Irrtum der Woche: Computerspiele sind „Tötungstrainingssoftware“

KillerspieleIch dachte ja zunächst, es handele sich um einen Aprilscherz, aber ich glaube der meint es wirklich ernst: Joachim Herrmann, CSU-Mitglied und Innenminister von Bayern, vergleicht Spiele mit Kinderpornografie und bezeichnet sie als „Tötungstrainingssoftware“:

„Mit derartiger Tötungstrainingssoftware, die zum Beispiel von der US-Army zur Vorbereitung von Soldaten auf Kampfeinsätze verwendet wird, dürfen in Deutschland keine Geschäfte mehr gemacht werden. […] Killerspiele widersprechen dem Wertekonsens unserer auf einem friedlichen Miteinander beruhenden Gesellschaft und gehören geächtet. In ihren schädlichen Auswirkungen stehen sie auf einer Stufe mit Drogen und Kinderpornografie“

Welche Spiele er meint, bleibt unklar. Wie viele Politiker, spricht er von dubiosen „Killerspielen“. Was sich dahinter verbirgt, hat bisher niemand definiert. Oftmals sind Ego-Shooter gemeint, nicht selten sprechen Politiker aber auch von Spielen, bei denen man angeblich Punkte dafür bekommt, seine Opfer möglichst grausam zu töten und zu foltern. Solche Spiele gibt es nicht!

Viele auf dem Markt erhältliche Spiele beinhalten zwar virtuelle Gewalt, diese steht aber nie im Mittelpunkt des Geschehens. Selbst beim viel geschundenen „Counter-Strike“ geht es hauptsächlich um Taktik, Teamarbeit und Reflexe. Spiele dieser Art werden vielmehr als Sport angesehen und immer öfter auch als solcher betrieben. Von „Tötungstrainigssoftware“ kann keine Rede sein. Niemand lernt den Umgang mit Waffen durch Mausschubsen und Tastendrücken. Auch die Behauptung, dass Hemmschwellen durch die Spiele abgebaut werden, wurde inzwischen durch Studien widerlegt. Nur ohnehin psychisch labile und gewaltbereite Menschen lassen sich durch solche Spiele beeinflussen.

Welche Software der „US-Army“ Herrmann meint, bleibt ebenfalls unklar. Entweder er verwechselt Schießstand-Simulatoren mit Unterhaltungssoftware, oder er meint vielleicht das Spiel „Americas Army“, dass die US-Armee zum Anwerben von Rekruten kostenlos verbreitet. Trotz des hohen Realismusgrades, ist dieses Spiel kaum geeignet Leute an der Waffe auszubilden. Die Gefahr für unser „friedliches Miteinander“ besteht wohl eher in der Kriegspropaganda und der tatsächlichen Ausbildung an der Waffe.

Bild: 96dpi / flickr.com (Lizenz: cc-by-nc-nd)

3 Gedanken zu „Irrtum der Woche: Computerspiele sind „Tötungstrainingssoftware““

  1. Brief an die Bayerische Staatsregierung:

    Sehr geehrte Damen und Herren,

    für Herrn Innenminister Herrmann ist es laut Pressemitteilung „wissenschaftlich klar erwiesen, dass der andauernde Konsum derartiger [Computer-]Spiele, in denen Gewalt und Brutalität anders als bei Filmen aktiv ausgeübt und gesteuert wird, die Gewaltbereitschaft fördert und die Fähigkeit, Mitleid zu empfinden, verkümmern lässt.“

    ( Quelle: http://www.stmi.bayern.de/presse/archiv/2009/127.php )

    Da mir keine einzige Quelle bekannt ist, wonach dies âEUR?wissenschaftlich klar erwiesenâEURoe ist, hätte ich hierfür gerne eine beispielhafte Quellenangabe von nur einer wissenschaftlichen Veröffentlichung, welche zu diesem eindeutigen Ergebnis kommt und weshalb beispielsweise die von mir genossene staatliche Zwangsausbildung zum mitleidlosen Töten (Bundeswehr) diese oben beschriebene Wirkung nicht haben soll.

    Zudem möchte ich darauf aufmerksam machen, dass im Zuge von âEUR?LAN-PartysâEURoe es keinen einzigen Fall gibt, bei dem die Polizei wegen gewaltsamer Ausschreitungen eingreifen musste âEUR“ übrigens im Gegensatz zu Fußballspielen, in deren Umfeld es in der Bundesrepublik erwiesenermaßen bereits etliche Tote gab âEUR“ komischerweise fordert kein Politiker, Fußball zu verbieten.

    Zudem würde mich interessieren, weshalb von den Millionen Wehrmachtveteranen, welche nun wirklich ohne Zweifel zum âEUR?mitleidlosem TötenâEURoe erzogen wurden und dies auch Jahrelang praktizieren mussten, es nach dem Kriege nur einen einzigen Fall eines amoklaufenden Veteranen gab (am 11. Juni 1964 in Köln ). Ist Herr Herrmann der Meinung, dass Computerspiele stärker traumatisieren als der Zweite Weltkrieg?

    Ich selber habe noch im Studium diese Spiele gespielt und habe als junger mehrfacher Familienvater und Diplomingenieur heute andere Präferenzen âEUR“ nach der Mitteilung von Herrn Herrmann und die angeblichen âEUR?wissenschaftlichen NachweiseâEURoe mache ich mir jedoch Sorgen über verborgene potentielle Traumatisierungen, welche möglicherweise in mir schlummern.

    Daher nochmals die Bitte meinerseits nach wenigstens einer ernsthaften Veröffentlichung mit besagtem âEUR?eindeutigen NachweisâEURoe

    Mit freundlichen Grüßen
    ………………….

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