Vorratsdatenspeicherung geht in die nächste Phase

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Bild: flickr.com / gak

Seit Anfang des Jahres sind bereits alle Anbieter von Telefon und Mobilfunk zur anlasslosen Speicherung der Verbindungsdaten jeglicher Kommunikation verpflichtet. Für Internet, E-Mail und VoIP galt eine Übergangsfrist bis 2009. Das ist morgen! Spätestens ab heute Nacht wird also auch jede Internetverbindung, jede E-Mail und jedes IP-Telefonat protokolliert.

Wirklich jede? Nein, ein kleines gallisches Dorf… äh… der Internetprovider Manitu widersetzt sich der Speicherung weiterhin! Sie stützen sich dabei auf eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Berlin, die schon BT Deutschland vor der Speicherung bewahrt hat:

Allerdings hat sich in jüngster Zeit ein entscheidendes Gerichtsurteil des Verwaltungsgerichts Berlin ergeben, welches die Vorratsdatenspeicherung in soweit als verfassungswidrig erklärt hat, da die Anbieter (wie wir) nicht für den Aufwand entschädigt werden. Dieses Urteil gilt zwar nur zugunsten des klagenden Anbieters, dennoch werden wir uns ebenfalls darauf stützen.

Wir haben daher die Bundesnetzagentur als die für uns zuständige Aufsichtsbehörde darüber informiert, dass wir auch 2009 nicht speichern werden, und haben sie zugleich aufgefordert, uns zu bestätigen, dass sie die Umsetzung, begründet durch die Entscheidung des VG Berlin, nicht erzwingen wird. Sollte die Bundesnetzagentur uns dies nicht, wie zu erwarten, bestätigen, werden wir selbst eine einstweilige Verfügung beim selben Gericht beantragen, von der auszugehen ist, dass ihr stattgegeben wird.

Als einem der wenigen Anbieter geht es Manitu laut eigener Aussage nicht allein um Finanzielles:

Unser Ziel ist es nicht, die Vorratsdatenspeicherung durchzuführen und dafür entschädigt zu werden. Wir möchten lediglich Zeit bis zur endgültigen Entscheidung des höchsten deutschen Gerichts gewinnen.

Schade dass nicht mehr Provider ihre rechtlichen Möglichkeiten voll ausschöpfen und sich gegen die VDS wehren.

Irrtum der Woche: Ideen sind geistiges Eigentum

Der Fernsehsender RTL plant eine eigene Wettshow nach dem Vorbild „Wetten, dass…?“. Der ZDF-Unterhaltungschef Manfred Teubner echauffierte sich darüber kurz vor Weihnachten gegenüber der „Bild am Sonntag“:

Das ist Diebstahl geistigen Eigentums und wird im Zweifel von Juristen zu prüfen sein

Der Irrtum fängt schon bei dem Begriff „geistiges Eigentum“ an. Reden Sie Klartext Herr Teubner! Wo fühlen Sie sich in Ihren Rechten verletzt? Reden wir über Urheberrechte? Über Markenrechte? Patente?

Selbst wenn – keines dieser Schutzrechte schützt bloße Ideen! Ich bin zwar kein Jurist, aber ich wette trotzdem, dass Herr Teubner keine Ansprüche geltend machen kann. Top, die Wette gilt! Werde ich jetzt vom ZDF verklagt? 😉

Erste „Nicht-Konferenz“ in Mainz

Pengcamp Logo

Am 10. und 11. Januar findet in Mainz unter der Bezeichnung „Pengcamp“ erstmals ein Barcamp statt.

Barcamp ist eine Ad-hoc-Nicht-Konferenz (engl. Un-Conference), die aus dem Bedürfnis heraus entstanden ist, dass sich Menschen in einer offenen Umgebung austauschen und voneinander lernen können. Es ist eine intensive Veranstaltung mit Diskussionen, Präsentationen und Interaktion der Teilnehmer untereinander. Jeder, der etwas beizutragen hat oder etwas lernen will, ist willkommen und herzlich eingeladen mitzumachen.

Initiiert wurde das ganze von Peng, der „Gesellschaft zur Förderung von Design, Kunst und Kommunikation“, organisiert wird es, wie bei einem Barcamp üblich von allen Teilnehmern:

Teilnehmer müssen entweder eine Präsentation oder eine Session abhalten oder aber bei einer mithelfen, oder sonstwie als Freiwilliger zum Gelingen der Veranstaltung beitragen. Der Ablaufplan für sämtliche Präsentationen wird erst am Tag selbst erstellt. Man kann sich vorab vorbereiten, sollte aber früh am Tag erscheinen, um sich einen Platz im Zeitplan zu sichern. Die anwesenden Teilnehmer wählen die Demos bzw. Präsentationen aus, die sie sehen wollen.

Weitere Infos gibts im Pengcamp-Wiki, anmelden kann man sich hier.

Irrtum der Woche: Kinderpornografie per Mausklick verbannen!

Bald ist ja Weihnachten und da darf sich bekanntlich jeder etwas wünschen. Vielleicht sollte aber mal jemand Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann darauf hinweisen, dass es den Weihnachtsmann gar nicht gibt und Wünsche irgendwie mit der Realtität vereinbar sein müssen.

Herr Schünemann hat nämlich zu Beginn der Woche gefordert, dass doch einfach alle Internetprovider ihre Kunden vertraglich verpflichten sollen, eine Filtersoftware zu installieren:

Mit dieser Selbstverpflichtung wird bereits beim Internet-Kunden die Möglichkeit zum Zugriff auf kinderpornografisches Material unterbunden.

Aber natürlich! Das da vorher noch niemand drauf gekommen ist!

Diese Forderung ist so lächerlich und naiv, dass sie kaum eines Kommentares würdig ist. Wie sollen kinderpornografische von legalen Inhalten technisch unterschieden werden? Wie wird verhindert, dass rechtmäßige Inhalte herausgefiltert werden? Im Internet gibt es laut einer aktuellen wissenschaftlichen Analyse sowieso keine offen zugängliche Kinderpornografie. Wie stellt sich Herr Schünemann das vor? Für mich klingt das wie ein verfrühter Aprilscherz, oder eben wie die vorweihnachtlichen Tagträume eines Innenministers.

Vertrauliche E-Mail-Kommunikation?

Die E-Mail ist im doppelten Sinne nicht vertraulich: Erstens ist es ungewiss ob der Kommunikationspartner tatsächlich derjenige ist der er vorgibt zu sein, zweitens sind E-Mails unverschlüsselt und können damit potentiell von Dritten mitgelesen werden.

Damit disqualifiziert sich die E-Mail grundsätzlich als rechtsverbindliches Kommunikationsmittel. Diesen Missstand will die Bundesregierung mit dem Projekt „Bürgerportale“ beseitigen. Der Dienst „DE-Mail“ soll E-Mail so „zuverlässig, sicher und vertraulich wie Papierpost“ machen.

Klingt doch richtig gut, oder? Leider bekomme ich seit der LKW-Maut und dem Desaster bei der Einführung der ALG II Software regelmäßig Bauchschmerzen, wenn der Bund ein größeres IT-Projekt angeht. Aber das ist nicht der einzige Grund für mich, die „DE-Mail“ genauer unter die Lupe zu nehmen.

Zunächt einmal drängt sich die Frage auf, warum denn nicht einfach PGP genutzt wird? Nicht nur mir, wie es scheint, denn das Informationsportal gibt bereits eine Antwort:

Die Technologien (z.B. bei Ende-zu-Ende-Verschlüsselung und/oder Signaturen) setzen vielfach voraus, dass der Nutzer selbst die entsprechenden Software-Komponenten installiert, zugehörige Zertifikate für seine Kommunikationspartner verwaltet und geeignet mit den privaten Schlüsseln umgeht. Hier haben die Erfahrungen der vergangenen Jahre gezeigt, dass eine flächendeckende Verbreitung solcher Lösungen nur sehr schwer zu erreichen ist. Bei De-Mail werden genau diese Aufgaben, für die der Nutzer bisher selbst verantwortlich war, von vertrauenswürdigen Anbietern durchgeführt.

PGP soll also deshalb nicht verwendet werden, weil der Nutzer mit der Installation der Software und der Verwaltung der Schlüssel überfordert sein könnte? Zugegeben: Verschlüsselung ist unter „Ottonormal-Benutzern“ nicht sonderlich weit verbreitet. Aber ist das Grund genug dem Nutzer die Verantwortung zu entziehen und stattdessen auf „vertrauenswürdige Anbieter“ zu setzen? Reden wir Klartext: Das bedeutet, dass der private(!) Schlüssel des Benutzers beim Anbieter liegen wird! Dieser kann also jederzeit auf die angeblich vertraulichen Dokumente zugreifen, genau wie anfragende Staatsorgane. Das bestätigt auch Dr. Heike Stach, Leiterin des Projekts Bürgerportale im Bundesinnenministerium, im Chat mit Politik-Digital (Hervorhebungen durch mich):

De-Mail unterliegt den gesetzlichen Rahmenbedingungen der elektronischen Kommunikation. Das heißt, das Mitlesen von Inhalten ist grundsätzlich nur nach entsprechender richterlicher Anordnung möglich, wie es auch bei Papierpost der Fall ist.

Zu gesetzlichen Rahmenbedingungen zählen Vorratsdatenspeicherung, Online-Durchsuchung und alles was sich Herr Schäuble in Zukunft sonst noch so ausdenkt. Der Schutz vor mitlesenden Staatsorganen ist genauso wenig gegeben wie bei herkömmlicher E-Mail.

Hinzu kommt das Missbrauchspotential durch den DE-Mail-Anbieter, der schließlich im Besitz des privaten Schlüssels ist. Über Schlüssel die in die Hände von Kriminellen gelangen und am Schwarzmarkt gehandelt werden möchte ich angesichts der Datenskandale der letzten Monate gar nicht erst nachdenken. Also: Wie werden neugierige Blicke von Mitarbeiter des DE-Mail-Anbieters verhindert? Heike Stach dazu:

Die Provider werden zertifiziert und müssen dabei nachweisen, dass der Zugriff auf die von ihnen verwendeten Schlüssel nur in berechtigten Fällen erfolgen kann.

Es werden also mal wieder Zertifikate verteilt. Das ist immer ein tolles Argument. Leider konnte ich bisher noch nicht in Erfahrung bringen, welche Anforderungen genau gestellt werden und wie diese dauerhaft sichergestellt werden. Das entscheidet letztendlich, wie vertrauenswürdig die Anbieter tatsächlich sind. Bemerkenswert finde ich auch hier wieder, den Zugriff „in berechtigten Fällen“.

Der Fairness halber muss ich aber noch betonen, dass Ende-zu-Ende Verschlüsselung natürlich weiterhin möglich ist. Im Informationsportal heißt es:

Reicht einem Nutzer diese dadurch erreichte Sicherheit nicht aus, so kann er die Nachrichten wie bisher verschlüsseln und/oder signieren. Welche Lösungen (z.B. S/MIME, OpenPGP, GnuPG) und welche Verschlüsselungs-Schlüssel er dafür benutzt, ist dem Nutzer freigestellt.

Allerdings ist kaum zu erwarten, dass Behörden zukünftig diese Verfahren unterstützen werden. Das ist schon heute kaum der Fall und wird sich mit Einführung der DE-Mail wohl kaum ändern. Als positive Außnahme sind mir bisher nur Datenschutzbehörden aufgefallen.

Ich finde es schade, dass hier schon wieder viel Geld in ein schon in den Ansätzen fragwürdiges Projekt gepumpt wird. Ich halte es für sinnvoller bestehende Maßnahmen wie PGP, GnuPG zu fördern und die Öffentlichkeit für die Themen Verschlüsseln und Signieren zu sensibilisieren, anstatt den Bürgern die Verantwortung in diesem Bereich abzunehmen. Ein demokratisches Informationszeitalter braucht mündige, selbstbewusste IT-Benutzer.

Ich möchte das Projekt aber nicht gleich totreden, sondern hoffe, dass es durch eine rechtzeitige öffentliche Debatte in vernünftige Bahnen gelenkt wird. Denn grundsätzlich ist eine vertrauliche, rechtsverbindliche Kommunikation zwischen Bürgern, Behörden und der Wirtschaft ein erstrebenswertes Ziel.

Irrtum der Woche: Vorratsdatenspeicherung dient dem Schutz der Menschenwürde

Die Vorratsdatenspeicherung und die Online-Durchsuchung dienen auch dem Schutz des Menschen, der Privatsphäre. […] Die Vorratsdatenspeicherung als europäische Vorgabe ist ein Instrument, das dem Menschenrechtsschutz dient.

behauptete am Montag Dirk Heckmann, Rechtsprofessor aus Bayern. Da bin ich ja fast schon sprachlos. Die Vorratsdatenspeicherung sei nötig um Nutzer hinter IP-Adressen aufzudecken und so z.B. Kinderpornografie wirksam verfolgen zu können, so seine Begründung.

Das hat mit Schutz der Menschenrechte natürlich überhaupt nichts zu tun, sondern bestenfalls mit dem Schutz vor Kriminalität. Die Grund- und Menschenrechte werden durch die Maßnahme nicht geschützt, sondern eingeschränkt.

Doch wie sieht es mit dem Schutz der Menschen selbst aus? Kann die Vorratsdatenspeicherung uns und unsere Kinder vor kriminellen Übergriffen schützen? Auch in diesem Punkt irrt Heckmann, denn durch die Vorratsdatenspeicherung können Straftaten bestenfalls im Nachhinein aufgeklärt werden. Allerdings ist es für Kriminelle leicht, die Datensammlung zu umgehen, indem sie zum Beispiel Anonymisierungsdienste benutzen. Die tatsächliche Aufklärungsrate ist verschwindend gering. Die Vorratsdatenspeicherung greift also unverhältnismäßig in unsere Privatssphäre ein.

Die Datenmassen die über unser Telekommunikationsverhalten gesammelt werden schützen uns nicht, sondern sind eine Gefahr. Vorhandene Daten wecken Begehrlichkeiten und sind anfällig für Missbrauch. Wir müssen vor diesem Missbrauch geschützt werden – und das gelingt nur wenn die Daten erst gar nicht gesammelt werden.

Terrorist-generated content

Der Künstler Johannes Kreidler machte erst vor kurzem mit seiner Aktion „product placement“ auf die weltfremden Anforderungen einer GEMA-Anmeldung aufmerksam. Sein neuester Coup nennt sich „Call Wolfgang“ und ist mindestens genauso genial.

Er lässt zwei Computer selbstständig über Voice-over-IP miteinander telefonieren. Zwischen völlig unverständlichem Gebrabbel tauchen immer wieder Worte wie „Prekarisierung“, „Bezugsrahmen“ und „Reproduktion“ auf. Wegen genau solcher Worte wurde der Soziologe Andrej Holm und dessen Familie über ein Jahr überwacht.

Kreidler will darauf aufmerksam machen, wie sinnlos Telekommunikationsüberwachung ist:

Diese Computer werden sich bestimmt nie in die Luft sprengen, und ebenso harmlos sind Millionen Emails, die täglich in Deutschland verschickt werden. Wer die Energie für Kriminelles hat, wird auch das bisschen Energie haben, seine Emails im Internetcafé zu schreiben, das kann sich doch jedes Kind denken. Aber trotzdem will der Innenminister so viele Daten aus privaten Haushalten per Gesetz sammeln, Vorratsdatenspeicherung, Telekommunikationsüberwachung, man weiß nie, ob sein Telefonat nicht auch ein Telefonat mit Schäuble ist.

Die Rechner laufen rund um die Uhr und geben auch Worte wie „Allah“ und „Bombe“ von sich und zitieren Koranverse.

Verdachtserhärtend kommt hinzu, dass die Rechner nicht direkt verbunden sind, sondern über einen Server im Iran,

kommentiert Kreidler in seinem Trailer.

Besonders liebevolles Detail: Im Hintergrund wird Kreidlers Musikstück aus der Aktion „product placement“ abgespielt.

Wenn das Gespräch also vom BKA mitgeschnitten wird, begehen sie noch eine Urheberrechtsverletzung. Ich darf ja auch nicht einfach Musik von anderen Leuten aus dem Internet kopieren. Die GEMA muss jetzt in meinem Auftrag das BKA abmahnen, so wie das die Musikindustrie ja auch tut und dafür die Vorratsdaten gespeichert haben will. Gesetz ist Gesetz.