Projekt INDECT gegen „abnormales Verhalten“

[Update: Auf die zunehmende Kritik zu INDECT reagiert der „Ethikrat“ laut Futurezone mit Geheimhaltungspolitik:

„Es wurde beschlossen, dass Themen, die sich negativ auf die Polizeiarbeit, die nationale und öffentliche Sicherheit, oder das Ansehen der Beteiligten auswirken könnten, nicht mehr zu veröffentlichen“, heißt es in dem Bericht. Auch Zusammenfassungen sollen nicht publiziert werden.“ Das „Ethics Board“ werde entscheiden, welche Projektdokumente in Zukunft „veröffentlicht werden dürfen“, heißt es auf Seite 10.

]

Weil das Thema INDECT extrem wichtig ist, aber total vernachlässigt wird, hier ein sehr schönes Interview der Flaschenpost mit dem neuen INDECT-Koordinator der Piratenpartei (von Gefion Thürmer):

Vorletzte Woche, am 19. August, wurde Roland Albert zum Koordinator für das Thema INDECT ernannt. Wir haben ihm dazu ein paar Fragen gestellt:

– Flaschenpost: Hallo Roland. Erst einmal vielen Dank, dass du dich dieses wichtigen Themas annimmst. Wie ist es zu der Beauftragung gekommen?

Das Projekt INDECT hat mit seinen grenzenlosen, negativen Auswirkungen von Anfang an meine Antipathie auf sich gezogen und ich hielt mich zu INDECT so gut es ging auf dem Laufenden. Als nun auf dem bayerischen Aktiventreffen in Ingolstadt angesprochen wurde, dass es eine Ausschreibung zum Koordinator für das Thema INDECT geben wird, habe ich lange darüber nachgedacht, ob ich hierfür kandidiere. Nach vielen Überlegungen sowie Gesprächen mit Sekor, Stephan Urbach und Ben habe ich mich entschlossen, mich für die Stelle als Koordinator zu bewerben und wurde schließlich in der vorletzten Woche vom Bundesvorstand, namentlich Andi Popp, beauftragt.

– Flaschenpost: Könntest du kurz erklären, was genau INDECT ist?

Roland Albert: Kurz ist schon aufgrund des Akronyms nicht machbar. INDECT, das ist die Abkürzung für das neue Überwachungsprogramm der Europäischen Union. Das Akronym steht für “Intelligent information system supporting observation, searching and detection for security of citizens in urban environment” (Intelligentes Informationssystem, das Überwachung, Suche und Entdeckung für die Sicherheit von Bürgern in einer städtischen Umgebung unterstützt). Hinter diesem Wortungetüm stehen knapp 15 Millionen Euro Forschungsgelder der EU, die genutzt werden, um mit Steuergeldern eine noch nie dagewesene Überwachsungsinfrastruktur zu schaffen. Im Endergebnis soll ein System stehen, dass “auffälliges Verhalten” aller Bürger vorhersehen und melden kann.

– Wie sieht diese Überwachungsinfrastruktur konkret aus?

Roland Albert: Das  Forschungsprojekt soll vor allem Wege finden, sämtliche Informationen aus dem Netz, aus Datenbanken und von Überwachungskameras intelligent zu verbinden. Damit entsteht ein automatischer Bevölkerungsscanner. INDECT will erforschen, wie sich im Netz mithilfe automatisierter Suchroutinen “Gewalt”, “Bedrohungen” und “anormales Verhalten” finden lassen. Wer beispielsweise bei YouTube ein “Drohvideo” geposted hat, soll mithilfe von Überwachungskameras vollautomatisch gesucht, via Suchmaschine identifiziert und mittels mobilen Geräten oder gar Schwärmen von fliegenden Drohnen verfolgt werden. Außerdem will man Suchmaschinen zur schnellen Identifizierung von Personen und Dokumenten entwickeln und Suchprogramme, die “ständig” und “automatisch” öffentliche Quellen wie Websites, Foren, Usenet-Gruppen, Fileserver, P2P-Netzwerke und “individuelle Computersysteme” durchsuchen.

– Flaschenpost: Was genau darf man sich unter “auffälligem Verhalten” vorstellen?

Roland Albert: “Auffällig” ist immer das, was von der Norm abweicht. Aber ist “auffällig” immer gleich negativ? Ich meine: NEIN. Wir Piraten stehen für die freie Entfaltung jedes einzelnen Individuums, gleich seinen Vorlieben, seinem Verhalten oder was eben auch immer. Es kann nicht sein, dass Menschen aufgrund ihres Individualismus von einem System in eine Gefahrenkategorie einsortiert werden und hierbei gleichzeitig eine Abkehr von der Unschuldsvermutung stattfindet. Dieser Situation in einer permanent überwachten Umwelt gilt mein entschiedenes Entgegentreten – wehret den Anfängen!

– Flaschenpost: Wenn auffälliges Verhalten ein Abweichen von der Norm ist: Wie wird diese “Norm” definiert?

Roland Albert: Die Norm ist das mehrheitliche Verhalten einer Gruppe, z. B. der Bevölkerung oder auch das gewünschte und vorgegebene Verhalten durch Institutionen wie Regierung, Kirche oder anderen Gemeinschaftsoberhäuptern. Hier steckt auch einer weiterer Gefahrenpunkt. Wer definiert was normal ist? Bin ich normal?

– Befindet sich INDECT noch in der Forschungsphase oder werden Teile davon bereits umgesetzt?

Roland Albert: INDECT ist ein Forschungsprojekt, das auf fünf Jahre – bis 2013 – ausgelegt ist. Teile des Programms, beispielsweise die Koordinierung von Drohnen, werden bereits getestet, auch in Deutschland. Einen größeren Feldversuch wird es 2012 zur Fußball EM in Polen / der Ukraine geben. Hier sollen Einsätze unter reellen Bedingungen stattfinden.

– Flaschenpost: Ist bekannt, was genau dort getestet werden soll?

Roland Albert: Meines Wissens nicht. Zum einen sind hier nicht alle Informationen bekannt, zum anderen ist noch Zeit für entsprechende Forschungsarbeit bis zu diesem angekündigten Feldversuch in Polen und der Ukraine. Auch gilt es hier meinerseits, noch tiefer zu recherchieren und alle Informationen aufzubereiten.

– Flaschenpost: Hast du schon ein Konzept, wie du gegen INDECT vorgehen möchtest?

Roland Albert: Ich denke, dass an vielen Ecken angepackt werden muss. Zum einen gilt es, das Thema INDECT bei den PIRATEN selbst bekannter zu machen und hierfür zu sensibilisieren. Um das zu erreichen, sind die ersten Schritte eine Website / Blog mit allen relevanten und aktuellen News sowie Material zum Thema zu erstellen (Flyer, Streumittel, Web-Banner). Auch ist hierfür internationale Zusammenarbeit sehr wichtig, hier unterstützt mich Ralph Hinterleitner sehr stark, vielen Dank, Ralph, an dieser Stelle.

Zum anderen gilt es, die Bevölkerung zu INDECT zu informieren und entsprechende Risiken aufzuzeigen. Hierfür ist eine gute Pressearbeit, diverse Aktionen sowie Bündnisarbeit mit NGOs zu INDECT sehr wichtig.

Unbedingt erwähnen möchte ich, dass die Arbeit zu INDECT nicht alleinig von mir geleistet wird. Die AG INDECT hat vielfältige Talente die in den verschiedensten Bereichen supporten und ohne die unsere geplanten und teilweise schon umgesetzten Punkte so nicht möglich wären!

– Flaschenpost: Was kann man jetzt schon gegen INDECT tun? Gibt es schon die Möglichkeit zu spenden oder eine laufende Petition dagegen, die man mitzeichnen kann?

Roland Albert: Das sind Dinge, die noch angestoßen werden müssen. Ein Spendenaufruf ist gerade erfolgt. Spenden benötigen wir für Werbemittel sowie verschiedene Aktionen, mit denen wir das Thema publik machen werden. Jeder interessierte Pirat ist herzlich eingeladen, sich in der AG INDECT zu engagieren und es gemeinsam mit uns nicht zu diesem Werkzeug eines neuen Überwachungsstaates kommen zu lassen! Wer helfen möchte kann sich gerne an mich wenden!

m: +49 160 90300153

e: roland.albert@piraten-fuerth.de

t: twitter.com/stopINDECT

t: twitter.com/GrumblingGeek

s: r.b.albert

j: grumblinggeek@jabber.piratenpartei.de

– Flaschenpost: Vielen Dank, Roland, für deine Zeit und deine Antworten. Wir wünschen dir für deine Arbeit als Koordinator viel Erfolg und hoffen, dass wir gemeinsam dieses Projekt werden stoppen können!

Piraten-Spitzenkandidaten im Interview mit den Jungen Piraten

Die Jungen Piraten haben mich zu meiner Bundestagskandidatur befragt und damit eine Interviewserie zu den Spitzenkandidaten der Piratenpartei gestartet:

Dies ist der Auftakt zu einer Artikelserie über die Spitzenkandidaten der âEURoeOPisâEUR. Bald ist Bundestagswahl âEUR“ doch wer kennt die Kandidaten in den Ländern wirklich näher? Wer sind sie, wofür stehen sie, was sind ihre Beweggründe? Um dies herauszufinden, haben haben wir vor einiger Zeit im Wiki Fragen gesammelt, aufgearbeitet und den Spitzenkandidaten der Piraten-Listen in den einzelnen Bundesländern geschickt. Nun sind die ersten Antworten da!

Interview lesen

Wie viel Freiheit verträgt das Internet?

Die Deutsche Welle hat mittlerweile einen kurzen Beitrag über Internetzensur online gestellt, in dem auch Ausschnitte von der Mainzer Demo zu sehen sind. Alvar Freude, der auf der Demo „Über den falschen Weg im Kampf gegen Kinderpornographie“ gesprochen hatte, wurde vor Ort von der Deutschen Welle interviewt. Hier ist der komplette Beitrag: (Mein Demo-Bericht kommt noch, versprochen 🙂 )

Das Urheberrecht schützt den Urheber nicht

25.000 Autoren hat Martin Kretschmer nach der Art und dem Umfang ihres Einkommens befragt – und kommt zu dem wenig überraschenden Ergebnis, dass das aktuelle Urheberrecht vor allem die Verwerter schützt:

Der Verlag legt einen Vertrag vor, mit dem der Autor die globalen Rechte auf ewig an den Verwerter abtritt […] Daran ändert das Urheberrecht nichts; es schützt den Urheber nicht.

In dem auf iRights.info veröffentlichten Interview greift er vor allem auch die Verlängerung der Schutzfrist von 50 auf 95 Jahre an:

Wer hat mit 70 Jahren, wenn die Schutzfirst eines 20-jährigen Musikers abläuft, noch eine Lebenserwartung von 45 Jahren? […] Die aufführenden Künstler haben überhaupt nichts davon; es würden wieder nur diejenigen profitieren, die jetzt schon Rechte haben: Hochverdiener und deren Erben. Auf Kosten der Jungen, was wieder gegen das Innovationsprinzip verstößt. Da ist etwas grundfaul.

Als ebenso unsinnig entlarvt er die Tatsache, dass die Verlängerung rückwirkend erfolgt:

Rückwirkende Verlängerung stimuliert in keiner Weise die Neuschaffung, sondern nützt bestehenden Ansprüchen. Das verstößt gegen ein Grundziel des Urheberrechts, zu Schöpfungen anzureizen.

Alles nicht wirklich neu, aber man kann es nicht oft genug sagen, angesichts der Tatsache, dass das Urheberrecht immer weiter in diese Richtung ausgehölt und zu einem reinen Verwerterrecht umfunktioniert wird.