Irrtum der Woche: Sperren-Gegner schüren irrationale Ängste

Christoph Meinel, Direktor des Hasso-Plattner-Instituts, möchte, dass die Diskussion um Internetsperren endlich sachlich geführt wird. Ja, da stimme ich doch mal spontan zu! Weg mit den falschen Zahlen, Schluss mit der unsachlichen Emotionalisierung. Auch wenn oft geschimpft und polemisiert wird (gehört eben auch dazu), schaffen es die Sperren-Gegner ganz gut mit der Sachlichkeit, wie zum Beispiel der Hintergrundtext von Lutz Donnerhacke verdeutlicht.

Was aber muss ich sogleich von Herrn Meinel hören:

Alle technischen Verfahren zur Sperrung solcher Internetseiten hätten Schwachstellen, teilte er am Samstag in Potsdam mit. Zumindest die Schwelle für den Zugang werde jedoch durch solche Sperren deutlich erhöht.

Schon wieder dieses Postulat! Inwiefern wird der Zugang erschwert? Auf welche Sperren beziehen Sie sich überhaupt? DNS-Sperren? IP-Sperren? Sperren auf Domain-Ebene? Wie definieren Sie „deutlich“? Ist die „Schwelle für den Zugang“ bei einem Aufwand von 27 Sekunden bereits „deutlich erhhöht“? Welche rationalen Gründe sprechen überhaupt für eine Sperrung mit „Schwachstellen“, wie sie selbst sagen, wenn es gleichzeitig Möglichkeiten gibt die Server zuverlässig vom Netz zu nehmen?

Der dickste Hammer ist aber Folgendes:

Der Wissenschaftler kritisierte Aussagen, wonach die Sperrung von Kinderpornographie-Seiten im Internet das Grundrecht auf Informationsfreiheit gefährdet. Wer dies behaupte, schüre irrationale Ängste, dass Websperren auf weitere Inhalte im Internet ausgedehnt werden.

Die Ausdehnung auf andere Inhalte als Kinderpornografie ist keine Behauptung der Sperren-Gegner, sondern nachweislich bereits in Planung. So wird bereits in der SPD die Ausweitung auf Jugendpornografie diskutiert, worunter auch sogenannte „Scheinjugendliche“ und fiktive Darstellungen fallen. Die Musikindustrie fordert bereits das Sperren von Torrent-Seiten und selbst Justizminsiterin Zypries warnt vor Begehrlichkeiten. Die Erfahrungen aus anderen Ländern beweisen, dass es keine „irrationalen Ängste“ sind, dass auch andere Inhalte auf den Sperrlisten landen, sondern dass dies traurige Realtität ist.

Herr Meinel weist die begründete, mit Fakten unterlegte Kritik der Sperren-Gegner als „irrationale Ängste“ ab, anstatt sich sachlich mit ihnen auseinanderzusetzen und wird damit leider seiner eigenen Forderung nach Sachlichkeit nicht gerecht.

Es geht um die Zukunft des Internets!

Hilf mit, Netzdiskriminierung und Internetsperren zu stoppen: Kontaktiere unsere EU-Abgeordneten!

Die Lobbyisten haben wieder zugeschlagen – abermals geht es um das „Telekom-Paket“, das eigentlich den Verbraucherschutz im Telekommunikationsbereich stärken soll: Schon letztes Jahr haben Lobbyisten der Musikindustrie versucht durch die Hintertür Internetsperren einzuschleusen (Stichwort „Three-Strikes-Out“).

In dem Verwirrspiel aus hunderten, sich gegenseitig referenzierenden Änderungsanträgen, haben selbst engagierte EU-Abgeordnete nicht mehr richtig durchgeblickt. Dank der Bürgerrechtsorganisation „La Quadrature du Net“ und dem Engagement zahlreicher Bürger, die dem Aufruf von netzpolitik.org folgten, sind die Probleme bei den Abgeordneten angekommen. Viele skandalöse Anträge wären sonst womöglich einfach abgenickt worden.

Jetzt kommt das Telekom-Paket in die zweite Lesung – und abermals gibt es massive Probleme: Die Telefongesellschaften versuchen die Netzneutralität aufzuweichen, um die Übertragung der Inhalte zu kontrollieren. Die Anbieter wollen filtern, steuern, regeln: Welche Anwendungen und Dienste sind wie schnell, wann, wo und für wen erreichbar? Das Internet würde sich zurückentwickeln zu einem zentralisierten Netzwerk, das von einigen Wenigen kontrolliert und gesteuert wird. Auch Internetsperren stehen dank der Hartnäckigkeit der Musikindustrie wieder auf der Agenda.

Wir brauchen erneut ein bürgerliches Gegengewicht gegen die Industrielobby! Netzpolitik.org stellt fest:

Da die meisten Abgeordneten von dem Thema wenig Ahnung haben, verlässt man sich bei den Empfehlungen auf die Experten aus den richtigen Ausschüssen. Hier müssen wir handeln und der Industrie-Lobby unsere gemeinsame Macht der Bürger entgegen setzen.

Es ist Zeit zu handeln: Kontaktiere die Abgeordneten und weise Sie auf die Probleme hin! Bei netzpolitik.org gibt es ein Musteranschreiben und eine Liste der Abgeordneten, die dringend kontaktiert werden müssen. Erst wenn deren Postfach überquillt, werden sie uns wahrnehmen. Dass es funktioniert, hat sich letztes Jahr gezeigt. Mache Druck auf die Abgeordneten! Die Wahlen stehen kurz bevor und es ist einfacher denn je, sich Gehör zu verschaffen.