Irrtum der Woche: Sperrung von Kinderporno-Seiten ist wirksam

Das Bundeskriminalamt, namentlich dessen Präsident Jörg Ziercke, postuliert, dass sich Kinderporno-Seiten wirksam sperren lassen. Das „Stoppschild“ wirke abschreckend:

Nach unseren Erkenntnissen sind vier von fünf Menschen, die im Internet auf Kinderpornos zugreifen, Gelegenheits-Konsumenten. Die lassen sich durch ein Stopp-Schild abschrecken und geben ihr Vorhaben auf

Wie hat man sich das nun vorzustellen? Ein „Gelegenheits-Konsument“ durchstöbert das Internet und stösst zufällig auf Kinderporn? Er nutzt die Gelegenheit um sich das anzuschauen, bekommt dann aber nur eine Stopp-Seite zu sehen? Er denkt sich „Pech gehabt“ und surft auf legalen Seiten weiter?

Interessantes Weltbild, dass der Herr Ziercke da zu haben scheint. Dabei ist Kinderpornografie laut einer wissenschaftlichen Analyse gar nicht offen über das World Wide Web erreichbar. Die Inhalte findet man nicht mal eben so, sondern nur mit einem hohen Grad an krimineller Energie. Der Aufwand, die Filterung zu umgehen ist im Vergleich dazu nahe Null. Ein kurzer Clip beim Law-Blog zeigt, wie sich eine Sperre in 27 Sekunden aushebeln lässt, indem man einfach einen anderen DNS-Server wählt. Das schaffen sogar Laien.

Selbst wenn es gelänge wenigstens „Gelegenheits-Konsumenten“ zu stoppen, wird das Ziel der Filter verfehlt: Angeblich ging es ja darum den KiPo-Produzenten die Finanzmittel trocken zu legen. Diejenigen, die etwas bezahlen, sind aber wohl kaum die „Gelegenheits-Konsumenten“, sondern eher hartgesottene Pädophile. Dass diese sich nicht von Sperren abschrecken lassen, räumt sogar Ziercke ein:

Daneben gibt es einen harten Kern versierter Nutzer, gegen den sich mit Sperren nichts ausrichten lässt.

Selbst Björn Sellström, Chef der Polizeiermittlungsgruppe gegen Kinderpornografie und Kindesmisshandlung in Stockholm gesteht die Wirkungslosigkeit ein, obwohl Schweden solche Sperren angeblich seit Jahren erfolgreich einsetzt:

Unsere Sperrmaßnahmen tragen leider nicht dazu bei, die Produktion von Webpornografie zu vermindern

Bei netzpoltik.org gibt es ein interessantes Video-Interview mit Prof. Michael Rotert, dem Vorstandsvorsitzenden des Verbandes der deutschen Internetwirtschaft e.V. Er erklärt, warum Internetzensur nicht nur wirkunglos, sondern auch kontraproduktiv ist, und wie man es besser machen kann.

Es geht um die Zukunft des Internets!

Hilf mit, Netzdiskriminierung und Internetsperren zu stoppen: Kontaktiere unsere EU-Abgeordneten!

Die Lobbyisten haben wieder zugeschlagen – abermals geht es um das „Telekom-Paket“, das eigentlich den Verbraucherschutz im Telekommunikationsbereich stärken soll: Schon letztes Jahr haben Lobbyisten der Musikindustrie versucht durch die Hintertür Internetsperren einzuschleusen (Stichwort „Three-Strikes-Out“).

In dem Verwirrspiel aus hunderten, sich gegenseitig referenzierenden Änderungsanträgen, haben selbst engagierte EU-Abgeordnete nicht mehr richtig durchgeblickt. Dank der Bürgerrechtsorganisation „La Quadrature du Net“ und dem Engagement zahlreicher Bürger, die dem Aufruf von netzpolitik.org folgten, sind die Probleme bei den Abgeordneten angekommen. Viele skandalöse Anträge wären sonst womöglich einfach abgenickt worden.

Jetzt kommt das Telekom-Paket in die zweite Lesung – und abermals gibt es massive Probleme: Die Telefongesellschaften versuchen die Netzneutralität aufzuweichen, um die Übertragung der Inhalte zu kontrollieren. Die Anbieter wollen filtern, steuern, regeln: Welche Anwendungen und Dienste sind wie schnell, wann, wo und für wen erreichbar? Das Internet würde sich zurückentwickeln zu einem zentralisierten Netzwerk, das von einigen Wenigen kontrolliert und gesteuert wird. Auch Internetsperren stehen dank der Hartnäckigkeit der Musikindustrie wieder auf der Agenda.

Wir brauchen erneut ein bürgerliches Gegengewicht gegen die Industrielobby! Netzpolitik.org stellt fest:

Da die meisten Abgeordneten von dem Thema wenig Ahnung haben, verlässt man sich bei den Empfehlungen auf die Experten aus den richtigen Ausschüssen. Hier müssen wir handeln und der Industrie-Lobby unsere gemeinsame Macht der Bürger entgegen setzen.

Es ist Zeit zu handeln: Kontaktiere die Abgeordneten und weise Sie auf die Probleme hin! Bei netzpolitik.org gibt es ein Musteranschreiben und eine Liste der Abgeordneten, die dringend kontaktiert werden müssen. Erst wenn deren Postfach überquillt, werden sie uns wahrnehmen. Dass es funktioniert, hat sich letztes Jahr gezeigt. Mache Druck auf die Abgeordneten! Die Wahlen stehen kurz bevor und es ist einfacher denn je, sich Gehör zu verschaffen.

Irrtum der Woche: Online-Durchsuchung nur gegen Terroristen

Der Bundestrojaner

Es war das wohl meist geäußerte Argument bei der Diskussion um den „Bundestrojaner“: Eine heimliche Online-Durchsuchung würde ja nur gegen Terroristen eingesetzt. Es ginge schließlich darum, Anschläge zu verhindern und so Leben von unschuldigen Bürgern zu retten.

Dass dieses Argument nur der Beschwichtung dient, haben viele Kritiker schon von Anfang an befürchtet. Nun gesteht Wolfgang Bosbach (CDU) gegenüber der Neuen Osnabrücker Zeitung ein, dass die Bundesregierung den Zugriff auf die Computer der Bürger auch zur Strafverfolgung erlauben möchte:

Ein Entwurf der Bundesjustizministerin zur Änderung der Strafprozessordnung liegt bereits vor. Bei gutem Willen aller Beteiligten lassen sich die neuen Vorschriften in den nächsten Wochen abschließend beraten und beschließen.

Der massive Grundrechsteingriff, den eine solche Maßnahme mitbringt, soll also nun auch im Nachhinein möglich sein – wenn die Tat schon passiert ist. Leben werden damit nicht mehr gerettet, und von Terroristen spricht plötzlich auch niemand mehr. Es geht um Strafverfolgung, und das ist höchst problematisch. Denn unter Verdacht geraten auch die, die unschuldig sind und nichts zu verbergen haben. Aber gegen einen heimlichen Eingriff kann sich niemand wehren.

Ich bezweilfe stark, dass die Pläne der Regierung den strengen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts Rechnung tragen. Aber das ist ja nichts neues. Auch dass die SPD zunächst zurückrudert, ist keine neue Erscheinung, sondern gehört offenbar in das taktische Kalkül dieser Partei.

Foto: maha-online / flickr.com (Lizenz: cc-by-sa)

Das Verfassungsgericht schlägt zurück

Nachdem Schäuble das Verfassungsgericht letzte Woche unsachlich kritisierte, wehrt sich nun der Präsident des Gerichts gegen die Vorwürfe des Innenminsters. Die taz berichtet:

Wer das Prüfungsrecht des Verfassungsgerichts in Frage stelle, könne dieses gleich abschaffen. Wer einen „Primat der Politik“ fordere, rüttle an den Grundstrukturen des Verfassungsstaats, sagte Papier. […] Papier nannte Schäuble dabei zwar nicht beim Namen, sondern sprach von „vereinzelten“ Positionen, was aber wohl erst recht als Affront wirken dürfte.

Meine Einschätzung: Auf der nächsten Stufe der Dreistigkeitsskala wird Schäuble ihm Befangenheit vorwerfen und alle Urteile des Gerichts aus diesem Grund für nichtig erklären.

Irrtum der Woche: Das BVerfG gestaltet Gesetze mit

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In der Tat muss man sich fragen, wie weit das Bundesverfassungsgericht in seiner Rechtsprechung gehen kann. Ich habe zum Beispiel verfassungsrechtliche Zweifel, ob das Verfassungsgericht wirklich entscheiden sollte, für welche Straftaten man welches Instrument gesetzlich vorsehen kann oder nicht. In der einstweiligen Anordnung zur Vorratsdatenspeicherung hat es das getan. Es ist doch Sache des Gesetzgebers, zu sagen: Für diese Straftat kann ich dieses Instrument einsetzen âEUR“ für jene nicht. […] Wer Gesetze gestalten will, sollte sich bemühen, Mitglied des Deutschen Bundestages zu werden.

Das äußerte Innenminister Schäuble Mitte der Woche gegenüber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Ich bin geschockt, mit wieviel Dreistigkeit Schäuble mittlerweile vorgeht. Es dauert wohl nicht mehr lange, dann stellt er die Notwendigkeit des Gerichts komplett in Frage. Das Bundesverfassungsgericht gestaltet Gesetze nicht mit, es prüft diese auf die Vereinbarkeit mit der Verfassung. Das ist auch gut so, denn genau das ist die Aufgabe des BVerfG!

Wenn der Gesetzgeber sich an die Grenzen der Verfassung hält, werden sich die Karlsruher Richter auch nicht einmischen. Leider haben Schäuble und Co. in letzter Zeit immer wieder diese Grenzen überschritten. Dass er sich nun darüber beschwert, dass das BVerfG seine Aufgabe wahrnimmt, zeigt zu deutlich, dass ihm das Gericht und die Verfassung ein Dorn im Auge sind.

Foto: kruxmux / flickr.com

Fundstücke

In den letzten Wochen haben sich bei mir viele interessante Sachen angesammelt, über die ich aus Zeitgründen aber leider nicht bloggen konnte. Hier ein paar Fundstücke zum Thema Urheberrecht, freies Wissen und Kultur.

Raubmordterrorkopierer?

Die Filmindustrie versucht mit einer hanebüchenen Studie Urheberrechtsverletzungen in die Nähe von Terrorismus zu rücken:

The case studies provide compelling evidence of a broad, geographically dispersed, and continuing connection between film piracy and organized crime, as well as evidence that terrorist groups have used the proceeds of film piracy to finance their activities.

Raubkopien gibt es nicht

Dr. Franz Schmidbauer, Richter des Landesgerichtes Salzburg, bringt es auf den Punkt:

Auch der Begriff „Raubkopie“ ist eine Erfindung der Musikindustrie mit dem Ziel, ein allfälliges Vergehen der untersten strafrechtlichen Deliktsebene (wenn überhaupt) auf die Ebene eines Kapitalverbrechens (Raub) zu hieven. Ich weigere mich daher, im Zusammenhang mit unerlaubten Vervielfältigungen von „Raubkopien“ zu sprechen und fordere auch alle seriösen Juristen auf, sich nicht von der psychologischen Kriegsführung der Musikindustrie vereinnahmen zu lassen.

Neue Geschäftsmodelle

Marcel Weiss erklärt, „Wie Musiker in Zeiten des Internets Geld verdienen (können)“

Das Geschäftsmodell, dass auf einer Abrechnung pro Transaktion von Musikdatei zu Hörer basiert, ist langfristig nicht mit den vom Netz neu diktierten, ökonomischen Rahmenbedingungen zu vereinbaren. […]

Die Einnahmen für Musiker muss aus dem Verkauf von wertvollen, knappen Gütern kommen. Beispiele: Konzerte, Merchandising, exklusive Zugänge zum Musiker

Die einfachste Sache der Welt

Open Access ist nichts Neues, sondern die einfachste Sache der Welt, erklärt Dr. Sijbolt Noorda, Vorsitzender der Vereinigung der Universitäten der Niederlande in diesem Video (via Telemedicus):

Irrtum der Woche: Das Medium ist verantwortlich für die Inhalte

Kennt ihr eigentlich die Geschichte von König Kunibert? Kunibert war ein sehr dummer König. Als ein Bote von einer entscheidenen Schlacht zurückkehrte und berichtete, dass sein Heer vom Feind blutig niedergeschlagen wurde, da ließ der König den Boten hinrichten. Jedes Kind versteht, dass der Bote doch für die schlechte Nachricht gar nichts kann, sondern nur seinen Dienst verrichtet.

Bei vielen Politikern scheint jedoch das Hirn auszusetzen, wenn es um digitale Dienste geht: Die Bundesregierung postulierte diese Woche, dass das „Web 2.0“ hohe Bedeutung für islamistische Propaganda habe. Ob dies für sich genommen schon ein Irrtum ist, kann ich nicht beurteilen. Ich bin aber bisher auf noch keine islamistische Propaganda in Social Networks gestoßen.

Die Regierung impliziert jedoch mit dieser Aussage, dass die „Web 2.0“-Dienste selbst das Problem sind – nicht etwa die darüber kommunizierten Inhalte. Wie der Bote, erbringen die Dienste nur ihren Dienst (deswegen heißen die auch so 😉 ) Diese Dienste können rein gar nichts dafür, wenn sie auch für unwillkommene Inhalte verwendet werden. Es ist eine völlig krude Vorstellung, diese nun deswegen zu verteufeln.

Datenraffgier im Alltag

datenflussDie Datenskandale überschlagen sich in letzter Zeit und zeigen auf, wie überfällig eine Modernisierung und konsequente Durchsetzung des Datenschutzrechts ist. Trotzdem ist die Problematik für viele Menschen nicht greifbar, weil sie im Alltag zunächst einmal nichts davon spüren.

Wir haben in Deutschland den sehr guten und wichtigen Grundsatz der Datensparsamkeit gesetzlich verankert. Dieser Grundsatz verpflichet die Anbieter nur soviele Daten zu sammeln, wie absolut notwendig sind um einen Dienst zu erbringen. Alles was darüber hinaus geht, muss vom Nutzer freiwillig herausgegeben werden. Ein Blick nach Übersee zeigt, was passiert, wenn man diesen Grundsatz fallen lässt und der Wirtschaft keine Grenzen beim Datensammeln setzt. Vor einigen Tagen wollte ich mich nämlich im Forum von jboss.com registrieren. Dort wurde ich mit einem Fragenkatalog konfrontiert, der es in sich hat. Dies sind die Pflicht(!)-Felder:

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Dies sind nur die Felder, die zwingend notwendig sind um die Registrierung durchzuführen!

Ein starker Datenschutz nützt uns also auch im Alltag, obwohl wir es oftmals gar nicht direkt wahrnehmen. Leider geben noch immer viel zu viele Menschen ihre Daten freiwillig heraus. Dummerweise greifen die Datenschutzgesetze in Deutschland ab dieser Stelle nicht mehr wirksam, da sie nicht effektiv vor Datenmissbrauch abschrecken. Die Datenschutzbehörden haben weder genug Personal noch ausreichende Befugnisse. Meine Empfehlung für die Praxis: Was der Anbieter nicht braucht, bekommt er auch nicht. Wenn er trotzdem darauf besteht, kann man ruhigen Gewissens falsche Daten angeben.

Bild: wilhei55 / flickr.com