Die öffentliche Präsenz der Piratenpartei

Meine persönlichen Ziele für die weitere Entwicklung der Piratenpartei – Teil II: Öffentliche Präsenz

Das Superwahljahr 2009 bescherte der Piratenpartei eine enorme Medienpräsenz. Das Interesse der Medien und der Öffentlichkeit wird nun zwangsläufig nachlassen. Um nicht in der Versenkung zu verschwinden müssen wir kräftig gegensteuern.

Das Interesse der Medien wurde meiner Meinung nach künstlich verstärkt, weil die Piratenpartei als eine Art Kuriosum aufgefasst wurde. Den Medienrummel haben wir weder unserer fachlichen Kompetenz noch unserer Pressearbeit zu verdanken. Zumindest nicht in erster Linie. Um zukünftig Erfolg zu haben, müssen wir unsere Pressearbeit professionalisieren. Ein erster wichtiger Schritt auf Landesebene war es, einen eigenständigen Pressesprecher außerhalb des Vorstands einzusetzen. Der nächste Schritt muss sein, einen professionellen Presseverteiler zu aufzubauen und zu pflegen, sowie die vorhanden persönlichen Pressekontakte auszubauen. Ich betrachte eine kontinuierliche, sachliche Berichterstattung als Ziel, fernab von Hype und Klischees.

Tue Gutes und sprich darüber – eine alte Weisheit die uns sicher auch bei der Parteiarbeit zugute kommen kann. Um Unterschriften zu sammeln und auch offline zu zeigen, dass es uns gibt, waren Infostände ein pragmatisches Mittel. Doch werden solche Stände meiner Meinung nach einer modernen, interaktiven Partei nicht gerecht. Wir haben mehr zu bieten. Einen ersten Schritt in die richtige Richtung ging die Regionalgruppe Bingen mit einem Bürgerabend. Der direkte Kontakt zum Bürger ist für uns nicht nur eine Floskel, sondern Handlungsmaxime. Wir wollen die offene Diskussion mit den Bürgern und sie wieder an die Politik heranführen, ihnen zeigen was wir gemeinsam erreichen können. Bürgerabende sind ein ideales Mittel um die Menschen mit unseren Themen vertraut zu machen und gleichzeitig deren Ideen und Anregungen in unsere Politik einzubringen. Auf der Straße müssen wir unsere Infostände durch medienwirksame und aufrüttelnde Aktionen bereichern, die auf unsere Ziele aufmerksam machen und die Menschen über Datenschutz und Bürgerrechte, aber auch Transparenz im Staat und unsere anderen Themen aufklären.

Die Piratenpartei muss mittelfristig ein natürlicher Teil des politischen Diskurses werden. Andere Parteien, darunter selbst die CDU, beginnen mittlerweile uns ernst zu nehmen. Die Ziele der Piratenpartei dürfen nicht mehr unter den Tisch fallen, wir müssen sie einbringen und darauf aufmerksam machen wo wir nur können. Wir müssen Schwachstellen in der Politik der etablierten Parteien aufdecken und öffentlich anprangern und dürfen nicht zulassen, dass die Aushöhlung des Grundgesetzes künftig „Bürgerrechtspolitik“ genannt wird. Die Piratenpartei muss sich als glaubwürdige und fachkundige Partei in Sachen Bürgerrechte und Informationszeitalter etablieren. Dazu bedarf es einer umfassenden inhaltlichen Entwicklung, auf die ich im nächsten Teil eingehe.

Irrtum der Woche: Online-Umfragen haben Aussagekraft

Dass die Piratenpartei bei Online-Umfragen regelmäßig Spitzenergebnisse einfährt ist doch eigentlich nichts neues, oder? Niemand (außer vielleicht Lifegen) glaubt aber doch ernsthaft daran, dass diese Werte auch nur annähernd etwas mit der Realität zu tun haben. Was es heute bedeutet, eine Online-Umfrage oder gar ein ganzes Wahlportal ohne die Piratenpartei einzurichten, dafür gibt es mittlerweile mehrere Fallbeispiele.

Ich weiß nicht, ob dies an der Rhein-Zeitung (RZ) einfach vorüber gegangen ist, oder ob man schlicht glaubte, es würde schon kein Piraten-Anhänger deren Umfrage bemerken? Als die „Anderen“ die üblichen Spitzenwerte erreichten, reagierte die RZ unkonventionell, entfernte den Punkt „Andere“ aus der Umfrage und richtete gleichzeitig eine weitere ein, in der nur die Piratenpartei aufgeführt wurde.

Als „humorbefreit“ bezeichnete der zuständige Online-Redakteur Jochen Magnus in seinem Blog die Reaktionen, die daraufhin per Mail und im Forum auf die RZ einprasselten. Ich muss zugeben: Mir verging zunächst auch das Lachen. Es hätte wirklich sehr lustig sein können – unter anderen Umständen. Zum Beispiel wenn man diese Umfrage gleich zu Beginn eingerichtet hätte. Und wenn nicht die Unterstellung darin enthalten wäre, die Piraten bzw. deren Anhänger hätten die Umfrage manipuliert. Sowas hat die Partei überhaupt nicht nötig. Dass wir auch ohne faule Tricks extrem hohe Ergebnisse einfahren, zeigt zum Beispiel StudiVZ, wo man nur angemeldet abstimmen kann. Es ist schlichtweg eine Frage der Mobilisierung. Deswegen verstehe ich auch nicht, warum Herr Magnus den Aufruf zur Abstimmung als „Stampede“ beschimpft. Jede andere Partei hatte ebenfalls die Chance dazu.

Unter diesen Umständen empfand ich die Reaktion der RZ schlichtweg als trotzig. Die Piratenpartei hatte ihr Spielzeug kaputt gemacht, das doch jahrelang „erstaunlich oft nah am Ergebnis“ lag. Und nun soll etwa Schluss damit sein?

Ja liebe RZ, damit ist jetzt Schluss, so Leid es mir tut. Online-Umfragen spiegeln nicht die Realität wieder. Sie haben keine Aussagekraft, außer vielleicht die, dass die Piratenpartei hervorragend im Netz mobilisieren kann. Daher freue ich mich über den sachlichen Kommentar von Herrn Magnus in der Samstagsausgabe der RZ, in dem er sich von der „guten, alten Onlineumfrage“ verabschiedet und die Sache mit Humor nimmt. Auch ich kann mir nachträglich, ein Lächeln beim Blick auf die „Piraten-Umfrage“ nicht mehr verkneifen 😉

Segeln lernen

Ja ja, ich lebe noch, auch wenn man im Blog derzeit nix davon merkt. Aber ich twittere und dente ja auch noch, dafür ist immer Zeit 😉

Nunja, in den letzten Wochen ist einfach viel passiert und es gab viel zu tun. Die Mitgliederzahlen in der Piratenpartei und auch im Landesverband Rheinland-Pfalz sind explodiert. Vor wenigen Wochen kannte ich noch jeden aktiven Piraten aus Rheinland-Pfalz persönlich, jetzt kenne ich nicht mal mehr jeden aus der Umgebung Koblenz. Auf dem Bundesparteitag in Hamburg waren mehr Presseleute anwesend, als Piraten auf dem vorigen Parteitag in Bielefeld teilnahmen. Die Aufmerksamkeit wächst – Menschen und Medien interessieren sich plötzlich für uns.

Doch ist die Piratenpartei darauf vorbereitet? Einerseits ja, denn wir haben fest damit gerechnet. Andererseits, hat wohl niemand geglaubt, dass es so schnell geht. Wir werden voraussichtlich in fast allen Bundesländern zur Wahl zugelassen, der Wahlkampf tobt und der politische Gegner beginnt uns erst zu nehmen und teilweise auch zu fürchten. Wie heißt es so schön?

âEUR?Zuerst ignorieren sie dich, dann lachen sie über dich, dann bekämpfen sie dich und dann gewinnst du.âEURoe
Mahatma Gandhi

Ich bin mir mittlerweile sehr sicher, dass wir uns in „Phase 3“ befinden. Die Piratenpartei wird ab sofort von ihren politischen Gegnern bekämpft. Bis vor kurzem war es für diese noch undenkbar, das Wort Piratenpartei auch nur in den Mund zu nehmen, denn schließlich könnte man damit jemanden auf uns aufmerksam machen.

Für uns Piraten heißt es nun „Segeln lernen“: Zurecht kommen mit der gestiegenen Aufmerksamkeit, mit berechtigter Kritik, mit Diffamierungen, mit Missverständnissen, mit falschen Freunden, mit dem ungebremsten Wachstum und mit vielem, vielem mehr, was diese Welt für uns (und gegen uns) zu bieten hat.

Der erste „Segelkurs“ fand am Sonntag in Berlin statt. Gemeinsam mit einem Dutzend weiterer Vorstandspiraten, Spitzenkandidaten und Pressesprecher nahm ich dort an einem Medientraining teil. Wir haben viel über nonverbale Kommunikation gelernt und einige Interviewtrainings durchgeführt. Ein Tag bewirkt sicherlich noch keine Wunder, doch es ist ein guter Anfang und es hat viel Spaß gemacht. Eine raue, stürmische See liegt vor uns, doch ich bin sicher, dass wir sie meistern werden. Nicht zuletzt, weil wir authentisch sind. Weil wir eine Vision haben, die uns antreibt, die uns zusammen gebracht hat und die uns zusammen hält.