten. Beantwortet hat Herr Schäuble nämlich keine einzige der drei Fragen. Die erste Bezog sich auf die Vorratsdatenspeicherung. Sinngemäß ging es darum, wie die VDS angesichts der Unverhältnismäßigkeit und der pauschalen Verdächtigung aller Bürger zu verantworten sei. Überlegt ruhig selbst kurz, wie ihr an Schäubles Stelle antworten würdet. Ist ja doch etwas knifflig, ohne sich dabei selbst reinzureiten, oder? Keineswegs! Anstatt die Frage zu beantworten, erklärt Herr Schäuble einfach was die Vorratsdatenspeicherung überhaupt ist! Mit allem drum und dran: Was wie lange gespeichert wird und wer darauf Zugriff hat. Toll! Darauf muss man erstmal kommen!

Ähnlich war es beim Thema Online-Durchsuchung. Wobei der Fragesteller es Herrn Schäuble da sehr leicht gemacht hat, indem er sich selbst disqualifizierte. Da war eine Erklärung der Online-Durchsuchung durchaus angemessen…

Die dritte Frage hat Herr Schäuble einfach zu seinen Gunsten uminterpretiert. Das ist auch eine beliebte Taktik. Einfach die Leute bewusst missverstehen! Gefragt war, ob es nicht viel sinnvoller wäre soziale Ungleichheiten in der Welt zu beseitigen und so die Ursachen von Terrorismus zu bekämpfen, um Anschläge von vorneherein zu verhindern. „Aber natürlich, Prävention ist das wichtigste!“ war Schäubles Antwort.

Ende aus das wars. Schäuble hatte ja auch noch einen extrem wichtigen Termin und konnte unmöglich noch mehr Zeit mit „potentiellen Gefährdern“ verbringen.

Mein Appell an alle Politiker an dieser Stelle lautet: Hört auf die immer gleichen inhaltsarmen Monologe zu führen und tretet endlich in einen Dialog mit den Bürgern. Hört zu, nehmt Kritik ernst und setzt euch damit auseinander. Bezieht den Bürger in eure Veranstaltungen mit ein. Wenn ich nur zuhören möchte, kann ich auch den Fernseher einschalten.

Foto: flickr.com / -bast-

Ein gefährlicher Rhetoriker

Audimax der Uni Karlsruhe während Schäubles RedeWie versprochen gibt es jetzt hier noch einen kleinen Überblick über Schäubles Rede an der Uni Karlsruhe. Wirklich viel Neues hatte er nicht zu bieten: Nur die üblichen Scheinargumente, Verharmlosung und Verdrehung von Tatsachen, ausgeschmückt und aufgelockert durch Anekdoten und kleine Witzeleien. Dabei entsteht eine gefährliche Mischung, die ihn selbst für Kritiker zeitweilig sympathisch erscheinen lässt.

Ich gehe hier nicht auf alle seine falschen Thesen und Behauptungen im Detail ein. Das wurde und wird schon an anderen Stellen im Netz zu genüge getan. Sollte es dennoch zu dem ein oder anderen Punkt Diskussionsbedarf geben, äußert das bitte in den Kommentaren. Ich werde gerne darauf antworten.

Die Globalisierung

Alle Teile der Welt sind von der Globalisierung betroffen – dies bringe neue Anforderungen an die Sicherheit, sagt Schäuble. So weit so unkonkret. Konkreter: Es stimme, dass Deutschland auch am Hindukusch verteidigt würde. Darauf folgten laute „Pfui!“ Rufe aus dem Publikum. Interessant ist wie Schäuble darauf reagierte:

„Ich versuche es zu erklären“

Ein geübter Rhetoriker lässt sich von sowas nicht aus dem Konzept bringen. Es blieb aber tatsächlich bei einem Erklärungsversuch, viel Inhalt konnte ich seinem Gerede über deutsche und europäische Interessen nicht abgewinnen.

Die Diktatoren und das Internet

Interessant fand ich Schäubles These, Diktatoren könnten sich dank des Internets nicht mehr abschotten. Da gebe ich ihm Recht! Das Netz ist die Chance überhaupt, für eine weltweite Demokratisierung und globalen, freien Meinungsaustausch. Doch warum um Himmels Willen, versucht man dann das Netz immer stärker zu kontrollieren und zu überwachen? Schäuble postulierte, der „Regulierungsbedarf“ für das Internet werde größer. Da erscheint es mir eher so, dass es ihm ein Dorn im Auge ist, dass man sich als Diktator nicht mehr abschotten kann…

Die diffamierende Datenschutzdebatte

Der Binnenmarkt lag Schäuble sehr am Herzen: Die Öffnung nach innen erfordere aber eine stärkere Kontrolle nach außen. Es sei ärgerlich, dass die dazu geforderten „Sicherheitssysteme“ in Datenschutzdebatten immer wieder diffamiert würden. Er zeigte sich auch verständnislos, dass wir in Deutschland „immer alles gleich verfassungsrechtlich“ diskutieren.

Herr Schäuble, wenn die Gesetze der Regierung nicht ständig bis an die Grenze unserer Verfassung und darüber hinaus gingen, dann müssten wir auch nicht ständig „verfassungsrechtlich diskutieren“. Öffentliche Debatten sind im Übrigen ein Fundament unserer Demokratie. Deren Notwendigkeit in Frage zu stellen, zeugt davon wie wenig unser Innenminister davon wissen will.

Verfassungswidrig: Das sind die anderen

Doch Herr Schäuble versteht es, sich rhetorisch in ein gutes Licht zu rücken. Das Luftsicherheitsgesetz zum Beispiel, hätte ja die frühere rot-grüne Regierung zu verantworten. Er hätte ja gleich gesagt, das sei verfassungswidrig!

Das Verfassungsschutzgesetz Nordrhein-Westfalens führte erstmals in Deutschland Online-Durchsuchungen ein. Es sei laut Schäuble nur deshalb vom Bundesverfassungsgericht gestoppt worden, weil es „schlampig verarbeitet“ gewesen sei. Das BKA-Gesetz mache natürlich alles besser und sei verfassungsrechtlich absolut sauber. Schließlich habe der Gesetzgeber schon 2006 die „Abwehr einer grenzüberschreitenden Gefahr“ in die Hände des Bundes gelegt. Die Kritiker hätten diesen Punkt zunächst übersehen und sich dann in „Betroffenheitserklärungen“ verflüchtigt, als „sie ihren Irrtum erkannt“ haben. Plötzlich behauptete Schäuble auch, dass „alles natürlich nur mit Richter“ möglich sei, ungeachtet dessen, dass dies zunächst in der Eilfallregelung des BKA-Gesetzes nicht vorgesehen war.

Verbrecher: Das sind die anderen

Der Staat sei auch gar nicht die eigentliche Gefahr für das Grundgesetz: Nein, vielmehr sei das die Wirtschaft! Er müsse sich ja vorsichtig ausdrücken, aber die Bahn zum Beispiel verstieße vermutlich gegen geltendes Recht.

Schlechte Menschen gebe es immer und überall, daher könne er auch nicht ausschließen, dass ein Polizist illegal von Online-Durchsuchungen Gebrauch macht. Das sei dann aber ein Gesetzesverstoß, der verfolgt wird wie jeder andere auch.

Der Mythos der Alternativlosigkeit

Der berüchtigte „Mythos der Alternativlosigkeit“ war natürlich auch in Schäubles Rede mit dabei. Schäuble macht ihn sich zu nutze, um seine Politik als die einzig richtige darzustellen.

Weder die Generalprävention, noch die Kriminalprävention könnten einen Selbstmordattentäter von seiner Tat abhalten, behauptet Schäuble. Die einzige (!) Chance sei es daher „von Straftaten zu erfahren, bevor sie verwirklicht werden“. Eine nähere Erklärung folgte nicht. Dieses Postulat blieb so im Raum stehen.

Dr. Schäuble erzählt Geschichten

Schäuble versteht es, seine Rede durch kurze Geschichten und lustige Bemerkungen aufzulockern. Er schafft es damit den unkritischen Zuhörer und selbst unvorbereitete Kritiker auf seine Seite zu ziehen oder zumindest Sympathie zu erzeugen. Deshalb halte ich diese gezielt und bewusst platzierten Elemente seiner Rede für noch gefährlicher als jede falsche oder verharmlosende Behauptung.

Er könne ja schließlich nicht Schlauchboote in den Kampf gegen Piraten schicken. Und die Polizei könne auch nichts gegen einen Bombenangriff aus der Luft unternehmen, genausowenig wie die DLRG.

Solche Bemerkungen rufen beim Zuhörer mindestens ein Lächeln hervor, vielleicht sogar Zustimmung, obwohl der Vergleich völlig an der Realität und der Sache vorbei geht. Der Trick ist der, beim Zuhörer Sympathie zu erzeugen. Mit nichts geht dies leichter, als mit einem lockeren Witz. Die Sachlichkeit fällt dabei zunächst unter den Tisch, während der Zuhörer aufgeschlossener und unkritischer gegenüber dem Redner wird. Schäuble weiß das und macht es sich zu nutze. Das macht ihn so gefährlich.

Fragerunde

Die „Fragerunde“ war ein Witz. Darauf werde ich in einem separaten Artikel eingehen.

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