The Web is the Social Network

Befreiungsschlag

Das World Wide Web ist ein weltweites Netz aus miteinander verlinkten Dokumenten. Es ist voll mit „Content“, den wir „liken“ und „sharen“ wollen. Doch weil das Web nur den Content verlinkt und nicht die Nutzer mit dem Content und die Nutzer untereinander – deshalb verwenden wir Plattformen wie Facebook. Sie schließen diese Lücke.

Dabei ist es dem Web völlig egal, ob wir Webseiten miteinander verlinken, oder uns selbst und unsere Interessen. Es ist technisch dasselbe. Und es ist bereits heute möglich. Das Web ist ein großes, dezentrales soziales Netzwerk!

Soziale Dienste haben zweifelsohne das Web und unseren Umgang mit ihm revolutioniert. Dinge zu „liken“ und zu „retweeten“ ist großartig. Ich möchte kein Web mehr, das so etwas nicht unterstützt. Im Gegenteil: Ich möchte diese sozialen Funktionen im ganzen Web nutzen, statt auf geschlossene Plattformen zu beschränken.

Es muss mir egal sein dürfen, auf welchen Plattformen meine Freunde ein Profil haben und auf welchen nicht. Ich bin ein kommunizierendes, soziales Wesen und kein Benutzer-Account. Ich möchte Artikel kommentieren und Kommentare liken können, ohne mich ständig irgendwo zu registrieren. Ich möchte Menschen erreichen, die meine Interessen teilen, ohne dass mir Plattformgrenzen im Wege stehen.

Das ist weniger utopisch als es auf den ersten Blick klingen mag. Wir benötigen zwei Dinge:

  1. Globale Identität
  2. Verlinkung

Globale Identität

Ohne Identität kein soziales Netz. Wir agieren als Menschen im Web und setzen Dinge und andere Menschen in eine Beziehung zu uns. Das ist das soziale am Social Web.

Heute ist unsere Identität im Web sehr eng mit dem Konzept von „Accounts“ verbunden. Uns gibt es auf Twitter, Facebook, XING und Google+. Oder eben nicht.

Diese Anbindung unserer Identität an Accounts auf untereinander nicht kompatiblen Plattformen ist verantwortlich dafür, dass das Web als Ganzes noch nicht wirklich sozial ist. Die Grenzen der Plattform bestimmen die Grenzen unseres sozialen Austauschs im Web. Was wir also brauchen ist eine plattformübergreifende „globale Identität“.

Glücklicherweise sind globale Identifier eine Stärke des WWW. Ohne Sie würde das Web nicht funktionieren. Wir alle nutzen sie täglich: URIs – vielen geläufiger in Form der URL. Sie fangen meist mit „http://…“ an und bringen uns zu einer beliebigen Seite im WWW. Weltweit, ohne das wir auch nur einen blassen Schimmer haben, wo diese Seite gehostet wird.

Das Konzept dieser „Uniform Resource Identifier“ (URI), lässt sich ohne weiteres auch auf Menschen und beliebige „Dinge“ anwenden. Es handelt sich schlicht um eine globale ID, die irgendetwas identifiziert. Genau das was wir brauchen.

Zu unserer Identität gehört aber noch mehr. Zum Beispiel unser Name oder ein Pseudonym. Letztendlich auch alles was wir im sozialen Web mit uns in Beziehung setzen wollen.

Diese Informationen müssen wir speichern. Dank unserer globalen URI, stehen uns die unendlichen Weiten des WWW dazu zur Verfügung! Wir können unsere Daten selbst hosten, oder einem beliebigen Unternehmen anvertrauen. Relevant ist nur, dass unsere URI zu Informationen über uns führt, wenn man sie im abruft. Nicht auf unsere Webseite, sondern zu menschen- und maschinenlesbaren Informationen über uns.

Verlinkung

Diese strukturierten Informationen über uns, können auch Links enthalten. Links zu unseren Freunden, Dingen die uns gefallen, Blogartikel die wir kommentiert haben und vieles mehr. Solange wir URIs verwenden um all diese Dinge im WWW zu identifizieren, können wir sie auch verlinken und dadurch mit uns in eine Beziehung setzen.

Durch solche Links können wir ausdrücken, dass uns ein Blogartikel gefällt, oder dass wir mit einer anderen Person (ebenfalls identifiziert durch eine URI) befreundet sind.

Diese Herangehensweise ist komplett dezentral. Ich hoste mein Profil irgendwo im Web und setze einen Link zu einem beliebigen anderen Profil, Dokument oder Ding im Web.  Die Verlinkung funktioniert so wie wir es bereits heute von Webseiten kennen. Ein zentraler Anbieter, der uns vorgibt was wir „liken“ können ist überflüssig.

Auch einzelne Dienste im Social Web können sich direkt untereinander verlinken. Sie müssen weder den Umweg über einen Anbieter wie Facebook gehen, noch sich durch ausschließlich lokale Benutzer-Accounts voneinander abschotten.

Ein Social Network ist kein monolithisches Gebilde, in dem ich zentralisiert meine Fotos, meine Interessen und meine Statusmeldungen veröffentliche. Als soziales Wesen durchstreife ich das Web, hinterlasse einen Kommentar hier, like etwas dort, lade ein Foto bei flickr hoch und ein Video bei YouTube. Egal wo im Web ich etwas tue, ich möchte es mit meiner Identität verlinken können. Und ich möchte nicht an bestimmte Dienste gebunden sein, sondern selbst entscheiden wo ich poste. Durch die Verlinkung kann es auch vollkommen egal sein, wo ich poste, es ist mit mir verlinkt und somit auffindbar.

Und nun?

Was können wir nun tun, um die Idee eines dezentralen Social Webs Wirklichkeit werden zu lassen?

Wer sich für die technischen Grundlagen interessiert, kann diese im Artikel „Das Web als Social Network“ nachlesen. Außerdem gibt es ein Vortragsvideo, in dem ich das Thema ebenfalls erkläre.

Auch sogenannte „Dezentrale Social Networks“ gibt es inzwischen einige. Identi.ca bzw. status.net, Diaspora, Friendica (und einige mehr) sind definitiv einen Blick wert. Diese Plattformen bieten uns bereits heute die Möglichkeit, uns serverübergreifend zu vernetzen. Aber sie sind eben dies: Serverübergreifende Plattformen, die uns (noch?) keine globale Identität geben, welche wir mit dem Rest des Webs verlinken können.

Letzteres hingegen ist z.B. bei my-profile.eu möglich. Hier könnt ihr euch anmelden, um eine sogenannte „WebID“ zu erhalten. Das ist eine URI, die euch identifiziert und über welche eure Profildaten abrufbar sind. Die URI könnt ihr prinzipiell mit dem Rest des Webs verlinken. Theoretisch ginge dies per Klick auf einen „Like“ oder „Comment“ Button, in der Praxis ist heute leider meist noch etwas Handarbeit und technisches Verständnis nötig.

Die Brücke könnten die genannten dezentralen Social Networks schlagen, wenn sie konsequent auf URIs und deren Verlinkung setzen.

Fazit

Soziale Netzwerke sind großartig. Wir alle nutzen sie gerne. Aber als abgeschottete Plattformen haben sie einen inhärenten Fehler: Sie widerstreben der dezentralen Struktur des WWW und bauen Mauern, wo keine sein sollten.

Indem wir uns selbst durch URIs identifizieren und unsere Profile in Form strukturierter Daten an einem beliebigen Platz im Web hosten, schaffen wir die Möglichkeit einer Verlinkung. Verlinken wir uns mit unseren Freunden, den Dingen die wir mögen und den Inhalten die wir veröffentlichen, entsteht nicht einfach ein dezentrales soziales Netzwerk – sondern das Web selbst wird zu einem solchen.

7 Gedanken zu „The Web is the Social Network“

  1. Hi!

    Sehr interessant soweit. Aber ich sehe schon zu viele Hürden für den normalen Nutzer. Zum einen ist bei MyProfile nix erklärt. Es ist mal wieder etwas von Nerds für Nerds, aber nix für den normalen DAU daheim vor seinem Windows PC. MBox sha1sum wtf? Damit kann doch keiner was anfangen.

    Wenn etwas Erfolg haben soll, dann muss es einfach sein. Und das können geschlossene Systeme wie Facebook, Google+ und Twitter bieten. Sie nehmen den Nutzer an die Hand und führen ihn in das System hinein. Daraufhin gibts Mundpropaganda und man zieht seine normalen Freunde auch auf diese Plattformen.

    Menschen sind halt einfach gestrickt und gehen den Weg des geringsten Widerstandes. Nen eigenen Friendica Server oder Diaspora Pod aufsetzen ist nun mal nicht jedermanns Sache und einfach ist es auf keinen Fall. Zumal man ja für diese Systeme dann auch die Verantwortung trägt und sich selbst um die entsprechenden Sicherheitsupdates kümmern muss. Und wenn man sich bei einem fremden Pod anmeldet, ist man im Grunde wieder nicht Herr seiner Daten, denn sie liegen auf einem System welches man nicht kontrolliert.

    Der Hauptgrund aber ist, das dort nix los ist. Und wie will man seine Freunde von einem geschlossenen System wie Facebook wegbringen zu einem solch offenen URI System, was in der Usability nicht das bietet wie Facebook und Co? Jabber Chat nutzt im Grunde keiner meiner Freunde. Indirekt ja, weil das Protokoll auch im Google und Facebook Chat benutzt wird. Ansonsten ist Jabber auch nur wieder was von Nerds für Nerds. Und die alten Chat Platformen wie MSN oder ICQ sind bei mir ausgestorben. Wenn ich meine Leute aus dem Reallife via Chat erreichen will kann ich das nur via Facebook oder WhatsApp.

    Ich hab mich auch lange gegen Facebook gewehrt, aber die Kommunikation geht leider nur noch darüber. Gruppendienste von meiner Feuerwehr werden auch nur noch via Facebook angekündigt. Zuvor gabs wenigstens die Infos noch via Mail. Früher wollte meine Wehr mal ne eigene Webseite machen. Jetzt hat sie ne Facebook Gruppe. Und alles wird darüber kommuniziert. Traurig, ist aber so.

    So gut die Absichten von dezentralen Netzwerken auch sind, so komplizierter sind sie doch für die normalen Nutzer und deswegen glaube ich dass auch dieses Projekt ein Schattendasein fristen wird.

    1. Hi, du hast natürlich recht, dass es aktuell noch nichts gibt, was für den normanen Nutzer einfach zu gebrauchen ist und das alles noch viel viel einfacher werden muss. Ich sehe aber großes Potential in der Herangehensweise, dass Web nicht nur als Plattform für ein Social Network zu nutzen, sondern die sozialen Funktionen wie „liken“ und kommentieren etc. Teil des Webs selbst werden zu lassen.

      Für Website-Betreiber ist es letzlich egal, ob sie einen Facebook-Like-Button einbauen, oder eine dezentrale Lösung. Für den Nutzer macht es aber einen großen unterschied, ob er mit einer Identität im ganzen WWW soziale Funktionen nutzen kann, oder ob er sich ständig irgendwo registrieren muss. Mittelfristig ist die dezentrale Lösung für den Nutzer somit weitaus einfacher und natürlicher. Bis dahin ist aber leider noch etwas Arbeit notwendig 🙂

  2. Ein wahnsinnig spannender Artikel! Technisch halte ich RDF, wie du es „Das Web als Social Network“ beschrieben hast, für einen guten Ansatz, solche identifizierenden URIs umzusetzen. Ich frage mich nun, ob es nicht ein Leichtes wäre, Plugins und Addons für bekannte CMS wie Joomla oder WordPress zu schreiben, die einen solchen Datensatz auch für technisch weniger basierte Leute möglich werden lassen…

      1. Und nun warte ich darauf, dass jemand „Challenge accepted!“ ruft und die Sache umsetzt 😀

  3. Hi Angelo

    super Analyse des Ist-Zustandes. Hinzufügen würde ich noch, dass es mal Foren gab. Jede kleine oder große Gruppe hat eins zu ihrem Thema aufgestellt und es gab nette Diskussionen. Diese Foren werden jetzt abgeschaltet oder verwaisen mehr und mehr, weil die Leute auf Facebook sind.

    Das führt mich zum zweiten Teil des Textes. Ich fände es schon einen Befreiungsschlag, wenn Facebook und Co. abgeschaltet werden würden. Dann gäbe es wieder selbstverwaltete Foren, die Leute würden Jabber zum Chatten benutzen, und zum Sich-Finden könnte man sich eben mal schnell in eine Namensdatenbank mit Kontaktdaten eintragen (wenn man denn per Namen gefunden werden will).

    Um Leute mit gleichen Interessen zu finden, gäbe es „ Gruppendatenbanken “ . Die unter dem Link habe ich in Drupal mal zusammengebastelt.
    Mehr brauche ich persönlich nicht, bloß blöd wenn alle anderen bei Facebook sind.

    Eine URI will ich nicht. Selbst wenn ich verschiedene Pseudonyme wähle. Dann schreibe ich unter Einem mal was Unbedachtes, und schon sind die Pseudonyme verknüpfbar.

    Eigentlich gehört persönliche Kommunikation nicht in die Hände von Facebook oder ins Netz, sondern sollte persönlich bleiben.

    Krypto hilft vielleicht.
    Wenn man wirklich mehr übers Netz machen will, dann sollte das Netz möglichst nichts von einem wissen, auch der Diaspora-Server nicht.
    Deshalb finde ich den Ansatz von Secushare sehr gut. Bloss das zu implementieren ist sehr viel Arbeit. Der Hauptentwickler programmierte schon in den 80’ern an IRC mit. Auf den Datenspuren in Dresden gab es jetzt einen Vortrag zu dem Thema. Evtl. ist er bald online.

    Das waren meine Ergänzungen und Meinungen.

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