Das Anti-Counterfeiting Trade Agreement

ACTA steht für Anti-Counterfeiting Trade Agreement, was frei übersetzt etwa „Handelsabkommen zur Bekämpfung von Fälschungen“ heißt. Das Abkommen wird seit mehreren Jahren geheim verhandelt, mit dem vorgeblichen Ziel, den Handel mit Produktfälschungen und urheberrechtlich geschützten Werken zu bekämpfen. Regierungen aus Ländern weltweit und Lobbyisten der Rechteinhaber sind an den Verhandlungen beteiligt. Außen vor bleiben Künster und Bürgerrechtsorganisatoren, sowie die Bürger selbst.

Sowohl in Europa als auch den USA wurde von Bürgerrechtsorganisationen mehrfach versucht, Informationen über ACTA ans Tageslicht zu bringen. Selbst unter Berufung auf das Informationsfreiheitsgesetzt konnte eine Veröffentlichung des Vertragsentwurfs nicht erreicht werden. Angeblich sei durch eine Veröffentlichung die „nationale Sicherheit“ gefährdet, so erst kürzlich der neue Hoffnungsträger Obama.

Solche Behauptungen und die Geheimniskrämerei lassen die Gerüchteküche brodeln. Schlimme Vermutungen bestätigten sich, als 2008 bei Wikileaks Informationen über die möglichen Inhalte des Abkommes auftauchten. Mit dabei: Kriminalisierung von Tauschbörsennutzern, Durchsuchung von Notebooks, MP3-Playern und anderen Datenträgern durch den Zoll, Sperren von Websites durch die Provider, kurzum: massive Einschränkungen der Bürgerrechte.

Vor einigen Tagen gab die US-Regierung dem wachsenden Druck nach und veröffentlichte wenigstens eine sechsseitige Zusammenfassung des aktuellen Vertragsentwurfs. (PDF)

Das Papier gibt an, dass die Idee eines solchen Abkommens in 2006 von Japan und den USA initiiert wurde, um das vermeintliche „geistige Eigentum“ international durchzusetzen. Zunächst seien nur Kanada, die Europäische Kommission, Japan, die Schweiz und die USA beteiligt gewesen. Erst seit Juni 2008 diskutiere man das Abkommen auch mit Australien, den 27 EU-Staaten, Mexiko, Marokko, Neuseeland, Südkorea und Singapur. Weiterhin sei es allgemein üblich, dass Verhandlungen zwischen „souveränen Staaten“ in einem so frühen Stadium noch nicht der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Die Verhandlungsteilnehmer scheinen zu vergessen, wer der Souverän ist.

Als Ziel von ACTA wird angegeben, internationale Standards einzuführen um „geistiges Eigentum“ durchzusetzen. Dabei setze man den Fokus angeblich auf kommerzielle Fälschungen und nicht auf die Handlungen von gewöhnlichen Bürgern. In Grund- und Bürgerrechte solle nicht eingegriffen werden.

Das Dokument fasse die Inhalte zusammen, die aktuell unter Diskussion ständen, weist aber gleichzeitig darauf hin, dass die Verhandlungen noch laufen und noch zusätzliche Punkte hinzukommen könnten, während andere wieder fallen gelassen werden. Insgesamt ist die Zusammenfassung aber extrem vage gehalten. Zur zivilrechtlichen Durchsetzung von Immaterialgüterrechten möchte man zum Beispiel Gerichten oder Behörden die Befugnisse geben „bestimmte Handlungen“ durchzuführen, wenn eine Verletzung „geistiger Eigentumsrechte“ nachgewiesen ist.

Auch die „Maßnahmen an Grenzen“ sind sehr vage gehalten. Beängstigend klingt die Möglichkeit eines Verbots, auch Waren, die nur zum persönlichen Gebrauch gedacht sind, über die Grenze zu führen. Die Entscheidungskompetenz, ob Güter Rechte verletzen oder nicht, soll wieder irgendeine „authority“ besitzen.

Brisant wird es im Abschnitt „Strafrechtliche Maßnahmen“. Hier soll geklärt werden, ab wann eine Rechtsverletzung strafrechtliche Bedeutung hat. Bislang sind zum Beispiel Urheberrechtsverletzungen in Deutschland lediglich Vergehen, aber kein Verbrechen. Dies könnte sich durch ACTA ändern.

Ein weiterer Abschnitt soll ich laut der Zusammenfassung komplett dem „Digitalen Umfeld“ widmen. Meiner Meinung nach ist das das spannendste und heikelste Thema. Die Zusammenfassung hält sich noch sehr bedeckt, der Abschnitt soll sich aber unter anderem mit der Rolle der Internetprovider befassen, Urheberrechtsverletzungen zu unterbinden! Es steht zu befürchten, dass durch ACTA mal wieder der Versuch gestartet wird, die Provider für die übertragenen Inhalte verantwortlich zu machen. Für den Abschnitt gibt es angeblich noch keinen Entwurf. Man sei vielmehr damit beschäftigt, Informationen über die unterschiedlichen nationalen Regelungen zu sammeln.

Ein komplettes Kapitel widmet sich der internationalen Zusammenarbeit, ein weiteres soll bestimmen, wie die von ACTA geschaffenen Regelungen durchgesetzt werden. Alles in allem ist die Zusammenfassung aber sehr vage und abstrakt. Die Formulierungen lassen viel Spielraum. Von einer Fokusierung auf internationale, kommerzielle Produktfälscher bishin zur Verfolgung von harmlosen Bagetelldelikten mitsamt Einschränkungen der Bürgerrechte ist meiner Ansicht nach alles möglich.

Letztendlich ist es entscheidend, wer an dem Vertrag mitwirkt und bestimmt, was letztendlich drin steht. Die Tatsache, dass das Abkommen weiterhin geheim und mit starken Lobbyeinfluss zwischen Regierungen verhandelt wird lässt wenig hoffen. Bereits am Telekom-Paket zeigt sich, wie gefährlich der Einfluss von Lobbyisten der Musik- und Filmindustrie für die bürgerlichen Freiheiten sein kann. Bei aller Spekulation um den möglichen Inhalt ist es meiner Meinung nach also zunächst am wichtigsten, dass die Öffentlichkeit nicht von den Verhandlungen ausgeschlossen wird und eine demokratische Debatte stattfinden kann.

Zwischenzeitlich ist übrigens ein Dokument bei Wikileaks erschienen. Das 48 Seiten starke PDF enthält mehrere ACTA-Entwürfe aus 2008, deren Struktur sich, soweit ich das überblicke, mit dem in der Zusammenfassung beschriebenen Aufbau deckt. Leider ist es ein gescanntes Dokument, dass sich somit nicht automatisch nach kritischen Schlüsselwörtern durchsuchen lässt. Wer etwas findet, darf dies gerne in den Kommentaren posten, ich kam noch nicht dazu mich näher damit zu befassen.

Disclaimer: Ich bin kein Jurist.

Fundstücke

In den letzten Wochen haben sich bei mir viele interessante Sachen angesammelt, über die ich aus Zeitgründen aber leider nicht bloggen konnte. Hier ein paar Fundstücke zum Thema Urheberrecht, freies Wissen und Kultur.

Raubmordterrorkopierer?

Die Filmindustrie versucht mit einer hanebüchenen Studie Urheberrechtsverletzungen in die Nähe von Terrorismus zu rücken:

The case studies provide compelling evidence of a broad, geographically dispersed, and continuing connection between film piracy and organized crime, as well as evidence that terrorist groups have used the proceeds of film piracy to finance their activities.

Raubkopien gibt es nicht

Dr. Franz Schmidbauer, Richter des Landesgerichtes Salzburg, bringt es auf den Punkt:

Auch der Begriff „Raubkopie“ ist eine Erfindung der Musikindustrie mit dem Ziel, ein allfälliges Vergehen der untersten strafrechtlichen Deliktsebene (wenn überhaupt) auf die Ebene eines Kapitalverbrechens (Raub) zu hieven. Ich weigere mich daher, im Zusammenhang mit unerlaubten Vervielfältigungen von „Raubkopien“ zu sprechen und fordere auch alle seriösen Juristen auf, sich nicht von der psychologischen Kriegsführung der Musikindustrie vereinnahmen zu lassen.

Neue Geschäftsmodelle

Marcel Weiss erklärt, „Wie Musiker in Zeiten des Internets Geld verdienen (können)“

Das Geschäftsmodell, dass auf einer Abrechnung pro Transaktion von Musikdatei zu Hörer basiert, ist langfristig nicht mit den vom Netz neu diktierten, ökonomischen Rahmenbedingungen zu vereinbaren. […]

Die Einnahmen für Musiker muss aus dem Verkauf von wertvollen, knappen Gütern kommen. Beispiele: Konzerte, Merchandising, exklusive Zugänge zum Musiker

Die einfachste Sache der Welt

Open Access ist nichts Neues, sondern die einfachste Sache der Welt, erklärt Dr. Sijbolt Noorda, Vorsitzender der Vereinigung der Universitäten der Niederlande in diesem Video (via Telemedicus):