In Ägypten wird gewählt, glaub ich.

Heute in einer Woche wird in Kairo gewählt. So steht es zumindest bei Wikipedia. Und so lese ich es in deutschen Medien.

Interessanterweise konnte mir kein Ägypter, den ich vor Ort befragt habe, einen Wahltermin nennen. Es ist zugegebenermaßen auch recht kompliziert, da es unterschiedliche Wahltermine für unterschiedliche Regionen gibt. Zudem war meine Befragung alles andere als repräsentativ und wissenschaftlich.

Trotzdem war ich erstaunt, als ich Antworten bekam wie „Es steht doch noch gar kein konkreter Wahltermin fest“ und „28.11? Nein davon weiß ich nichts“. Wenn jemand genauer weiß, ob und wie die ägyptische Bevölkerung über die anstehenden Wahlen informiert wurde, her mit den Infos.

Wahlplakate in Kairo, Ägypten (2011)

Wahlplakate wurden schon fleißig aufgehängt, wie die nebenstehenden Bilder zeigen, sowohl in der Hauptstadt Kairo, als auch in abgelegenen Gegenden wie der Oase Dakhla, in der erst im Januar gewählt werden soll. Keines der Plakate enthält einen Wahltermin.

Wahlplakate in Mut, Al-Wadi al-dschadid, Ägypten (2011)

Und nun lese ich auch noch folgendes: „Neue Gewalt gefährdet ägyptische Wahlen

Die Lage auf dem Tahrir-Platz in Kairo bleibt kritisch. Wieder haben sich Demonstranten und Sicherheitskräfte Strassenschlachten geliefert. Fraglich bleibt, ob und wie nächste Woche in Ägypten gewählt werden soll.

Wann und wie auch immer gewählt wird: Essentiell für das Aufkeimen der ägyptischen Demokratie ist auch, wer die Wahl gewinnt. Meinen (ebenfalls nicht repräsentativen) Eindrücken zufolge sind, zumindest in den ländlicheren Regionen, die islamisch geprägten Parteien leider sehr stark. Von denen gibt es neben den hierzulande immer wieder gern erwähnten „Muslimbrüdern“ noch einige weitere, wie zum Beispiel die Partei „Das Licht“. Eine Trennung von Religion und Staat halten die Anhänger dieser Parteien leider nicht für notwendig.

Wahlbanner der Partei "Das Licht" (al-nur) in Mut (2011)

Insgesamt fehlt der ägyptischen Bevölkerung meiner Meinung nach noch das Verständnis vieler demokratischer Grundprinzipien. Ob nun islamische Parteien die Trennung von Religion und Staat verwässern, oder das Militär einen Sonderstatus in der Verfassung erlangen möchte: Ich befürchte, dass den wenigsten Ägyptern die Konsequenzen für die Demokratie bewusst sind. Aber auch das sind nur subjektive Eindrücke eines zweiwöchigen Besuchs. Ich lasse mich gerne eines Besseren belehren. Vielleicht sorgt die Vernetzung für genug Aufklärung und anhaltende Proteste im Falle einer wie auch immer gearteten Pseudo-Demokratie.

Ägypten: Auf dem Weg zur Demokratie oder in die nächste Diktatur?

Da mein nächster Ägyptenurlaub kurz bevor steht, denke ich, ein kurzer Blick auf die politische Lage seit der Revolution wäre angebracht. Mein letzter Besuch dort war in 2008 und seitdem hat sich ja ein bisschen was getan.

Seit ich 2006 das erste Mal in Ägypten war, dort mit Einheimischen gesprochen und mich im Zuge dessen auch ein wenig mit der Geschichte und Gegenwart Ägyptens befasst habe, bezeichnete ich Mubarak unumwunden als Diktator, während westliche Medien und Politiker noch den „Präsidenten“ heuchelten.

Ich bin sehr froh, dass sich die Ägypter seiner endlich entledigt haben. Gleichzeitig sorge ich mich seit der Machtübernahme des Militärs, dass Ägypten damit in die nächste Diktatur stürzt. Denn wer einmal Macht besitzt, gibt diese nur ungern wieder ab.

Wie ist also nun die Situation in Ägypten? Einen journalistisch fundierten Hintergrundbericht kann ich nicht bieten, sondern derzeit auch nur Infos aus dem Netz zusammentragen. Also denkt selbst und recherchiert selbst, wenn ihr etwas genau wissen wollt. Wenn ich wieder zurück bin, kann ich sicher ein paar Eindrücke von vor Ort bieten, aber soweit sind wir ja noch nicht.

Regierung und Wahlen

In Ägypten regiert derzeit der  „Oberste Militärrat„, dessen Vorsitzender Mohammed Hussein Tantawi ist. Interessant ist, dass Tantawi bereits Verteidigungsminister unter Mubarak war, als enger Vertrauter des ehemaligen Diktators gilt und sich deshalb den Spitznamen „Mubaraks Pudel“ eingehandelt hat.

Nichtsdestotrotz hat die Militärregierung freie, demokratische Wahlen versprochen und für die gibt es mittlerweile Termine: 28. November 2011, 14. Dezember 2011 und 03. Januar 2012 (je nach Region). Die Volksversammlung soll dann am 17. März 2012 zum ersten Mal tagen. Präsidentschaftswahlen soll es erst nach Ausarbeitung einer neuen Verfassung geben.

Leicht ist es indessen nicht, an der Wahl teilzunehmen: Nachdem jegliche Opposition jahrzehntelang unterdrückt wurde, müssen sich zunächst einmal Parteien formieren. Die Gründung einer Partei muss gemäß Art. 7 des Parteiengesetzes dem „Committee on Political Parties“ schriftlich bekannt gegeben und Unterschriften von 5.000 (fünftausend) Gründungsmitgliedern müssen vorgelegt werden.

Grund- und Menschenrechte

Mubarak regierte seine gesamte Amtszeit lang unter Anwendung eines Notstandsgesetzes, welches fast sämtliche durch die Verfassung garantierten Grundrechte aufhob. Statt solch diktatorische Vollmachten und Einschränkungen der Freiheit aufzuheben lässt die Militärregierung das Notstandsgesetz jedoch weiter in Kraft.

Und es kommt noch härter: Die Versammlungsfreiheit wurde sogar weiter eingeschränkt!

Offenbar ist die neue Militärregierung keinen Deut besser als Diktator Mubarak. Anfang April flammten daher die Proteste neu auf und die Menschen forderten die Absetzung von Tantawi und des Militärrats. Während sich das Militär bei den Demonstrationen gegen Mubarak noch neutral zurückhielt, zeigte die Militärjunta nun ihr wahres Gesicht und ging gewaltsam gegen die Demonstranten vor.

Auch die Meinungsfreiheit scheint beim Regime unbeliebt zu sein: Ein ägyptischer Blogger, welcher das Militär kritisierte wurde kurzerhand vors Militärgericht gestellt und in einem Schnellverfahren zu drei Jahren (!) Haft verurteilt. Er kritisierte unter anderem, dass der Diktator weg sei, nicht aber die Diktatur, was die Militärregierung mit ihrer Reaktion unweigerlich bestätigte.

Laut des „Hisham Mubarak Law Center“ hat die Militärjunta in nur 7 Monaten rund 12.000 (!) Zivilisten vor Militärgerichte gestellt – Mubarak 2.000 in 30 Jahren.

Eine Frage der Zeit?

Eine Demokratie sieht zweifelsohne anders aus. Aber war ernsthaft zu erwarten, dass ein Rücktritt Mubaraks sogleich zu demokratischen Verhältnissen führt? Ist die Militärregierung nicht vielmehr ein „notwendiges Übel“ um Stabilität bis zu den Wahlen zu gewährleisten und der Demokratisierung die notwendige Zeit zu geben?

Zumindest habe ich ähnliche Argumente nach dem Sturz von Mubarak gehört, als ich damals die Machtübernahme des Militärs anprangerte. Mir fällt es jedoch schwer nachzuvollziehen, wie die Inhaftierung von Kritikern und der Angriff auf Demonstranten für Stabilität und Demokratisierung sorgt.

Werfen wir trotzdem einen Blick auf die Agenda: Wahlen von November bis Januar und konstituierende Sitzung im März. Spätestens im April sollen dann in einer gemeinsamen Sitzung der Vollversammlung und der beratenden Schura 100 Leute gewählt werden, die ein verfassungsgebendes Gremium bilden. Über die entstandene Verfassung soll es eine Volksabstimmung geben. Sobald dies geschehen ist soll innerhalb von maximal 60 Tagen ein neuer Präsident gewählt werden.

Vor Mitte 2012 ist also ohnehin nicht mit einer demokratischen Regierung zu rechnen. Auch nach der Wahl zur Vollversammlung wird die Militärjunta mit den diktatorischen Vollmachten der Notstandsgesetze weiter regieren. Zwar wurde angekündigt den Ausnahmezustand noch vor den Wahlen aufzuheben, dies wurde jedoch schnell zu einem „überdenken“ und mangels konkretem Termin erscheint das ganze wie eine typische Beschwichtigung.

Ob in einem Staat, in dem praktisch jedem jederzeit die Inhaftierung drohen kann, die unabhängige Ausarbeitung einer Verfassung überhaupt möglich ist, wage ich zu bezweifeln. In den kommenden Monaten hat die Militärjunta viel Zeit, ihre Macht und ihren Einfluss weiter auszubauen und zu festigen. Man darf gespannt sein, inwieweit die neue Verfassung dieser Position in die Hände spielen wird, oder ob die sie dem Machtmissbrauch und der Willkür Einhalt gebieten wird. Einen „Präsidenten Tantawi“ der das Land in der Tradition Mubaraks weiterregiert wünsche ich den Ägyptern jedenfalls nicht.

Deine Stimme zählt!

Bereits vor der Landtagswahl in Hessen hatte ich erklärt, warum deine Stimme für die Piratenpartei nicht verschenkt ist. Jetzt steht die Bundestagswahl vor der Tür und es ist höchste Zeit, den Artikel auf den neuesten Stand zu bringen. Denn es ist viel passiert, in den letzten Wochen und Monaten. Deine Stimme ist bei weitem nicht verschenkt. Sie zählt – und zwar auf vielerlei Weisen.

  1. 5% sind keine Utopie mehr
  2. Mit deiner Stimme unterstreichst du die Bedeutung der Ziele
  3. Deine Stimme zahlt sich aus
  4. Nach der Wahl ist vor der Wahl
  5. Nicht-Wähler stärken die etablierten Parteien
  6. Wer unehrlich wählt, verschenkt seine Stimme

1) 5% sind keine Utopie mehr

Noch vor wenigen Wochen habe ich es selbst belächelt: 5% – natürlich nicht. Doch die nicht abflachende Welle an Zustimmung, die die Piratenpartei seit einigen Monaten trägt ist überwältigend. Da ist zum einen der nicht enden wollende Zustrom an engagierten Neumitgliedern und die damit einhergehende Ausbreitung bis in die letzten Winkel des Landes. Da sind die Wähler, die an Infoständen auf uns zukommen und verkünden, dass sie uns wählen werden, oder per Briefwahl schon gewählt haben – die Presse, die uns immer stärker wahr und ernst nimmt und etablierte Politiker deren Angst spürbar wird.

Angefangen bei 0,3% bei der ersten Wahl in Hessen, über 0,5% bei der dortigen Neuwahl und 0,9% bei der Europawahl, hat sich die Piratenpartei mittlerweile auf fast 2% (Landtagswahl Sachsen) hochgearbeitet und sitzt mittlerweile in den ersten Stadtparlamenten. Der Aufwärtstrend ist klar erkennbar – nicht zuletzt trägt deine Stimme dazu bei. 5% mögen unwahrscheinlich klingen, doch sie sind keine Utopie mehr.

2) Mit deiner Stimme unterstreichst du die Bedeutung der Ziele

Nach wie vor trägt deine Stimme für die Piratenpartei dazu bei, Themen wir Transparenz, Datenschutz, Netzpolitik und Bürgerrechte verstärkt in den politischen Diskurs einzubringen. Mit jeder Stimme mehr für die Piratenpartei, wird es für die etablierten Parteien schwieriger, diese Themen zu ignorieren und an den Wählern vorbei zu diskutieren.

Zwar hat sich auch die Opposition mittlerweile einige Piraten-Themen auf die Fahnen geschrieben. Aber wie glaubwürdig ist das? Die Grünen haben unter Rot-Grün mit den Otto-Katalogen selbst Überwachungsbefugnisse eingeführt und unter anderem die Vorratsdatenspeicherung mit vorbereitet! Die FDP hat in Nordrhein-Westfalen erstmals heimliche Online-Durchsuchungen eingeführt, was aber zum Glück vom Bundesverfassungsgericht gekippt wurde. Die Linken sitzen in der Berliner Landesregierung und haben die Videoüberwachung ausgeweitet. In der Opposition redet es sich leicht, aber es kommt darauf an, was in der Regierung gemacht wird. Dort haben alle etablierten Parteien versagt! Um die Ziele der Piraten wirklich durchzusetzen, benötigen wir eine starke Piratenpartei.

3) Deine Stimme zahlt sich aus

Durch das hervorragende Ergebnis bei der Europawahl wird die Piratenpartei bereits bei der staatlichen Parteienfinanzierung berücksichtigt. Jede einzelne Stimme bringt der Piratenpartei somit Geld für die politische Arbeit ein. Deine Stimme zahlt sich im wahrsten Sinne des Wortes aus.

Aufgrund der Parteienfinanzierung sollte man über Proteststimmen gut nachdenken und immer im Hinterkopf behalten wen und was man damit finanziert. Wer aus Protest z.B. NPD wählt, finanziert damit auch rechte Propaganda und Ausländerhetze!

Jede Stimme für die Piratenpartei hilft uns, mehr und vielfältigeres Werbe- und Informationsmaterial zu finanzieren, Räume für Info-Abende und Podiumsdiskussionen anzumieten und vieles mehr. Das ist wichtig um noch bekannter zu werden, denn ein Großteil der Wähler kennt uns immer noch nicht.

4) Nach der Wahl ist vor der Wahl

Ja ja, der alte Spruch, ich weiß. Aber es ist nunmal so. In Rheinland-Pfalz z.B. stehen Anfang 2011 schon wieder Landtagswahlen an. Ein gutes Ergebnis für die Piratenpartei setzt ein Zeichen! Es ist ein Signal für die etablierten Parteien und für die Wähler, auch wenn die Piratenpartei unter 5% bleibt. Ab 3% bekommt man bei vielen Umfrageinstituten einen eigenen Balken. Viele derjenigen, die vorher zögerten werden dann erkennen: „Meine Stimme hätte ja doch etwas gebracht. Die Piratenpartei ist gar keine chancenlose Kleinpartei, sie hat wirklich die Chance auf 5%!“ Wenn es diesmal nicht klappt, dann wird es bei den nächsten Landtagswahlen klappen. Setze mit deiner Stimme ein Zeichen, dass die Piratenpartei wirklich das Potential hat, in den Bundestag einzuziehen. Rüttle die Zweifler wach!

5) Nicht-Wähler stärken die etablierten Parteien

Viele Nicht-Wähler sind immer noch der Meinung, sie signalisieren den etablierten Parteien durch ihren Boykott ihre Unzufriedenheit. Diese Nachricht kommt bei den Etablierten nicht an. Es ist ihnen schlicht egal, ob sie jetzt 30% durch Millionen oder Tausende Wahlberechtigte bekommen haben. Wer nicht wählt, signalisiert: Es soll alles so bleiben wie es ist. Prozentual gesehen kommt die Nicht-Wahl gerade den etablierten Parteien sogar zugute, da die Stimmen der eigenen Anhänger quasi mehr zählen. Je besser das Ergebnis einer Partei ohnehin schon ist, desto stärker profitiert sie davon.

6) Wer unehrlich wählt, verschenkt seine Stimme

In einem Beitrag kürzlich hatte ich ja schonmal dazu aufgerufen: Wählt ehrlich! Denn wer seine Stimme aus vermeintlich taktischen Gründen abgibt, verschenkt sie letztendlich. Hand aufs Herz: Wem hat taktisches Wählen schonmal was gebracht? Was ist gut daran, eine Partei zu wählen, mit der man sich eigentlich gar nicht identifizieren kann, nur um eine andere zu verhindern? Die „kleineren Übel“ regieren seit Jahrzehnten im Wechsel, unsere Grundrechte schwinden immer mehr dahin und die Politik entfernt sich weiter vom Bürger. Schluss damit! Es ist Zeit die Partei zu wählen, hinter der man wirklich steht.