Der JMStV wurde gekippt! Nun droht der JMStV!

Ja gibt es denn noch Zeichen und Wunder? Wie gestern angekündigt wurde der neue JMStV heute im nordrhein-westfälischen Landtag tatsächlich gekippt! Späte Einsicht bei den etablierten Parteien? Wohl kaum. Vielmehr billiges politisches Geschacher.

Ich weiß nicht was die CDU da geritten hat, jedenfalls kündigten die schon vorgestern an, den JMStV abzulehnen. Dabei wurde er doch noch unter Rüttgers mit ausgearbeitet. Jedenfalls ist es der CDU damit gelungen, die SPD und die Grünen tierisch dumm dastehen zu lassen. Deren Minderheitsregierung reicht nämlich nicht aus, um den JMStV positiv abzustimmen.

Nun wäre es natürlich äußerst blamabel, wäre der JMStV entgegen der Für-Stimmen von SPD (selbsternannte Netzpartei) und Grünen (sind eigentlich gegen den JMStV) abgelehnt worden. Es wundert mich daher nicht, dass nun auch diese Parteien eingeknickt sind und der JMStV heute fraktionsübergreifend abgelehnt wurde.

Doch der Spaß geht jetzt erst richtig los: Der JMStV ist ja keine neue Erfindung – den gibt es bereits! Wir haben davon bisher lediglich kaum etwas mitbekommen, weil ein erhebliches Vollzugsdefizit zu verzeichnen ist. Die Regelungen des aktuellen JMStV sind so dermaßen weltfremd, dass bisher niemand ernsthaft auf die Idee kam, deren Umsetzung großflächig einzufordern. Lediglich in den Mediatheken von ARD und ZDF stößt man hin und wieder auf die lächerliche Sendezeitenregelung.

Ja, die gibt es bereits derzeit im JMStV und das wurde ja auch immer wieder als Argument der Befürworter eingebracht: „Sendezeiten gibts doch schon, warum beschwert ihr euch?“ Weil Sendezeiten Unfug sind – nach wie vor! Man hätte die Novellierung des JMStV z.B. nutzen können um diese Regelung raus zu werfen. Aber nein: es wurde weiterer Unfug hinzugefügt.

Unterdessen tobt es in der rheinland-pfälzischen Staatskanzlei: Kurt Beck ist außer sich und droht nun mit staatlicher Regulierung von oben. Er will offenbar die bisherigen Regelungen des JMStV mit aller Gewalt durchsetzen. Dazu zählen auch Sperrverfügungen! Sperrverfügungen? Ja, Sperrverfügungen! Die KJM kann nach § 20 Abs. 4 JMStV in Verbindung mit § 59 Abs. 2 bis 4 des Rundfunkstaatsvertrags gegenüber Inhalts- und Diensteanbietern „Angebote untersagen und deren Sperrung anordnen“.

Bisher wurde meines Wissens noch kein Gebrauch von dieser Regelung gemacht, um Webseiten zu sperren, prinzipiell ist es jedoch möglich. Und da König Kurt nun offen damit droht, sollten wir ihm diese Waffe schnellstens aus der Hand nehmen.

Auf ein Neues: Großdemo gegen Überwachung in Berlin!

Die weder geplante noch angekündigte Sommerpause dieses Blogs ist nun vorüber. Zwischenzeitlich habe ich die neueste WordPress Version installiert und dem Blog ein neues Design verpasst.

Zum Warmwerden eine schnelle Info zur nächsten großen Demo (über die ihr aber hoffentlich schon längst informiert seid): Es ist wieder soweit, auch dieses Jahr wird es eine Großdemo gegen den Überwachungswahn geben.

Die wichtigsten Daten in Kürze:

11.09.2010, 13 Uhr
Potsdamer Platz, Berlin
http://FreiheitStattAngst.de

Ja, die Vorratsdatenspeicherung wurde in Deutschland abgeschafft, aber es geht um weit mehr. Es geht um den sich nach wie vor ausbreitenden Wahn einiger Personen, unsere über Jahrhunderte unter Einsatz zahlreicher Menschenleben erkämpften demokratischen Rechte für ein vermeintliches Gefühl der Sicherheit opfern zu können, ja sogar zu müssen. Das muss stoppen! Jetzt! Sofort!

Der Druck der Zivilbevölkerung muss weiter anhalten – nein, er muss noch verstärkt werden. Die Regierungsbeteiligung der FDP macht es nicht besser. Diese Partei koaliert tatsächlich mit einem der größten Feinde der Freiheit und nennt diese Haltung liberal. Sie lässt zu, dass persönlichste Daten europäischer Bürger in die USA wandern und bezeichnet dies als einen Zugewinn an Datenschutz. Die FDP darf sich gerne zu der anderen Verräterpartei gesellen – wie hieß die nochmal? – SPD.

Zurück zum Thema: Am 11. September gehen wir auf die Straße. Du, ich und viele viele andere. Den Wahnsinn der Überwachungsfanatiker wird das nicht umkehren. Aber es wird weitere Bürger aufrütteln, es wird die Bewegung zusammenschweißen und gemeinsam werden wir die feuchten Überwachungsfantasien und die, die sie träumen, dahin zurückdrängen wo sie hingehören: Ins politische Abseits, wo sie keinen Schaden anrichten, sondern bestenfalls als Parolen einiger Spinner verhallen.

„Diffus bedrohliches Gefühl des Beobachtetseins“

Die Vorratsdatenspeicherung war Ende 2007 der Anlass für mich, erstmals auf die Straße zu gehen. Durch sie kam ich mit Aktivisten des AK Vorrat und der Piratenpartei in Kontakt. Die Vorratsdatenspeicherung hat eine große Bürgerrechtsbewegung hervorgebracht und die größte Verfassungsbeschwerde aller Zeiten provoziert.

Gestern wurde die Vorratsdatenspeicherung vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig und nichtig erklärt. Alle Daten, die noch nicht an Ermittlungsbehörden weitergegeben wurden, müssen umgehend gelöscht werden. Der Provider 1&1 hat nach eigenen Angaben schon damit angefangen.

Eine Speicherung von Telekommunikationsverbindungsdaten auf Vorrat gibt es damit in Deutschland nicht mehr. Viele Jahre haben wir dafür gekämpft. Dass das Gesetz komplett gekippt wird, habe ich zwar für möglich, aber nicht für sehr wahrscheinlich gehalten.

Die Vorratsdatenspeicherung ist ein schwerwiegender Eingriff in die Grundrechte, da sie geeignet ist „ein diffus bedrohliches Gefühl des Beobachtetseins hervorzurufen, das eine unbefangene Wahrnehmung der Grundrechte in vielen Bereichen beeinträchtigen kann“, begründet das Verfassungsgericht. Die Umstände der Kommunikation seien ebenso schutzbedürftig wie deren Inhalt. Allerdings sei eine anlasslose Speicherung „nicht schlechthin“ mit dem Grundgesetz unvereinbar. Daher greifen die Richter die zugrunde liegende EU-Richtlinie nicht an und verweisen auch nicht an den europäischen Gerichtshof. Laut den Verfassungsrichtern sei eine verfassungskonforme Umsetzung der EU-Richtlinie möglich.

Hohe Anforderungen

An die Ausgestaltung dieser Umsetzung stellen die Richter jedoch sehr hohe Anforderungen: Um die Verhältnismäßigkeit zu wahren muss die Normenklarheit in Bezug auf Datensicherheit, Datenverwendung, Transparenz und Rechtsschutz gegeben sein. Datensicherheit betrifft dabei sowohl die Aufbewahrung als auch die Übermittlung und Löschung der Daten. Sicherheitsstandards müssen sich am aktuellen Stand der Technik orientieren, die Daten müssen asymmetrisch verschlüsselt werden, die Rechner vom Internet getrennt sein und ein 4-Augen-Prinzip sichergestellt werden. Der Zugriff auf und die Löschung der Daten müssen revisionssicher Protokolliert werden. Um die Transparenz zu wahren muss es zudem Informationspflichten bei Datenschutzverletzungen geben. Der Betroffene muss beim Abruf der Daten informiert werden, falls kein anders lautender richterlicher Beschluss vorliegt. Um einen sicheren Rechtsschutz zu gewährleisten hat der Zugriff zudem unter einem Richtervorbehalt zu stehen und den Betroffenen muss ein Rechtsschutzverfahren möglich sein. Verletzungen des Datenschutzes und der Datensicherheit müssen wirksam sanktioniert werden.

Eine neue Vorratsdatenspeicherung?

Da das derzeitige Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung komplett für nichtig erklärt wurde, geht der Gesetzgebungsprozess nun komplett von neuem los, wenn die Regierung denn überhaupt noch eine Umsetzung wünscht. Die selbsternannte Bürgerrechtspartei FDP hätte nun Gelegenheit sich als solche zu beweisen und sich dafür einzusetzen, dass die EU-Richtlinie komplett zurück genommen wird. Wir sind in Europa nicht allein: Schweden weigert sich die Vorratsdatenspeicherung umzusetzen, Österreich befindet sich immer noch im Gesetzgebungsprozess und hat sich deshalb schon ein Vertragsverletzungsverfahren eingehandelt, Rumänien hatte die Vorratsdatenspeicherung bereits letztes Jahr für verfassungswidrig erklärt.

Es ist jetzt an der Zeit, die Vorratsdatenspeicherung auf europäischer Ebene zu Fall zu bringen! Leider hat es die CDU immer noch nicht verstanden und behauptet dreist, die Speicherung sei nötig „um die Bürgerinnen und Bürger wirksam vor schweren und schwersten Straftaten schützen zu können“. Ich bin es langsam leid auf solche unsinnigen Behauptungen einzugehen… Muss ich auch nicht, steht ja alles hier.

Ich hoffe doch sehr, dass die CDU mit ihren Bestrebungen die Vorratsdatenspeicherung neu aufzusetzen alleine dasteht. Nicht alles was verfassungsrechtlich machbar ist muss auch umgesetzt werden. Zudem halte ich es für enorm schwierig die umfangreichen Rahmenbedingungen des Bundesverfassungsgerichts wirksam einzuhalten. Allein die Formulierung eines entsprechenden Gesetzes dürfte eine große Hürde darstellen. Die effektive Umsetzung der Datensicherheits- und Transparenzanforderungen in der Praxis halte ich für Utopie.

Die FDP und die Lobbyisten

Es bleibt zu hoffen, dass die FDP dem Druck der CDU standhält. Mehr Sorgen als der Einfluss der CDU, macht mir jedoch die Musikindustrie, die sich über eine Hintertür des Urteils gerade besonders freut: Für die Identifkation von Nutzern hinter einer IP-Adresse hat das Gericht nämlich deutlich geringere Hürden gesetzt. Begründet wird dies damit, dass bei einer Identifikation ja keine Vorratsdaten herausgegeben würden. Der Anbieter ermittle mittels der Vorratsdaten lediglich intern die zugehörigen Bestandsdaten. Herausgegeben würden nur Bestandsdaten, d.h. Name und Adresse des Kunden. Zudem sei für diese Anfragen weder ein Richterbeschluss nötig, noch beschränke sich der Zugriff auf schwere Straftaten. Die Abfrage von Bestandsdaten zu einer IP-Adresse sei auch bei gewichtigen Ordnungswidrigkeiten erlaubt. In der Urteilsbegründung wird sogar ausdrücklich die Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen genannt.

Die FDP ist nicht gerade für eine liberale Urheberrechtspolitik bekannt. Ich bin gespannt ob sie der Verlockung widersteht eine Vorratsdatenspeicherung zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen einzuführen. Ich fürchte spätestens bei diesem Stichwort wird die Partei einknicken. Vielleicht wird Frau Leutheusser-Schnarrenberger dann abermals so stark sein, von ihrem Amt zurückzutreten – nützen wird uns dies jedoch wenig.

Durchatmen und weiterkämpfen

Zunächst einmal haben wir uns jedoch Luft geschaffen. Die Vorratsdatenspeicherung ist vom Tisch und diejenigen sind im Zugzwang, die sie wieder einführen möchten. Ich habe es gestern genossen erstmals wieder vorratsdatenfrei zu kommunizieren (auch wenn das vermutlich ein Trugschluss war, da es sicher noch ein paar Tage dauern wird, bis alles abgeschaltet und gelöscht ist). Das Gesetz ist in Deutschland erstmal vom Tisch. Der AK Vorrat kündigt bereits an, nun auf europäischer Ebene weiter vorzugehen. Wir haben einen wichtigen Etappensieg errungen, den wir weiter ausbauen können. Zudem gibt es noch weitere wichtige Baustellen denen wir uns widmen müssen: Spontan fallen mir ELENA, JMStV und ACTA ein. Auch das Zugangserschwerungsgesetz ist nach der Unterschrift Köhlers wieder auf der politischen Tagesordnung. Es gibt also viel zu tun. Packen wirs an!

Weiterführende Links

Am 27. September ehrlich wählen!

Schon wieder stehen Bundestagswahlen an und schon wieder kommen Fragen auf. Wer vertritt meine Ziele und Vorstellungen am besten? Wer kann die Probleme unseres Landes lösen? Wer vertritt seine Position glaubwürdig? Das sind doch die Fragen die sich ein Wähler so stellt, oder? Zumindest sollte es meiner Meinung nach so sein. Doch was muss ich immer öfter hören? „Wir müssen Schwarz-Gelb verhindern!“

Klar, eine schwarz-gelbe Regierung unter Führung der CDU wäre übel und für die Bürgerrechte würden es wohl vier weitere „schwarze“ Jahre werden. Denn in einer Koalition muss man schließlich Kompromisse machen und da ist es doch super für die FDP, dass es wenigstens mit der Steuerpolitik klappt, wenn sich schon die Bürgerrechte nicht durchsetzen lassen.

„Wir müssen schwarz-gelb verhindern!“, hallt es wider. Und die Frage, die sich ein anständiger Wähler da stellt lautet selbstverständlich: Wen muss ich wählen um dies zu erreichen? Die Stimme für eine Kleinpartei ist natürlich verschenkt, denkt er sich. Denn die fehlt ja dann für Rot-Grün! Aber Moment mal: Rot-Grün hat doch auch die Bürgerrechte ruiniert! Man erinnere sich an die Zeit mit Innenminister Schily – und es ist ja auch nicht alles schlecht an Netzsperren, denken selbst heute viele Grüne. „Alles Unwichtig“, sagt der Stratege, denn wir müssen ja Schwarz-Gelb verhindern! Darauf kommt es an!

Aber es gibt auch Leute, die sehen das alles ganz anders. Die haben erkannt, dass es noch andere Übel gibt, die es zu verhindern gilt: Eine weitere große Koalition, eine Regierungsbeteiligung der Linken, rot-grün sowieso und solche verrückten Sachen wie Ampel, Jamaika oder gar schwarz-grün – nein das kann doch keiner wollen! Wir müssen verhindern, verhindern und nochmals verhindern. Und zu jedem großen Übel gibt es ein kleineres Übel, mit dem man es verhindern kann. Alle wollen nur noch verhindern und denken gar nicht mehr daran was sie wirklich wollen. Sie denken nur noch daran was sie nicht wollen und wie man das am besten verhindern kann. Taktisches Wählen nennt sich das dann stolz! Welch ausgefeilter Plan!

Besonders interessant: Gerade die Leute, die glauben ihre Stimme für eine kleine Partei sei eine verschenkte Stimme, sind der Meinung, sie könnten mit der gleichen einen Stimme irgendeine Koalition verhindern.

Leute, ihr beschwert euch über unehrliche Politiker? Ihr seid selbst nicht besser, wenn ihr unehrlich wählt, indem ihr eure Stimme an das „kleinere Übel“ verschenkt, statt eure aufrichtige Meinung auf dem Wahlzettel kund zu tun. Eine Stimme, mit der ihr eure Meinung nicht vertretet, ist eine verschenkte Stimme. Deshalb: Am 27. September ehrlich wählen!

Nachbetrachtung der Demo am 06. Juni in Mainz

"Freiheit statt Angst" Mainz 06. Juni 2009Kurze Zusammenfassung für Eilige: Die Demo ist trotz des Regenwetters toll gelaufen. Rund 200 Menschen haben gemeinsam gegen den staatlichen Überwachungswahn, den Datenmissbrauch durch Unternehmen und die Zensurbestrebungen der Regierung demonstriert. Die Zusammenarbeit mit der Polizei lief von Anfang an hervorragend. Ein paar Probleme gabs mit der Tonanlage und dem LKW. Der Demonstrationszug konnte viele Passanten auf sich aufmerksam machen und ging auch an Infoständen der FDP, CDU und SPD vorbei. Insgesamt hätten die Demonstranten aber auch etwas lauter sein dürfen. Zeitlich hat die Koordination mit der Demo in Ingelheim gut funktioniert.

Zusammenarbeit mit der Polizei

Als Versammlungsleiter war ich für die Kommunikation mit der Polizei verantwortlich. Nach allem was ich bisher von Demos in anderen Städten gehört habe, war ich positiv überrascht. Am Morgen wurde ich von der Polizei angerufen und wir vereinbarten ein kurzes Treffen am Versammlungsort. Dort besprach ich bei einem Kaffee den Ablauf der Demonstration mit dem zuständigen Polizisten. Er brachte mir sogar noch eine Kopie der Anmeldebestätigung mit, die ich hinter die Windschutzscheibe legen konnte, um mit meinem Auto auf dem Bahnhofsplatz stehen bleiben zu können.

Während der Demonstration waren kaum Polizisten im Einsatz. Außer dem Wagen der voraus fuhr, bemerkte ich kaum etwas. Wir konnten die Demoroute wie geplant ablaufen, es gab keinerlei Probleme. Im Gegenteil, die Polizei war uns regelrecht wohlgesonnen und schien fast Mitleid mit uns zu haben, aufgrund des schlechten Wetters. Auch beim Schätzen der Teilnehmerzahl gab es keine Meinungsverschiedenheiten, von beiden Seiten wurden 200 Teilnehmer als realistisch betrachtet.

Versammlungsbeginn, Reden & Technik, Ausstattung vor Ort

Wir bauten zwei Infostände auf dem Bahnhofsplatz auf, einen vom AK Vorrat und einen von der Piratenpartei. Die anderen Unterstützerorganisationen hatten leider keinen. Der LKW mit der Tonanlage und weiterem Material kam etwas zu spät, aber wir lagen weiterhin gut im Zeitplan. Leider gab der auf den letzten Metern den Geist auf, sodass wir ihn an die richtige Position schieben mussten und wir ihn auch nicht während des Demo-Zuges nutzen konnten.

Die Anlage war nur bedingt brauchbar. Sie hatte zwischendurch immer wieder Aussetzer. Zeitweise mussten die Redner mit dem Megafon sprechen, welches aber ziemlich leistungsstark war. Ich hatte leider kaum Gelegenheit mir die Reden anzuhören, da ich ständig irgendwo verlangt wurde und mir sind auch leider keine Aufzeichnungen bekannt. Meine Rede gibt es als PDF.

Demonstrationszug & Aufmerksamkeit vor Ort

"Freiheit statt Angst" Mainz 06. Juni 2009Mit Pfeifen, Fahnen und Transparenten ausgestattet, setzte sich der Demonstrationszug pünktlich in Bewegung. Es mangelte aber offenbar an Flyern, zumindest habe ich kaum jemanden verteilen sehen. Zudem war die Demo mal wieder zu leise. Das ist ein bekannten Phänomen bei Anti-Überwachungsdemos. Ich will ja jetzt keine Vorurteile anheizen, aber vielleicht liegt das auch daran, das unverhältnismäßig viele Nerds der Bewegung angehören 😉 Allerdings habe ich auch unerwartet viele neue Gesichter gesehen. Wahrscheinlich war es für viele auch einfach nur ihre allererste Demo und es fehlt noch an Erfahrung und Mut den Mund auf zu machen. Traut euch Leute! Das nächste mal will ich mehr hören. So eine Pfeife ist auch ganz leicht zu bedienen, das reicht ja für den Anfang 😉

Immerhin waren zwei oder drei erfahrene Leute mit Megafon in der Menge und heizten die Stimmung an. Dann dauerte es nicht lange und die Menge stimmte mit ein in Sprüche wie „SPD und CDU, lasst das Grundgesetz in Ruh!“, „Nur die Diktatur braucht Zensur!“ oder das altbekannte und beliebte „Freiheit statt Angst!“.

Einige Male wurden wir dann richtig laut, insbesondere wenn viele Passanten da waren. Die wurden zusätzlich per Megafon aufgeklärt, warum wir demonstrieren und einige schlossen sich uns sogar spontan an. Besonders cool war, dass wir an Infoständen der CDU, SPD und FDP vorbeikamen. Die guckten teilweise sehr dumm aus der Wäsche. Immerhin die FDP hatte von uns eine Einladung bekommen die Demo zu unterstützen. Offenbar meinen sie es aber doch nicht so ernst mit ihrer Bürgerrechtspolitik. Man will es sich ja auch schließlich nicht mit der CDU verscherzen…

Etwas blöd war meiner Meinung nach, dass sich der Demonstrationszug so schnell fortbewegte. Idealerweise sollte so eine Demo möglichst langsam voran schreiten um viel Aufmerksamkeit zu erhalten. War aber andererseits auch verständlich bei dem Wetter. Zwar hatte der Regen zwischendurch immer wieder ausgesetzt und wir hatten noch halbwegs Glück gehabt, trotzdem waren die meisten aber sicher froh, als wir wieder am Bahnhof ankamen. Ich habe den Zug zwischendurch immer wieder ausgebremst und so kamen wir zeitlich fast perfekt im Plan wieder am Ausgangspunkt an.

Versammlungsende

Abschließend gab es sechs weitere Reden, danach spielten wir etwas Musik und ließen die Demo langsam ausklingen. Die Polizei verabschiedete sich schon vorher, nachdem wir die Teilnehmerzahl kommuniziert hatten. Wir bauten dann so langsam die Infostände ab und einige von uns fuhren weiter nach Ingelheim zur Demo gegen den Abschiebeknast.

Öffentlichkeitsarbeit & Nachwirkungen der Demo

Im Vorfeld haben wir leider kaum Werbung für die Demo gemacht. Die Planung verlief extrem kurzfristig und viel Arbeit bleib an einigen wenigen Personen hängen. Dadurch haben wir auch die Flyer viel zu spät in Druck gegeben und erst wenige Tage vorher verteilt. Trotzdem haben wir ein bisschen mediale Aufmerksamkeit erreichen können. Die Rhein-Zeitung führte ein Interview mit Florian Altherr, Sprecher der Ortsgruppe Mainz des AK Vorrat, welches auch in der gedruckte Ausgabe erschien. Die Deutsche Welle war mit einem Kamerateam vor Ort und interviewte Alvar Freude. Den daraus resultierenden Beitrag habe ich hier schon gebloggt.

Es ist auf jeden Fall super, das trotz der geringen Öffentlichkeitsarbeit und des verdammt schlechten Wetters so viele Menschen mit uns demonstriert haben. Das ist eine gute Basis um in den nächsten Jahren weitere, größere Demos gegen den Überwachungs- und Kontrollwahn in Rheinland-Pfalz durchzuführen. Ich bin sicher, dass wir beim nächsten Mal weit über 1.000 Leute mobilisieren können – bessere Vorbereitung und gutes Wetter vorausgesetzt. Der Anfang ist gemacht – weitere Taten werden folgen. Macht euch auf was gefasst, liebe Internetausdrucker!

Irrtum der Woche: Die CDU hat die Europawahl gewonnen

Klar, die CDU feiert sich als Sieger der Europawahl. 30,7% der Wähler haben für sie gestimmt und damit hat sie jede andere Partei übertrumpft. Aber Moment mal: Fast 6 Prozentpunkte hat die CDU damit im Vergleich zu 2004 verloren. Die Wähler sind ihr also weggelaufen. Egal – Mehrheit ist Mehrheit.

Stopp! Mehrheit? Die Mehrheit der Wahlberechtigten hat doch gar keine Stimme abgegeben! So sieht es wohl aus. Zählt man die ungültigen Stimmen und die Nichtwähler zusammen, zeigt sich, dass rund 58% der Wahlberechtigten mit keiner der auf dem fast 1 Meter langen Stimmzettel aufgeführten Parteien zufrieden war.

Legt man die Anzahl der Wahlberechtigten zu Grunde, erreicht die CDU gerade einmal ein Ergebnis von 13%. Ein Ergebnis, das alles andere als representativ ist. Die von nur 13% der Wahlberechtigten gewählten Abgeordneten besetzen im Parlament die meisten deutschen Sitze.

Hier die komplette Statistik die ich auf Grundlage der Daten vom Bundeswahlleiter erstellt habe:

euwahl09-alternative-wahlstatistik
(Anklicken zum Vergrößern)

Irrtum der Woche: Online-Durchsuchung nur gegen Terroristen

Der Bundestrojaner

Es war das wohl meist geäußerte Argument bei der Diskussion um den „Bundestrojaner“: Eine heimliche Online-Durchsuchung würde ja nur gegen Terroristen eingesetzt. Es ginge schließlich darum, Anschläge zu verhindern und so Leben von unschuldigen Bürgern zu retten.

Dass dieses Argument nur der Beschwichtung dient, haben viele Kritiker schon von Anfang an befürchtet. Nun gesteht Wolfgang Bosbach (CDU) gegenüber der Neuen Osnabrücker Zeitung ein, dass die Bundesregierung den Zugriff auf die Computer der Bürger auch zur Strafverfolgung erlauben möchte:

Ein Entwurf der Bundesjustizministerin zur Änderung der Strafprozessordnung liegt bereits vor. Bei gutem Willen aller Beteiligten lassen sich die neuen Vorschriften in den nächsten Wochen abschließend beraten und beschließen.

Der massive Grundrechsteingriff, den eine solche Maßnahme mitbringt, soll also nun auch im Nachhinein möglich sein – wenn die Tat schon passiert ist. Leben werden damit nicht mehr gerettet, und von Terroristen spricht plötzlich auch niemand mehr. Es geht um Strafverfolgung, und das ist höchst problematisch. Denn unter Verdacht geraten auch die, die unschuldig sind und nichts zu verbergen haben. Aber gegen einen heimlichen Eingriff kann sich niemand wehren.

Ich bezweilfe stark, dass die Pläne der Regierung den strengen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts Rechnung tragen. Aber das ist ja nichts neues. Auch dass die SPD zunächst zurückrudert, ist keine neue Erscheinung, sondern gehört offenbar in das taktische Kalkül dieser Partei.

Foto: maha-online / flickr.com (Lizenz: cc-by-sa)

Irrtum der Woche: Es geht um den Schutz der Kinder

KinderterroristenDass Internet-Filter nicht dazu geeignet sind, Kinder vor Missbrauch zu schützen sollte mittlerweile jeder verstanden haben. Auch den Zugriff auf KiPo-Seiten kann man nicht zuverlässig unterbinden, ohne das Internet kaputt zu machen. Dass die CDU trotz allem darauf beharrt eine Zensur-Infrastruktur aufzubauen, ist ein erstes Indiz dafür, dass es der Union gar nicht um den Schutz der Kinder geht.

Diese Woche wurde es offiziell: Die Union möchte unsere Kinder nicht schützen, sondern sieht in ihnen potentielle Terroristen! Hans-Peter Uhl von der CSU bestätigte gegenüber der Berliner Zeitung, dass der Verfassungsschutz deutlich mehr Daten von Minderjährigen sammeln dürfen soll:

Damit solle eine bessere Überwachung terrorverdächtiger Minderjähriger erreicht werden

Nicht „Schutz von Kindern“, sondern „Schutz vor Kindern“ also.

Auch die SPD und die Linke sind da nicht besser: Die Rot-Rote Regierung in Berlin hat nämlich nun eine zentrale Schülerdatei beschlossen. Der Chaos Computer Club warnt und ruft zum Datenboykott auf:

Detaillierte personenbezogene Informationen über alle Kinder im schulpflichtigen Alter sollen erhoben, zentral verarbeitet und abfragbar gemacht werden âEUR“ natürlich mit umfangreichem Zugriff für Polizei und andere „Sicherheits“-Behörden. Die Datenskandale der letzten Monate haben deutlich gezeigt, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis sensible Informationen aus der Schülerdatei verlorengehen und von Kriminellen missbraucht werden. Der Chaos Computer Club (CCC) ruft daher alle Eltern zum Boykott der Erfassung ihrer Kinder auf, um sie vor Datenverbrechern zu schützen.

Ich empfehle dringend, diesen Boykott zu unterstützen.

Foto: HugoDeschamps / flickr.com (Lizenz: cc-by-sa)

Irrtum der Woche: Hessen wird jetzt konservativ regiert

konserve Schon kurz nachdem das Ergebnis der Hessenwahl bekannt war, tönte es aus allen Richtungen: „Hessen wird jetzt konservativ regiert“ … „konservativ-bürgerliche Mehrheit“ … „konservativ-liberal“ …

Von Wegen! Was bitte ist an einer CDU geführten Regierung konservativ?! Eine Partei, die das altbewährte Papierwahlverfahren abschafffen möchte, zu Gunsten unsicherer, manipulierbarer Wahlcomputer, ist nicht konservativ. Eine Partei, die die Grundwerte unserer Demokratie auf den Kopf stellt, die immer mehr Überwachung einführt und die bürgerlichen Freiheiten einschränkt, ist nicht konservativ und erst recht nicht bürgerlich.

Ach ja, da war ja noch die FDP. Aber ob die der CDU helfen kann sich auf die Fundamente unserer Demokratie zurück zu besinnen? Ich fürchte eher, dass die FDP an der Regierung wieder alles vergisst, was sie in der Opposition scheinheilig predigt…

Bild: hansdorsch / flickr.com