Irrtum der Woche: Schuldig bis zum Beweis der Unschuld

Ich weiß, es ist irgendwie in Mode gekommen, die Unschuldsvermutung auf den Kopf zu stellen. Trotz allem bleibt diese überaus dreiste Behauptung von Justizministerin Zypries schlichtweg falsch:

Eine Strafbarkeit liege schon in dem Moment vor, wenn nicht nachgewiesen werden könne, dass es sich um ein Versehen oder eine automatische Weiterleitung gehandelt habe.

Hintergrund ist der, dass Internetnutzer, die auf die berüchtigten Stopp-Seiten stoßen, in Echtzeit überwacht werden sollen. Zypries behauptet nun einfach, dass diese Nutzer sich automatisch schuldig machen, kinderpornografisches Material beschaffen zu wollen. Nun gibt es aber leider diverse technische Möglichkeiten, wie ein Nutzer zufällig oder böswillig auf eine solche Seite geleitet werden kann, ohne dass er es möchte oder auch gar nur mitbekommt. Zum Beispiel durch automatische Weiterleitung, „vergiftete“ Links, eingebette Inhalte (I-Frames) und vieles mehr.

Laut Zypries soll ein Nutzer der auf die Sperrseite gelangt und somit ins Blickfeld des BKA rückt nun beweisen, dass es keine Absicht war. Er soll also seine Unschuld beweisen!

Nun besagt aber ein klitzekleiner (und scheinbar von vielen Politikern als unbedeutend eingestufter) Artikel der sogenannten „Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte“ folgendes:

Jeder Mensch, der einer strafbaren Handlung beschuldigt wird, ist solange als unschuldig anzusehen, bis seine Schuld in einem öffentlichen Verfahren, in dem alle für seine Verteidigung nötigen Voraussetzungen gewährleistet waren, gemäß dem Gesetz nachgewiesen ist.

Dass Frau Zypries nicht weiß was ein Browser ist, das kann ich ihr durchaus verzeihen. Für soviel Inkompetenz werde ich sie einfach nicht wählen, dann sind wir quitt. Aber für soviel Ignoranz beim Thema Grund- und Menschenrechte, und das als Justizministerin … die Frau sollte sofort zurücktreten … ist ja nicht das erste Mal, dass sie so einen Unfug behauptet.

Zensursulablone

Ursula von der Leyen hat für ihre destruktive Filterpolitik mitterlweile den Spitzenamen „Zensursula“ anhängen. Netzpolitik.org hat dazu aufgerufen eine passende Visualisierung zu erstellen. Hier sind zwei Vorschläge von mir, angelehnt an die schon zum Kult gewordene „Schäublone“. Zensursula von den LaienZensursula

Das Abbild der Zensurministerin stammt aus dem Font „Parole“ von Dataloo (Lizenz cc-by-sa). Auf meine Abwandlungen habe ich keinerlei urheberrechtliche Ansprüche (cc-zero). Please copy, share, remix! Hier sind auch die SVQ-Quellen.

Update: Zur „Feier des Tages“ hab ich heute noch ein animiertes GIF zum Thema erstellt, natürlich ebenfalls cc-zero:

leyenhaft

Irrtum der Woche: Sperrung von Kinderporno-Seiten ist wirksam

Das Bundeskriminalamt, namentlich dessen Präsident Jörg Ziercke, postuliert, dass sich Kinderporno-Seiten wirksam sperren lassen. Das „Stoppschild“ wirke abschreckend:

Nach unseren Erkenntnissen sind vier von fünf Menschen, die im Internet auf Kinderpornos zugreifen, Gelegenheits-Konsumenten. Die lassen sich durch ein Stopp-Schild abschrecken und geben ihr Vorhaben auf

Wie hat man sich das nun vorzustellen? Ein „Gelegenheits-Konsument“ durchstöbert das Internet und stösst zufällig auf Kinderporn? Er nutzt die Gelegenheit um sich das anzuschauen, bekommt dann aber nur eine Stopp-Seite zu sehen? Er denkt sich „Pech gehabt“ und surft auf legalen Seiten weiter?

Interessantes Weltbild, dass der Herr Ziercke da zu haben scheint. Dabei ist Kinderpornografie laut einer wissenschaftlichen Analyse gar nicht offen über das World Wide Web erreichbar. Die Inhalte findet man nicht mal eben so, sondern nur mit einem hohen Grad an krimineller Energie. Der Aufwand, die Filterung zu umgehen ist im Vergleich dazu nahe Null. Ein kurzer Clip beim Law-Blog zeigt, wie sich eine Sperre in 27 Sekunden aushebeln lässt, indem man einfach einen anderen DNS-Server wählt. Das schaffen sogar Laien.

Selbst wenn es gelänge wenigstens „Gelegenheits-Konsumenten“ zu stoppen, wird das Ziel der Filter verfehlt: Angeblich ging es ja darum den KiPo-Produzenten die Finanzmittel trocken zu legen. Diejenigen, die etwas bezahlen, sind aber wohl kaum die „Gelegenheits-Konsumenten“, sondern eher hartgesottene Pädophile. Dass diese sich nicht von Sperren abschrecken lassen, räumt sogar Ziercke ein:

Daneben gibt es einen harten Kern versierter Nutzer, gegen den sich mit Sperren nichts ausrichten lässt.

Selbst Björn Sellström, Chef der Polizeiermittlungsgruppe gegen Kinderpornografie und Kindesmisshandlung in Stockholm gesteht die Wirkungslosigkeit ein, obwohl Schweden solche Sperren angeblich seit Jahren erfolgreich einsetzt:

Unsere Sperrmaßnahmen tragen leider nicht dazu bei, die Produktion von Webpornografie zu vermindern

Bei netzpoltik.org gibt es ein interessantes Video-Interview mit Prof. Michael Rotert, dem Vorstandsvorsitzenden des Verbandes der deutschen Internetwirtschaft e.V. Er erklärt, warum Internetzensur nicht nur wirkunglos, sondern auch kontraproduktiv ist, und wie man es besser machen kann.

Irrtümer der Woche

Ungeachtet dessen, dass ich jetzt mehr als eine Woche außer Gefecht war, wird im Netz natürlich fleißig weiter geirrt. Ich versuche mir gerade einen Überblick über die gröbsten Spinnereien zu verschaffen.

Die Bahn glaubte doch tatsächlich sie könne Dokumente mit Gewalt wieder aus dem Netz rausprügeln. Sie wurde letzte Woche eines besseren belehrt, als Markus Beckedahl nicht einfach klein bei gab und hohe Wellen in der Blogosphäre schlug. Ein Musterbeispiel für den Streisand-Effekt – hat mich sehr gefreut 🙂 Schade, dass ich nicht selbst dazu beitragen konnte.

Weniger lernwillig ist da Frau von der Leyen, die immer noch an Internetfiltern festhält. Dass auf mich keiner hört weiß ich ja, aber mittlerweile gibt es mehrere Gutachten die den Unsinn der geplanten Maßnahmen bescheinigen. Da sollte man doch mal hellhörig werden?!

Aber nein, nichtsdestotrotz wurde derweil ein Mustervertrag zwischen dem BKA und den Internet Service Providern ausgearbeitet (PDF), „um den Zugang zu kinderpornografischen Inhalten im Internet zu erschweren.“ Immerhin hat man erkannt, dass es hier bestenfalls ums Erschweren geht, aber niemals um eine Blockade. Besonders makaberes Detail: Man ist sich auch bewusst, dass Unbeteiligte beeinträchtigt werden können und nimmt dies in Kauf:

Dabei stellt der ISP sicher, dass eine mögliche Beeinträchtigung der Rechte unbeteiligter Dritter auf das nach dem jeweiligen Stand der Technik unvermeidbare Minimum begrenzt wird.