Das Urheberrecht schützt den Urheber nicht

25.000 Autoren hat Martin Kretschmer nach der Art und dem Umfang ihres Einkommens befragt – und kommt zu dem wenig überraschenden Ergebnis, dass das aktuelle Urheberrecht vor allem die Verwerter schützt:

Der Verlag legt einen Vertrag vor, mit dem der Autor die globalen Rechte auf ewig an den Verwerter abtritt […] Daran ändert das Urheberrecht nichts; es schützt den Urheber nicht.

In dem auf iRights.info veröffentlichten Interview greift er vor allem auch die Verlängerung der Schutzfrist von 50 auf 95 Jahre an:

Wer hat mit 70 Jahren, wenn die Schutzfirst eines 20-jährigen Musikers abläuft, noch eine Lebenserwartung von 45 Jahren? […] Die aufführenden Künstler haben überhaupt nichts davon; es würden wieder nur diejenigen profitieren, die jetzt schon Rechte haben: Hochverdiener und deren Erben. Auf Kosten der Jungen, was wieder gegen das Innovationsprinzip verstößt. Da ist etwas grundfaul.

Als ebenso unsinnig entlarvt er die Tatsache, dass die Verlängerung rückwirkend erfolgt:

Rückwirkende Verlängerung stimuliert in keiner Weise die Neuschaffung, sondern nützt bestehenden Ansprüchen. Das verstößt gegen ein Grundziel des Urheberrechts, zu Schöpfungen anzureizen.

Alles nicht wirklich neu, aber man kann es nicht oft genug sagen, angesichts der Tatsache, dass das Urheberrecht immer weiter in diese Richtung ausgehölt und zu einem reinen Verwerterrecht umfunktioniert wird.

Kriminalbeamte fordern starken Datenschutz

Wenn der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) etwas fordert, bin ich ja von Natur aus skeptisch. Als ich bei heise las, dass sich der BDK nun gegen die Wiederwahl von Peter Schaar als Bundesdatenschützer ausgesprochen hat, lief es mir kurz schaurig den Rücken herunter: Schaar sei nicht der richtige Mann für den Neuanfang, der nach den zahlreichen Datenskandalen nötig sei. Dabei war ich mit Schaars Arbeit bisher recht zufrieden. Im Rahmen seiner viel zu geringen Möglichkeiten hat er brauchbare Arbeit gemacht.

Soll nun ein Datenschützer installiert werden, der es mit der Datensammelei nicht so eng sieht, wenn es um Kriminalität geht?

Positiv überrascht war ich dann von der Forderung, dass der Datenschutzbeauftragte aus dem Verantwortungsbereich des Bundesinnenministeriums heraus gezogen werden solle. Ein unabhängiger Datenschutzbeauftragter also – eine Forderung die ich schon seit langem stelle. Aber auf mich hört ja keiner 😉

Aber wer soll es denn nun nach Ansicht des BDK machen? Die nächste Überraschung: Niemand anderes als der unabhängige Datenschutzbeauftragte aus Schleswig-Holstein, Thilo Weichert. Ich könnte mir derzeit niemand besseren vorstellen. Mag natürlich sein, dass Weichert aufgrund seiner Unabhängigkeit besonders postiv auffallen konnte, und dass Schaar unter diesen Umständen das gleiche leisten würde, doch ich finde allein die Forderung des BDK bemerkenswert.

Ich hoffe, dass es die Kriminalbeamten ernst meinen und sie sich weiterhin für einen starken Datenschutz einsetzen, entgegen den Forderungen von Schäuble und Ziercke nach immer größeren Datenhalden. Man darf auch den BDK nicht mit dem BKA verwechseln.

Scheinargumente, Verharmlosung, Verdrehung

Schäubles Kritiker werden gewonheitsmäßig mit dem Kopf schütteln, wenn sie ein Interview lesen, wie das kürzlich bei taz erschienene. Es ist beeindruckend, aber auch beängstigend wie sich der Innenminister immer wieder aus einer sachlichen Diskussion um Bürgerrechte und Datenschutz herauswindet und gleichzeitig seine Gegner als naiv darstellt.

In einem zweiteiligen Telepolis-Artikel erörtert Michael Lohmann wie Wolfgang Schäuble gezielt mit Scheinargumenten arbeitet und seine wahren Absichten rhetorisch verschleiert.

Im ersten Teil geht Lohmann darauf ein, wie Schäuble das Thema Bürgerrechte geschickt umschifft und entlarvt dessen falsches Verständnis von Datenschutz. Er legt dar, wie der Innenminister die Frage nach dem Datenschutz auf eine Frage nach der Handlungsfähigkeit des Staates zurückstutzt und sein eigentliches Ziel, den Handlungsspielraum der Polizei zu erweitern, geschickt kaschiert.

Für die öffentliche Debatte folgert Lohmann daraus

dass der Innenminister bei diesem Thema gestellt werden muss, indem seine Scheinargumente offen dekonstruiert werden. Schäuble muss gezwungen werden, seine Lippenbekenntnisse bezüglich der Bürgerrechte aufzugeben und die Diskussion anhand konkreter Fälle und auf der Basis klarer Bestimmungen von Bürgerrechten zu führen

Im zweiten Teil seiner ausführlichen Analyse erklärt Lohmann, wie Schäuble staatliche Überwachung verharmlost indem er wichtige Fakten und Zusammenhänge auslässt. Er legt dar, wie Schäuble konkrete Gefährdungen des Lebens und der Gesundheit mit der Gefährdung des Grundrechts auf körperliche Unversehrtheit vermischt und welche rhetorischen Tricks er dabei anwendet um von den tatsächlichen Grundrechtsgefährdungen abzulenken.

Abschließend befasst er sich mit dem Nutzen der Kritik an Schäuble.

Fazit: Absolut lesenswert.

Hier nochmal die Links:
Teil 1: Wie der Bundesinnenminister das Thema Bürgerrechte umgeht und was ihn wirklich interessiert
Teil 2: Wie der Bundesinnenminister mit fingierten Zusammenhängen Propaganda macht

Zehntausende demonstrierten für „Freiheit statt Angst“

Die Demonstration für „Freiheit statt Angst“ hat sich wieder selbst übertroffen: Schon letztes Jahr wurde sie mit „nur“ 15.000 Teilnehmern zur größten Demonstration für Datenschutz seit 20 Jahren. Dieses mal waren es sogar mehrere Zehntausend! Zur Zeit kursieren unterschiedliche Zahlen durch das Netz und die Medien. Netzpolitik.org klärt über das Wirrwarr auf:

15.000 nennt die Pressestelle der Polizei, welche allerdings nach einem pauschalem Schlüssel zählt. Unser Verbindungsbeamte bei der Polizei berichte wiederholt von 50.000 Teilnehmern. Üblicherweise nimmt man bei Demonstrationen die von der Polizei genannte Zahl und multipliziert diese mal zwei. Wir haben zum Ende der Demonstration und vor Beginn der Abschlusskundgebung 50.000 nach draussen kommuniziert. Als diese Zahl vom Verbindungsbeamten mehrfach uns gegenüber kommuniziert wurde, wurde auf der Bühne nach dem bei Demonstrationen üblichen Verfahren verdoppelt. Die Pressetelle der Polizei bleibt leider bei 15.000 Menschen. Die eigenen Beamten vor Ort sagen mehr.

Ob es 100.000 Menschen waren, ist daher unklar. 50.000 Menschen werden aber von den meisten Teilnehmenden als sehr realistisch eingeschätzt.

Viele Medien berichten leider wieder nur über „mehrere tausend“, was natürlich richtig, aber auch offensichtlich tendenziös ist. Auch die Piratenpartei wird konsequent verschwiegen. Letzteres ist aber auch zum Teil selbstverschuldet: Noch unaufälliger verhielt sich nur die FDP. Die Demonstration wurde ganz klar von den Grünen dominiert, die mit ihrer Luftballonaktion einen Riesenerfolg hatten. Über den gesamten Demozug waren die grünen Ballons zu sehen.

Die große Teilnehmerzahl der Demo motiviert unglaublich, weiter für Datenschutz und Bürgerrechte zu kämpfen. Auf dass es nächstes Jahr noch mehr werden!

Die Telekom ist nicht das Problem

Nun hat die Telekom also schon wieder einen Datenschutzskandal eingestehen müssen. Nachdem der Konzern in den vergangenen Monaten schon verdächtig oft eklatante Misstände im Umgang mit den Daten seiner Kunden und Mitarbeiter zu verzeichnen hatte, wurde am Wochenende bekannt, dass bereits im Jahr 2006 mehr als 17 Millionen Datensätze in die Hände von Kriminellen gefallen sind. Die betroffenen Menschen sind informationelles Freiwild.

Die Telekom entwickelt sich langsam zum Synonym für Datenschlamperei. Doch der Konzern ist ebensowenig Sinnbild des Datenmissbrauchs, wie Schäuble allein für den Überwachungsstaat steht. Das Problem ist tief in unserer Gesellschaft verwurzelt.

Die Datenpannen bei Einwohnermeldeämtern, der Überwachungsskandal bei Lidl und erst kürzlich die Panne bei der Gewerkschaft der Polizei: Die Datenmisshandlung hat bundesweites Ausmaß. Und wenn nicht hier, dann in Großbritannien, wo ja mittlerweile fast wöchentlich sensible Daten verloren gehen, oder sonst wo in der Welt.

Die massenhafte Verarbeitung personenbezogener Daten stellt in unserer Gesellschaft einen vergleichsweise jungen Teil der geschäftlichen Abläufe dar, und ist durch moderne Informationstechnologie erst möglich geworden. Die Systeme mit denen die Daten gespeichert und verarbeitet werden sind jedoch teilweise älter als das Bundesdatenschutzgesetz und wurden im Laufe der Jahre immer weiter aufgebläht. Das führt zwangsläufig zu Fehlern und somit Sicherheitslücken, insbesondere wenn dem Schutz persönlicher Daten bei der Entwicklung nur geringe Bedeutung geschenkt wird. Hinzu kommt das mangelnde Datenschutzbewusstsein von Administratoren, Entwicklern, Auftraggebern und Nutzern. Der pragmatische Ansatz wird oftmals bevorzugt: Mitarbeiter enthalten Zugriff auf Daten, die sie niemals sehen dürften, Daten werden ohne Nachdenken herausgegeben, Systeme nicht richtig abgesichert: Aus Faulheit, um Kosten zu sparen, aus Unwissenheit, oder weil das System per se keine Datenschutzgerechte Einstellung zulässt. Gleichzeitig gehen die Verbraucher immer freigebiger mit ihren Daten um und sind sich der Problematik selten bewusst. Die Liste an Fehlern die in unserer Gesellschaft im Umgang mit Daten gemacht werden lässt sich beliebig fortsetzen.

Dass Presse, Politik und Verbraucher nun alle mit dem Finger auf die böse Telekom zeigen ist berechtigt, aber ein Blick in den Spiegel und ein konsequentes Umdenken im Umgang mit eigenen und fremden Daten ist für unsere gesamte Gesellschaft ebenso dringend notwendig.